Fremdarbeiter

Mit Zwang in deutsche Fabriken und die Landwirtschaft geholt

Zeichnung von Tisa von der Schulenburg

Zeichnung von Tisa von der Schulenburg

Von Wolf Stegemann – Die Umstellung der deutschen Unternehmen auf die Kriegswirtschaft und die Einberufung wehrfähiger Männer zum Kriegsdienst verschärften den bereits schon vor dem Krieg spürbaren Mangel an Arbeitskräften. Neben dem Mittel der „Dienstverpflichtung“ griff der Staat nach Beginn des Kriegs und vor allem nach dem Überfall auf die Sowjetunion per Führerbefehl zu dem Zwangsmittel der „Zuführung aller geeigneten kriegsgefangenen Russen in die Rüstungsindustrie“. Dazu kamen die zur Arbeit ins Reich deportierten Männer und Frauen aus den besetzten westeuropäischen Ländern wie Frankreich, Belgien, Niederlande u. a. Um die Rüstungsindustrie noch mehr anzukurbeln und Arbeiter-Lücken in der Landwirtschaft zu schließen, wurden 1942 in den berüchtigten „Sauckel-Aktionen“ ausländische Männer und Frauen als Arbeitskräfte (Ostarbeiter) entweder durch Überredung, meist aber durch Zwang ins Reich geschafft, wo sie in kleinen und großen Rüstungsbetrieben oder in der Landwirtschaft und in Krankenhäusern arbeiten mussten.

Harte Bestrafung der Fremdarbeiter/innen wegen Nichtigkeiten

Karteikarten

Erhalten gebliebene Karteikarten

In Dorsten waren bis zu 8.000 Fremdarbeiter in über 30 Lagern untergebracht. Betriebe mit den meisten Zwangsarbeitern waren die Zeche, die Heeresmunitionsanstalt in Wulfen (Muna), die Eisengießerei und die Drahtwerke. Viele kleinere Betriebe wie Schreinereien, Schneidereien, Gärtnereien, Schweißereien bekamen Zwangsarbeiter (aber auch Kriegsgefangene). Vor allem die Landwirtschaft kam ohne Fremdarbeiter bzw. Kriegsgefangene nicht mehr aus. Ostarbeiter/innen bekamen Lohn, waren ansonsten aber fast rechtlos. Der private Umgang mit ihnen war den Deutschen bei Strafe verboten. Sie wurden für jede Kleinigkeit auf das Härteste bestraft (Lohnabzug, Ausgangssperre, Straflager, sogar Erhängen). Während die sowjetischen Kriegsgefangenen völlig rechtlos waren und viele von ihnen auch an den Arbeitsplätzen wegen Nichtigkeiten (Zigarette rauchen, heimlich Brotscheibe annehmen) erschossen oder totgeprügelt wurden, lebten die Ostarbeiter/innen in relativer Sicherheit. Dennoch wurden auch sie mit dem Tod durch Erhängen bestraft, wenn sie sich mit einer deutschen Frau sexuell eingelassen haben. In solchen Fällen fuhr ein eigens zusammengestelltes SS- und Gestapo-Kommando mit einem mobilen Galgen von Lager zu Lager und hängte dort unter Teilnahme der anderen Lagerinsassen den Fremdsarbeiter auf.  Aus Dorsten sind solche Ereignisse nicht bekannt.

Befreite Kriegsgefangene verprügelten ihren Peiniger

Auf der Schachtanlage Fürst Leopold arbeiteten rund 700 Ostarbeiter und Kriegsgefangene vieler Nationen. Ein „Lager Fürst Leopold“ befand sich an der Eisenbahnbrücke in der Nähe der Ellerbruchstraße. Lagerführer war der ehemalige österreichische SA-Mann Schw. (voller Name hier nicht bekannt). Bei Kriegsende nahmen ihn die russischen Arbeiter fest, verprügelten ihn, und übergaben ihn den Engländern mit der Bemerkung: „Hat viel russisches Blut getrunken“. In den ersten Tagen der Befreiung gab es zum Teil Plünderungen. Die englischen Militärbehörden sammelten daraufhin die Ostarbeiter/innen in Sammellagern, von denen sie dann zurück in ihre Heimat geschickt wurden, wo sie mitunter als Kollaborateure angesehen und sofort in die Arbeitslager nach Sibirien verbracht wurden.


Quelle/Literatur:
Wolf Stegemann in „Dorsten unterm Hakenkreuz“, Bd. 3, Dorsten 1985. – Ders. „Über 700 Ostarbeiter auf Fürst Leopold“ in den Ruhr-Nachrichten vom 19. März 1990.

Share on FacebookTweet about this on TwitterShare on Google+Email this to someone