Stadt brachte bislang keine Ordnung in wuchernde Außenwerbung
Kein Glück hatten Rat und Verwaltung bislang mit der Verabschiedung einer Gestaltungs- bzw. Werbeanlagensatzung, mit der das Stadt- und Straßenbild mit überdimensionalen, bunten Werbeanlagen nicht weiter dominiert werden sollte. 1985 kamen sich Stadtverwaltung und Kaufleute im Bestreben, die Altstadt von unpassenden Werbeanlagen zu befreien und neue nicht mehr zuzulassen, ziemlich nahe. Ein Sprecher der Kaufmannschaft zu dem Vorhaben der Stadt: „Wir sitzen mit Ihnen gerne in einem Boot!“ Als es allerdings darum ging, das Boot zu betreten, d. h. Kaufleute ihre Werbeanlagen reduzieren sollten, ohne dass die Stadt dafür bezahlte, war der Konsens zwischen Stadt und Kaufmannschaft wieder aufgehoben und eine Außenwerbungssatzung bis heute trotz geltender Gestaltungssatzung nicht durchsetzbar. Die Präambel der Gestaltungssatzung gibt Auskunft über deren Sinn:
„Die Bewahrung und Erneuerung des Stadtbildes der Dorstener Innenstadt ist ein städtebauliches, kulturelles und gesellschaftliches Anliegen von hohem Rang und allgemeinem Interesse…“
McDonalds Pylon am Busbahnhof musste kürzer werden
Auch wenn Anlagen Bestandsschutz haben, konnte die Verwaltung in Einzelfällen bereits Einfluss auf Außenwerbung von Unternehmen im Stadtbild nehmen und sie auch ohne Druck der Gestaltungssatzung verbieten, wenn die Reklame allzu auffällig war und nicht in das Stadtbild passte. Bei Neuanlagen der Außenwerbung greift die Satzung eher. Zwei Beispiele: Eingeklemmt zwischen zwei aggressive Werbeblöcke zweier Häuser am Marktplatz wollte ein Kaufmann seine nicht minder aggressive Werbeanlage erneuern. Die Stadt verwies auf die Satzung, der Kaufmann aber auf die Nachbarn und seine untergehende dezentrale Reklame nach Satzungsauslegung. Der Kaufmann brachte also eine dezentere Werbung an, was seine Kunden schätzten. Der Schnellimbiss McDonald musste am Busbahnhof seinen Pylon um Beträchtliches kürzen, damit das McDonald-Zeichen auf der Spitze des Pylons nicht über das Stadtbild hinweg sichtbar war, sonst hätte es optisch den Mittelpunkt der Stadt eingenommen. Aber: Nach späterer Fertigstellung des Häuserblocks in unmittelbarer Nähe am Südwall prangt dennoch auf dem Dach unübersehbar eine Sparkassenreklame, die unbeanstandet zumindest optisch höher ist als der McDonald-Pylon. – Ein anderes Problem stellen die „Filialisten“ dar, deren einheitlich aufdringliche Werbung erst bei Nutzerwechsel verschwindet.
Streit um Rose-Brauerei-Leuchtreklame am Marktplatz im Jahre 1929
Streit zwischen Gewerbetreibenden und der Verwaltung um Reklame gab es schon immer. Dr. Hartmut Butzert schilderte in der WAZ vom 17. Februar 1998 einen Fall aus dem Jahre 1929: Die Wulfener Rose-Brauerei brachte an dem von ihr am Marktplatz in Dorsten gepachteten Haus „Hotel zur Post“ 1929 ein Reklameschild an, das den baulichen Vorschriften nicht entsprach. Bürgermeister Geißler sah in der Bierwerbung einen Verstoß gegen das „Ortstatut gegen Verunstaltung“ und ließ die Angelegenheit von der Bauberatungsstelle des Kreises Recklinghausen prüfen und bemerkte dabei gegenüber der Prüfstelle:
„Wir sind der Ansicht, dass das Transparent weder in der Form noch in seinen Größenverhältnissen zu dem Gebäude passt und umso weniger genehmigt werden kann als es gerade am Marktplatz besonders auffallend in Erscheinung tritt.“
Die Rose-Brauerei bekam den Bescheid, das Transparent wieder zu entfernen, weil es u. a. „keine Rücksicht auf die Architektur des Hauses nimmt“. Der Brauereibesitzer sah das ganz anders und verlangte eine eingehende Begründung, denn die Bier-Reklame hätte ein angesehener Städtebildformer und Regierungsbaumeister aus Essen entworfen. Dieser meinte, dass die Reklame zur Architektur des Hauses passe. Die Stadt antwortete, dass die Reklame eben nicht zur Architektur passe und verwies auf die Äußerung der Bauberatungsstelle des Kreises, dass die Reklame die Architektur des Hauses totschlage. Wenig später beschloss der Magistrat die Entfernung der Reklame. Da die Brauerei nicht reagierte, drohte die Stadt mit der Entfernung auf Kosten der Rose-Brauerei und setzte die Kosten hierfür auf 50 Mark fest. Daraufhin reagierte Brauereibesitzer Rose und schrieb der Stadt, dass ein neues Reklameschild entworfen werde. Dieser neue Entwurf wurde schließlich genehmigt.
Quellen:
Wolf Stegemann in RN vom 4. Dezember 1985. – Dr. Hartmut Butzert in WAZ vom 17. Februar 1998 mit Quellenverweis Stadtarchiv Dorsten. – Wolf Stegemann „Gestaltungssatzung notwendig – RN-Stadtrundgang mit Haase und Bremen“ in RN vom 13. August 1983. – Gespräche mit Stadtdirektor bzw. Bürgermeister Dr. Karl-Christian Zahn 1987 und 1998.