Nach dem Krieg blühten die Gewerkschaften wieder auf
Die Anfänge gewerkschaftlicher Entwicklung sind 1910 mit dem Bergbau zu verzeichnen. Berg-, Metall- und Bauarbeiter kamen nicht nur direkt aus dem Osten, sondern auch aus dem Ruhrgebiet, hatten ein Gewerkschaftsbuch schon in der Tasche und hielten zu den bereits bestehenden Kartellen der Nachbarorte Verbindung. Während des Ersten Weltkriegs ruhten gewerkschaftliche Tätigkeiten. Erst 1919 wurde auf Grund steigender Nachfrage das Ortskartell Dorsten des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes (freigewerkschaftlich) gegründet, dem ein Jahr später das christliche Kartell folgte und zwischen diesen beiden Richtungen eine gute Zusammenarbeit vorherrschte. 1928 fanden Vorbesprechungen für eine Zusammenlegung und den Bau eines Gewerkschaftshauses am Gemeindedreieck statt. Der wirtschaftlichen Scheinblüte nach dem Ersten Weltkrieg folgten die große Arbeitslosigkeit und Austritte aus der Gewerkschaft. Hinzu kam nationalistischer Radikalismus mit dem Ziel, die Gewerkschaften zu ersetzen, was trotz Verleumdungen sowie politischen und wirtschaftlichen Drucks bis 1933 nicht gelang. Bei der gewaltsamen Liquidierung durch nationalsozialistische Behörden im Jahre 1933 zählten beide Ortskartelle immer noch 1.200 Mitglieder, davon 750 freigewerkschaftliche und 450 christliche. Hausdurchsuchungen und Verhaftungen von Gewerkschaftsfunktionären waren die Folge.
Verbot und Gleichschaltung war 1933 das Ende der Gewerkschaften
Eine Schlagzeile im „Völkischen Beobachter“ vom 3. Mai 1933 lautete: „Der zweite Abschnitt der Nationalsozialistischen Revolution – Gleichschaltung der Freien Gewerkschaften“. Die Gleichschaltung war das Ende der freien Gewerkschaften. An ihre Stelle trat die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF). Sie war keine Arbeitnehmerschutzorganisation, sondern eine Einheitsorganisation für Arbeiter, Angestellte und Gewerbetreibende sowie für Unternehmer. Ihre Hauptaufgabe war es, den Arbeitsfrieden zu sichern, soziale Konflikte zu vermeiden, zu entschärften und zu unterdrücken. Eine der höchsten Auszeichnungen der DAF für so genannte Musterbetriebe war die Verleihung der „Goldenen Fahne“ durch Adolf Hitler. Am 1. September 1939 wurde die Dorstener Teppichfabrik Stevens & Schürholz (DeKoWe) mit der „Goldenen Fahne“ ausgezeichnet.
Neugründung der Bergbaugewerkschaft nach dem Krieg
Nach wie vor war der Bergbau der größte Arbeitgeber in Dorsten. Im April 1945 waren auf der Zeche Fürst Leopold 1.292 Bergleute beschäftigt; fünf Jahre später waren es sogar 3.480, also ein Drittel aller Erwerbstätigen in Dorsten. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde Pfingsten 1945 trotz Versammlungsverbot durch die englische Militärregierung das Ortskartell gegründet. Die Briten standen den Gewerkschaften nicht ablehnend gegenüber, wollten aber keine Politisierung. Bei den ersten Betriebsratswahlen auf der Schachtanlage Fürst Leopold errangen die Kommunisten mit 44,7 Prozent der abgegebenen Stimmen die Mehrheit, was jedoch wegen der paritätischen Zusammensetzung des Betriebsrats keine Auswirkungen hatte. Die Betriebsgewerkschaft wies bald einen hohen Organisationsgrad auf. Ende 1947 gehörten 82 Prozent der Belegschaft der Gewerkschaft an. Noch im Mai 1946 forderten die Hervest-Dorstener Bergleute im Hedoli-Palast die entschädigungslose Enteignung der Großgrundbesitzer, bevor soziale Angelegenheiten wie Miet-, Wohnraum- und Ernährungsfragen in den Vordergrund rückten.
Bis 1947 nahm der Einfluss der Kommunisten auf die Gewerkschaft zu, verebbte aber ab 1947 im betrieblichen Bereich zunehmend und stärkte so die sozial- und christdemokratischen Gewerkschafter. Die Ortsgruppe Hervest-Dorsten der IG Bergbau unter Vorsitz von W. Hahneiser war 1952 mit 1.819 Mitgliedern die stärkste Ortsgruppe innerhalb des Geschäftsstellenbereichs Gladbeck. Nur knapp unterlag Wilhelm Hahneiser (SPD) Mitte 1948 bei der Bürgermeisterwahl dem CDU-Kandidaten Paul Schürholz. – Die in Dorsten dominierende IG Bergbau, ein einst mächtiger Männerclub mit über 1.300 Mitgliedern, der auch die Kommunalpolitik stark beeinflusste hat seine Macht verloren. 2012, zehn Jahre nach Schichtende, hatte die Gewerkschaft nur noch 550 Mitglieder und ein Novum: Erstmals wurde eine Frau zur Vorsitzenden der Hervester IG BCE gewählt. Kirstin Helmes wurde 1969 in eine Hervester Bergarbeiterfamilie hineingeboren und trat erst 2006 der Gewerkschaft bei.
1965 gründete die IG Bergbau, Chemie und Energie in Wulfen eine selbstständige Ortsgruppe mit 113 Mitgliedern unter dem Vorsitz von Rudolf Deutsch. Die Ortsverbände Haltern, Marl und Dorsten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schlossen sich 2005 zu einem Ortsverband zusammen. Der Ortsverband der Kommunalgewerkschaft für Beamte und Arbeitnehmer (Komba) hatte 2002 insgesamt 167 Mitglieder, davon 85 Beamte, 64 Angestellte, 1 Arbeiter und 17 Rentner/Pensionäre (siehe Komba).
Quellen:
Hahneiser in „700 Jahre Stadt Dorsten“ 1951. – Wolf Stegemann (Hg.) „Dorsten unterm Hakenkreuz“, 3. Band, 1985. – Olaf Herzfeld „Die Entwicklung der politischen Parteien in Dorsten zwischen 1945 und 1956“, Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt, Geschichte, Fachbereich 10, Uni Münster 1995.