Freudenberg-Dreiecksrennen

Halsbrecherische Veranstaltungen erfreuten sich großer Beliebtheit

Geknatter am Freudenberg

In den 1920er-Jahren Geknatter und Geratter am Freudenberg

Dreieck-Rennstrecken für Autos und Motorräder erfreuten sich in den 1920er-Jahren einer großen Popularität. Bekannt wurden die thüringischen Straßen bei Schleiz. Im Westen gab es die Rennstrecken um die Hohensyburg und im Raum Wesel-Mehrhoog-Brünen. Auf den Reichs- und Landstraßen zwischen Freudenberg, Erle und Altschermbeck startete man 1923 zu halsbrecherischen Rennen. Da dieses Gebietsdreieck sowohl im Rheinischen als auch im Westfälischen lag, nahmen die Medien nur zögerlich von diesen Rennen Kenntnis. Die Veranstaltungen wurden als „wilde Rennen“ abgetan. Erst fünf Jahre später interessierte sich auf Grund eines Artikels in der „Dorstener Volkszeitung“ (heute DZ) die Gruppe West des ADAC-Gaus Westfalen-Lippe für diese Rennen und übernahm die Öffentlichkeitsarbeit. Veranstalter war der Emschertaler Automobil- und Motorradklub Horst-Emscher. Die Freudenberg-Rennen wurden fortan als das „unstreitig bedeutendste motorsportliche Ereignis Westdeutschlands“ gewürdigt. In der „Dorstener Volkszeitung“ vom 11. September.1928 stand:

„Wie ein Ungeheuer fraß sich am frühen Sonntagmorgen eine gigantische Schlange von Motorfahrzeugen ins herbstlich werdende Münsterland. […] Die Menschenmasse – es waren aber keine 50.000, vielleicht 20-25.000 – blockierte die Kurven, hielt die Straßensäume besetzt und lagerte in den Gräben und auf den Böschungen. […] Runde um Runde sausten die Benzinteufel die 17,9 Kilometer ab. Und die Luft stank nach Benzol! Und die Sonne saugte! Und die Heide blühte im letzten Erblühen!“

1928 gab es fünf Prüfungsfahrten in verschiedenen Klassen. Die Gewinner erhielten Geldpreise zwischen 20 und 100 Mark. Ein Essener Teilnehmer fuhr mit 132 Stundenkilometer die schnellste Zeit auf diesen Schotterstraßen zwischen Erle, Freudenberg und Altschermbeck.

1929: Zweitwichtigstes rennsportliches Treffen in Deutschland

„Wieder einmal stand die Heide am Freudenberg im Zeichen des Motorsports. Da, wo sich sonst die Füchse gute Nacht sagen, surrten die Motoren, Menschenmassen hielten die Straßensäume besetzt. Aus allen Gegenden waren sie zusammengeströmt, aus dem Industriegebiet, dem nördlichen Münsterland, aus Hamburg und wer weiß wo sonst her, um einen neuen Beitrag zur ,Motorisierung unseres Zeitalters’ beizusteuern.“

Mit solchen Worten begann der Reporter einer Lokalzeitung am 13. August 1929 seine farbenfrohe Schilderung des damals wohl wichtigsten sportlichen Ereignisses am Freudenberg, das zwei Tage vorher stattgefunden hatte. Neben dem Nürburgring-Rennen galten die Rennen auf dem Freudenberger Dreieckskurs als die wichtigsten rennsportlichen Treffen von Motorrad- und Autofahrern aus ganz Deutschland. 1929 meldeten sich 160 Fahrer an, darunter Werkspiloten von BMW und DKW. Am 10. August gingen 114 Motorräder, 23 Seitenwagengespanne und 20 Sportwagen unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Zimmermann von Horst-Emscher an den Start. Bekannte Fabrikate fanden sich unter den Rennfahrzeugen: Harleys, Imperials, Velocetten, Esch Rekords, Görickes, Tornas, Bugattis, Benz‘. 90.000 Zuschauer säumten die Dreieck-Rennstrecke, die eigens renoviert wurde und, wie die Zeitung berichtete, „in ausgezeichneter Verfassung“ war. „Es darf infolge seiner Gradlinigkeit, Ebenheit und Fairness als eine der idealsten und schnellsten Rennstrecken Deutschlands bezeichnet werden.“
Die Zeitung berichtete 1928 von zwei Unfällen. Es gab einen Toten und Schwerverletzte. Trotz der Unfälle des Jahres 1928 wurde das Dreiecksrennen wiederholt, obwohl laut ministerieller Verfügung Rennen dieser Art verboten waren. Am 11. August 1929, einem Sonntag, begann in aller Herrgottsfrühe die Auffahrt der „brummenden und tosenden Stahlmasse“. Über dieses letzte Rennen schrieb der damalige Lokalreporter:

„Die Massen ballten sich so zusammen, daß man geraume Zeit brauchte, ehe man von der einen zur anderen Straßenseite gelangte. Die Schätzungen über die Zuschauerzahlen differieren stark. Man spricht von 70.000 bis 100.000 Menschen, die am Sonntag auf dem Freudenberg waren. Erfreulich ist, daß die Rennen ohne tödliche Unfälle verlaufen sind. Ganz harmlos ist es ja nicht abgegangen, aber die Totenliste des Vorjahres hat sich nicht wiederholt. In der Kurve am Freudenberg stürzten eine ganze Reihe Fahrer. Bedenklich ist noch der Zustand der Osterfelder Fahrer Rudel und Voß, die in der Erler Kurve mit ihrem Beiwagen stürzten.“

Die ganze Veranstaltung hatte dem Wirtschaftsleben des Bezirks ohne Zweifel großen Nutzen gebracht. Die Dorstener Gasthäuser waren voll besetzt, ebenso war es in der Herrlichkeit Lembeck. In der Tageszeitung von 1929 warb die Witwe Wilms in Erle für ihr „Renn-Restaurant zur 1000-jährigen Eiche“ ebenso mit einer guten Aussicht auf die Rennstrecke wie das von Grote-Schäpers in Schermbeck geleitete Restaurant „Zur Kurve“. Obwohl die Veranstaltungen einen wichtigen wirtschaftlichen Impuls für Dorsten, Erle und Schermbeck bedeuteten, gab es keine weiteren Freudenberger Rennen mehr. Niemand wollte die Verantwortung für Unfälle übernehmen, zumal die Sicherheit an der Strecke im Argen lag und die vorhandenen Straßen zu schmal waren für moderne Autos mit Stundengeschwindigkeiten von 250 Kilometern.

Gescheiterter Wiederbelebungsversuch Anfang der 1950er-Jahre

Allerdings stellten die immer schnelleren Fahrzeuge größere Anforderungen an die Rennstrecke, so dass alle Versuche, danach weitere Rennen durchzuführen, am fehlenden Geld für einen weiteren Ausbau scheiterten. Auch ein Versuch nach der Währungsreform 1948, die Rennen wieder aufleben zu lassen, scheiterte. Dazu trugen auch schwere Unfälle auf anderen Dreieck-Rennstrecken bei. Das Land investierte nunmehr in den Nürburgring. Der ADAC versuchte in den Jahren 1950 und 1951, die Rennen wiederzubeleben, um den Fremdenverkehr anzukurbeln. „Die Naturschönheiten, die phantastischen Waldkulissen und die einsamen Wanderwege allein sind nicht mehr der Magnet, der sie vor 1945 waren“, schrieb die Westfälische Rundschau am 10. August 1950 und ergänzte:

„Zur Förderung des Fremdenverkehrs würden in der Herrlichkeit Lembeck etwa ein bis zwei Millionen DM notwendig sein. Diese Mittel können von dem finanzschwachen Amtsverband nicht aufgebracht werden. Zuschüsse vom Land oder vom Landkreis wären erforderlich. Mit den Mitteln müssten Ausflugshotels, Badeanstalten usw. errichtet werden. Zum ganz großen Schlager könnte die eventuelle Wiederaufnahme der Freudenberg-Dreieck-Rennen werden. Nur dieser Weg – die Ankurbelung des Fremdenverkehrs – bleibt dem Amtsverband Hervest-Dorsten noch übrig.”

Freudenberg-Rennen sollten „zweiter Nürburgring“ werden

Am 11. September 1950 fand in Recklinghausen eine Unterredung mit dem Vorsitzenden des ADAC, Verstege, und dem Geschäftsführer des ADAC, vom Dorf, statt. Über dieses Gespräch berichtete Amtsdirektor Banke in einem Protokoll vom 12. September 1950:

„Der ADAC Recklinghausen bejaht grundsätzlich die Durchführung des Freudenberg-Dreieck-Rennens im nächsten Jahr. Der ADAC Recklinghausen ist bereit, die technische Durchführung des Rennens zu übernehmen. Bevor an die Durchführung des Rennens gedacht werden kann, muss zunächst die finanzielle Seite geklärt werden. Die Gesamtkosten des Rennens werden auf 150.000 – 170.000 DM geschätzt.“

„Nach bisherigen Plänen“, berichtete die Westfälische Rundschau am 15. September 1950, „sollen bei dem Dreieck-Rennen am Freudenberg im Jahre 1951 drei Rennen mit 80 bis 100 Fahrern internationaler Klasse gefahren werden. Die Freudenbergrennen sollen nach dem Nürburgring die Rennen Westdeutschlands werden.“  Am 15. Mai 1951 heißt es in einem Protokoll der Amtsvertretung Hervest-Dorsten zum Freudenberger Dreiecksrennen, dass das Rennen auf der früher gefahrenen Strecke wahrscheinlich nicht wieder ins Leben gerufen werden könne, da die Kosten für eine ausreichende Absperrung zu hoch seien. Es sei eine kleinere Rennstrecke zwischen Tüshaus und Borkener Straße und Borkener Straße bis Freudenberg vorgesehen. Diese Strecke sei fünfeinhalb Kilometer lang. Das Verbindungsstück zwischen Tüshaus und der Borkener Straße sei für die Durchführung eines Rennens im jetzigen Zustand jedoch zu schmal und müsste auch entsprechend ausgebaut werden. Da die interessierten Gemeinden nicht in der Lage waren, die erforderlichen Kosten von etwa 70.000 Mark aufzubringen, schlug Bürgermeister Markfort vor, eine 4800 Meter lange Dreiecksstrecke einzurichten. Sie wäre vom Altschermbecker Ortskern über die Bundesstraße 58, dann durch die Rüster Siedlung verlaufen und schließlich über die Dorstener Straße nach Altschermbeck zurückgeführt worden. Während noch im Juli 1952 Finanzierungsfragen erörtert wurden, ereignete sich am 31. August 1952 beim Grenzlandring-Rennen in der Nähe von Wegberg ein schweres Unglück. Damit scheiterte das Vorhaben, die Freudenberger Dreiecksrennen wieder zu beleben, endgültig – bis heute.

Siehe auch: Schubkarrenrennen in Schermbeck
Siehe auch: Freudenberg-Abgrabung
Siehe auch: Meilenstein am Freudenberg


Quelle: Friedrich Stricker: „Aus den frühen Tagen des Motorsports. Die letzten Freudenberg-Dreiecksrennen“ in HK 2003.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone