Taubes Idee: Sich mit Identität und Stadtprozessen auseinandersetzen
Angeregt durch ihren großen Erfolg, den die Dorstener Kulturwissenschaftlerin Marion Taube mit ihrem 2013 organisierten Projekt „Stadtentdeckung“ (siehe dort) hatte, regte die unermüdliche Ideengeberin und Projekterfinderin Weiteres an, nämlich ein „Fundbüro für Stadtideen“ (FBFS). Der Ort, wo Bürger ihre Kulturideen als Fundsache abgeben konnten, waren Ausstellungsräume in der Ursulastraße 9. Marion Taube: „Das Fundbüro ist grenzübergreifend für alle Stadtbezirke da. Die Altstadt nimmt mit dem Bauplatz Lippetor gemeinsam mit Hervest-Dorsten und dem Fürst Leopold-Quartier den ersten kreativen Dialog auf: als Modellvorhaben für neue ungewohnte Begegnungen innerhalb des gesamten Stadtgebiets.“ Darüber hinaus sah sie im Fundbüro eine „Ausstellungseinladung an Dorstener Kunstschaffende, die sich bewusst mit Identität und Stadtprozessen auseinandersetzten“. Der damalige SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Baune (es war Wahlkampfzeit) war auch dabei und betonte, ihm sei es ein besonderes Anliegen gewesen, den neuen Treffpunkt kennenzulernen, „da sich in diesem Projekt zwei der wichtigsten Zukunftsthemen unserer Stadt vereinen, für die ich mich einsetzen möchte, nämlich Stadtentwicklung und Bürgeraktivierung“ (DZ). Baune vermeinte, eine kulturelle Kraft zu verspüren, als er sagte: „Es wird spürbar, wie viel kreative Kraft in Dorsten steckt.“
Stadtspitze begrüßte die Kultur-Initiative „Fundbüro für Stadtideen“
Mit der neuen Galerie Hetkamp im Creativ-Quartier Fürst Leopold im Januar 2014 wurde ein weiteres „kulturelles Highlight“ in Dorsten eröffnet. „Beide Veranstaltungen dokumentieren sehr viel kreative Dynamik nach dem Motto: Wir Bürger meistern das“, meinte Michael Baune. Doch die Bürger meisterten das nicht sowie gedacht. Waren zur Gründung noch alle die da, die in der Dorstener Kulturszene irgendwas darstellen, musste Marion Taube das Fundbüro in der Ursulastraße bad wieder schließen. Und die Galerie Hetkamp schloss ebenfalls, wie viele andere Galerien in der ehemaligen Lohnhalle auf Fürst Leopold. – Über Dorstens Kultur ließ sich immer schon trefflich streiten, da die Meinungen über diesen Part des urbanen Lebens in Dorsten bei den Betrachtern der Szene weit auseinandergehen und erst recht bei den Kulturmachern selbst. Da scheinen so manche gute Ideen das vorhandene Potential zu überfordern. Und manche haben sogar die ketzerische Meinung, dass Dorsten überhaupt keine zumindest mittelmäßige Kulturstadt sei und folglich für solche Ideen, wie sie Marion Taube projektiere, nicht geeignet sei, ziehe man den Kulturbegriff enger.
Fundbüro vielleicht ein „ersehnter Partner“ der Stadt
Welchen Wert Politik und Verwaltung der Kultur beimessen, lässt sich an vielen Puzzleteilen festmachen. Beispielsweise auch an der Besetzung des Kulturausschusses und den Impulsen, die von dort für das kulturelle Leben in der Stadt ausgehen, wenn überhaupt. Oft ist zu bemerken, dass den für die Öffentlichkeit gut formulierten Worten die nachfolgenden Taten fehlen. Und wenn sich dann der Baudezernent als Vertreter der Stadt bei der Gründung des „Fundbüros“ zur Dorstener Kultur äußerst, wird er natürlich in der „Dorstener Zeitung“ zitiert: Die Stadtspitze übrigens begrüßt die Initiative von Marion Taube aufs Herzlichste: „Das Fundbüro ist, weil unabhängig und ohne formelle Bindungen, für uns ein willkommener, interessanter, vielleicht sogar ersehnter Partner im Gestaltungsprozess der Lebenswelt Stadt.“
Fundbüro-Ableger in Lembeck
Unermüdlich hält Marion Taube an ihrer Idee fest und richtete im März 2014 in Lembeck einen Ableger des Altstadt-Fundbüros ein, das sie ortshinweisend „Fundbüro für Dorfideen“ nannte. Wenn auch das Lembecker Fundbüro in der Dorstener Altstadt gegründet wurde, so fanden sich doch rund 50 Lembecker ein. Die „Dorstener Zeitung“ zitierte Marion Taubes Worte, die Zufriedenheit signalisieren: „Lembeck bildet sich hier als Gesamtkunstwerk ab.“ Gekommen war eine illustre Runde aus Vereinsvertretern, Landwirten, Handwerkern, Künstlern, Rentnern, Müttern; auch ein paar Politiker waren erschienen. Sie alle wollten mit oder ohne „Fundsachen“ dabei sein. Dabei ging es den Lembeckern nur hintergründig um Kultur, es sei denn, sie machten sich den oft kolportierten Beuys’schen Ausspruch, dass auch Kartoffelschälen Kunst sei, zu Eigen. Den Lembeckern ging es vornehmlich darum, ihre Lembecker Identität zu erhalten, den Bauernhof für die Zukunft gut ausgerüstet zu haben, Dorsten abzulehnen, zu der Stadt sie eigentlich gar nicht gehören wollen. Dorstens Baudezernent Holger Lohse zog daraus lobend seinen Schluss: „In anderen Ortsteilen werden Ansprüche an die Stadt formuliert, in Lembeck meist nicht“ (DZ). Die erste Fundsache wurde somit abgegeben!
Im Juni 2014 nahm die von Marion Taube initiierte „Stadtentdeckung“ vom Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher, einem Netzwerk von Geschichtsvereinen und -initiativen, den zweiten Preis entgegen. Das Forum hob hervor, dass die „Stadtentdeckung“ ganz unsentimental die Veränderungen der Stadt in den Blick genommen und ohne Nostalgie erkundet habe (siehe Stadtentdeckungen).
Quellen:
Stefan Diebäcker „Ableger in Lembeck: Im ,Fundbüro für Stadtideen’ wurde eine neue Idee geboren“ in der DZ vom 21. März 2014. – Michael Baune in „Übersicht Wahlkampf aktuell – Januar 2014“: „Es wird spürbar, wie viel kreative Kraft in Dorsten steckt“ (veröffentlicht 26. Januar. 2014). – Internetauftritt Fundbüro: fsbs-dorsten.de (2014).