In Deutschland (noch) umstrittene Gasförderung mit Chemikalien
Gegen Fracking engagieren sich etliche Dorstener im Arbeitskreis „Energie-Klima-Umwelt“ gegen Fracking, der von der örtlichen SPD organisatorisch geleitet wird, aber großen Wert auf Überparteilichkeit legt, wie Dirk Hartwich, einer der engagierten Sprecher, betont. – „Hydraulic Fracturing“ oder kurz Fracking ist vom englischen „to fracture“ abgeleitet und heißt so viel wie „aufbrechen“, „aufreißen“. Das Fracking ist eine Methode zur Erzeugung von Rissen im Reservoirgestein im tiefen Untergrund, mit dem Ziel, dass das dort lagernde Gas oder Flüssigkeiten leichter und beständiger zur Bohrung fließen und somit gewonnen werden können.
Bis 5000 Metern Tiefe gebohrt
Beim Fracking wird nach Erstellung einer bis zu mehreren tausend Meter tiefen Bohrung zur Erhöhung der Durchlässigkeit der Gesteine auf der Ebene der tiefsten Stelle der Bohrung unter hohem Druck Wasser durch das Bohrloch in den tieferen Untergrund bis zu 5.000 Metern gepumpt, das in der Regel mit chemischen Zusätzen und Stützmitteln wie z. B. Quarzsand versetzt ist. Typischerweise sind in der Tiefe mehrere zusätzliche horizontale Bohrungen mittels Richtbohrungen – durch Umlenken des Bohrkopfes in die Waagerechte − in das umgebende Gestein ausgeführt, um die Ausbeute zu erhöhen. Die unter einem Druck von typischerweise mehreren hundert Bar eingepresste Flüssigkeit hat dabei die Aufgabe, im Reservoirgestein Gesteinsrisse zu erzeugen, aufzuweiten und dauerhaft zu stabilisieren. Seit Ende der 1940er-Jahre wird Fracking, auch in Deutschland, vor allem bei der Erdöl- und Erdgasförderung sowie bei der Erschließung tiefer Grundwasserleiter für die Wassergewinnung und der Verbesserung des Wärmetransportes bei der tiefen Geothermie eingesetzt. In den letztgenannten Anwendungsfällen werden keine Stützmittel und/oder chemische Zusätze benötigt.
Anträge, im Schiefergestein unter Dorsten nach Erdgas zu bohren
Unter dem Dorstener Stadtgebiet gibt es Erdgaslager im Schiefergestein, für die sich bereits Unternehmen mit Anträgen auf Bohrung angemeldet haben (und Förderung, sobald eine allgemeine Genehmigung dafür vorliegen sollte). Dabei handelt es sich um das Unternehmen Exxon-Mobil, die im nordwestlichen Stadtgebiet Bohrungen einbringen wollen. Der zweite Antrag wurde von der Technischen Hochschule Aachen für das nordöstliche Stadtgebiet gestellt. Die Universität will „zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen zu wissenschaftlichern Zwecken“ bohren. Bereits 2013 hat der Umweltausschuss des Rates beide Anträge unter kritischen Gesichtspunkten behandelt und in Übereinstimmung mit der NRW-Landesregierung abgelehnt. Es solle keinem Antrag auf Fracking-Verfahren zugestimmt werden, solange „nicht alle Risiken eindeutig ausgeschlossen“ sind. Die Bundesregierung bereitet allerdings einen Gesetzentwurf vor, nach dem es Ausnahmen von dem bisherigen Verbot geben soll.
„Goldgräberstimmung“ in den USA
In den USA wird seit etwa Anfang der 2000er-Jahre verstärkt Erdgas mittels Fracking gefördert, was einen Boom zur Folge hatte. Dirk Hartwich: „Goldgräberstimmung in Amerika“. Dies hat den dortigen Energiemarkt erheblich verändert und mündete in einem aktuellen Erdgas-Überangebot mit Preisverfall auf dem US-Markt, so dass die Rentabilität des Verfahrens bereits in Frage gestellt wurde. Die US-Regierung fördert daher seit etwa 2013 Anstrengungen zum verstärkten Export von Flüssig-Erdgas nach Europa und Japan, unter anderem mit beschleunigten Genehmigungsverfahren. Dirk Hartwich:
„Es ist aber nur die halbe Wahrheit. Neben der wirtschaftlichen Seite gibt es auch noch die Umweltproblematik. Die aus Amerika stammenden Bilder von ,brennenden Wasserhähnen’ haben bei uns für ungläubiges Staunen und Kopfschütteln gesorgt. Durch Undichtigkeiten der Tiefenbohrung konnte nämlich das Gas in die Grund- und Trinkwasserstockwerke gelangen und somit die örtliche Wasserversorgung irreparabel schädigen. Die Folge: Anwohner müssen mit Wasser aus Tankwagen versorgt werden. Aber es kommt noch dicker. Mit dem Gas steigt nämlich auch ein großer Teil des eingepressten Wassers, das mit den teils hochgiftig eingesetzten Chemikalien versetzt ist, an die Oberfläche. Das ist Sondermüll und darf nicht in den Kläranlagen entsorgt werden.“
Aufgrund von Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der Krimkrise in der Ukraine ab Februar 2014 wurde US-Flüssigerdgas nachdrücklich von US-Politikern sowie auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Alternative zum russischen Erdgas für die europäische Energieversorgung ins Spiel gebracht. Zudem wurden im Zuge der Krise Forderungen nach einem verstärkten Fracking-Einsatz in europäischen Ländern geäußert. Bisherige, seit langem bestehende Bestrebungen zur Ausweitung der Fördertätigkeit in europäischen Ländern führten zu einer kontrovers geführten und noch andauernden politischen und gesellschaftlichen Debatte. Dabei werden vor allem die mit dem Einsatz der Technologie verbundenen Umweltrisiken und mögliche Gesundheitsgefahren diskutiert. Einige Länder und Regionen haben Erdgas-Fracking auf ihrem Gebiet gesetzlich verboten.
Parzellen für mögliches Fracking bereits verteilt – auch in Dorsten
In Deutschland ist trotz aller Beteuerungen der Politik (Süddeutsche Zeitung: „Fracking-Verbot in Deutschland –Wirtschafts- und Umweltministerium verständigen sich …, um die umstrittene Gasförderung zu verhindern“) die unkonventionelle Gasförderung inzwischen Fakt. Die Parzellen für mögliches Fracking sind inzwischen so gut wie vergeben, auch auf Dorstener Gebiet. Besonders in Niedersachsen wird schon „gefrackt“. Noch nicht zur Förderung, aber zur Erkundung des Tiefengesteins. ExxonMobil, RWE-DEA, Wintershall – das sind die drei großen Energieriesen, die durch Fracking das neue goldene Energiezeitalter versprechen. Doch die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte öffentlich: „Solange ich in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidentin bin, wird es hier kein Fracking für die unkonventionelle Erdgasförderung geben.“ Allerdings schränkt die Bundes-SPD dieses klare Nein aus Westfalen wieder ein. „Fracking jeglicher Art in Wasserschutz- und Heilquellengebieten sowie in Einzugsbereichen von Talsperren und Seen soll untersagt werden“ (dpa). Als einen „Faulen Kompromiss“ bezeichnete die Bundestags-Opposition diesen SPD-Vorschlag. Der mögliche Verbots- und Erlaubniswillen, in tiefer als 3000 Meter liegenden Gesteinschichten zu „fracken“ soll bis 2021 überprüft werden. Mit diesem Aufschub soll wohl eine notwendige Versachlichung der Debatte über Fracking erreicht werden. Die Süddeutsche Zeitung am 5. Juli 2014:
„In die Zukunft weist Fracking ganz sicher nicht, ob mit viel Chemie oder wenig. In die Zukunft würden Strategien weisen, die Wohlstand dauerhaft mit weniger Energie sichern, also auch mit weniger Gas. Dazu allerdings ist auch aus dieser Bundesregierung bisher nicht allzu viel zu hören.“
Vermutlich wird Fracking in Deutschland kommen
Allerdings sind Zeichen erkennbar, dass die Bundesregierung nach einem gewohnten politischen Eiertanz dem Drängen der Wirtschaft nachgeben und am Ende das Fracking in Deutschland trotz aller wissenschaftlich begründeten Risiken erlauben wird. Das sehen zumindest die Wirtschaftsredaktionen der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen: „Vor allem die Energiekonzerne wollen die unangetasteten deutschen Schiefergasvorkommen ausbeuten.“ Verlautbarungen aus dem Wirtschaftsministerium lassen erkennen, dass mit der Begründung, dass die „Art des Gasvorkommens nicht genau zu definieren ist“, eine Genehmigung kommen kann. Denn von dieser Definition hängt ab, welches Gas gefördert werden darf. Fehlt diese Definition, läuft es auf schwer kontrollierbare Einzelentscheidungen bei den Genehmigungsbehörden hinaus. Der Auffassung des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums widersprechen unabhängige Experten. Unterdessen warnen Kritiker vor dem Versprechen, Schiefergas könne Deutschland unabhängig von russischen Gaslieferungen machen. Dafür sind die deutschen Vorkommen viel zu gering. Die vermutete Menge ist gerade mal so groß, dass man damit zwölf Jahre lang den derzeitigen Gesamtbedarf des Landes decken könnte. Sicher ist auch, dass das deutsche Schiefergas wesentlich teurer sein wird, als das amerikanische (SZ vom 12. Mai 2014). Am 10. September 2014 kam die dpa-Meldung, dass die große Koalition der Bundesregierung Probebohrungen gesetzlich zulassen will, eine großindustrielle Förderung soll es nach dem derzeitigen Willen der Bundesregierung (CDU/CSU/SPD) bis 2021, also in den nächsten sechs Jahren, nicht geben. Dazu der SPD-Umweltexperte Frank Schwabe, Bundestagsabgeordneter aus Castrop-Rauxel: „Fracking im US-amerikanischen Stil wird es bei uns bis mindestens bis 2021 nicht geben“ (RN vom 10. September 2014). – In der Art, wie Politiker öffentlich sprechen, dürfte dies ein klares Ja zum industriellen Fracking sein!
Hamm-Gas wittert ein MIlliardengeschäft: Probebohrungen beantragt
Die NRW-Landesregierung hat 2011 per Erlass die Genehmigungspraxis für Probebohrungen neu geregelt. Daher wird eine solche nur genehmigt, wenn Unternehmen vorher unterschreiben, auf Fracking zu verzichten. Dazu die NRW-Bergbehörde: „Ohne diese Erklärung werden Anträge nicht genehmigt.“ Das Unternehmen „Hamm-Gas“ im nordrhein-westfälischen Hamm hat im Oktober 2014 Antrag auf Probebohrung für 2015 und 2016 gestellt. Das Bergamt genehmigte Anfang 2016 die Erdgassuche unter der Haard und unter der Hohen Mark. Betroffen sind davon die Städte Marl, Oer-Erkenschwick, Dorsten und Haltern. Die 2011 gegründete Firma wittert ein Milliarden-Geschäft mit der Förderung von Kohleflözgas im Münsterland. Es geht um zehn Milliarden Kubikmeter förderbares Gas.
Gebiet „Haltern Gas Nord“
Der Trinkwasserlieferant Gelsenwasser kritisierte die als Bergamt zuständige Bezirksregierung Arnsberg, weil sie im Februar das Feld zwischen Stausee Haltern und Dorsten für Probebohrungen der Firma PVG GmbH genehmigte. Die Gelsenkirchener Firma darf nun nach Kluftgas, einer bestimmten Art von Gas in Flözen, suchen. Gelsenwasser sei darüber nicht informiert worden, beschwerte sich deren Geschäftsführer und kündigte rechtliche Schritte an. Auch deshalb, weil das Bergamt nach den alten NRW-Bergrechten entschieden hatte, in denen Ressourcenschutz keine Rolle spielt. Die Bezirksregierung wiegelte ab. Das Unternehmen werde kein Fracking durchführen. Mit der Genehmigung sei lediglich eine Rechtspositionzum zum Schutz vor Konkurrenten festgestellt worden. Der Schutz der Trinkwasserversorgung, so die Regierungspräsidentin Diana Ewers, habe nach wie vor höchste Priorität.
Gebiet „Haard Gas“
Betroffen sind die Städte Marl und Oer-Erkenschwick, wo sich die Mingas-Power GmbH, eine Tochter von Steag und RWE, das Gebiet für die Suche nach Grubengas sicherte. Auch hier handelte es sich um das Abstecken des Feldes zum Schutz vor Konkurrenten. Der Marler Stadtrat hatte per Beschluss eine grundsätzliche Ablehnung gefordert. Das lehnte die Bezirksregierung mit der Bemerkung ab, die Gemeinde müsse schon „überwiegende öffentliche Interessen“ vorbringen. Diese Bergbauberechtigungen sind grundsätzlich befristet. Erlaubnisse werden beispielsweise auf höchstens fünf Jahre begrenzt.
2022: Fracking in Nordrhein-Westfalen nicht mehr tabu
Deutschland will sich unabhängiger von russischem Gas machen. Daher fordern nun Ökonomen und Industrie, das umstrittene Fracking zu prüfen. Fracking ist eine Technologie zur Gewinnung von Erdgas, bei der unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand und Chemikalien in tiefe Schieferschichten gepresst wird, sodass diese aufgesprengt werden. Wegen der Chemikalien ist die Methode umstritten. Schiefergas-Potenzial gibt es im westlichen Niedersachsen, im Münsterland und im Oberrheingraben. Der NRW-Wirtschaftsminister (FDP) schließt Fracking nicht aus: „Durch die große Abhängigkeit der deutschen Energieversorgung von russischen Erdgasimporten müssen alle Möglichkeiten geprüft werden, um die Auswirkungen des Krieges auf die deutsche Energieversorgung zeitnah abzufedern. Wenn Deutschland durch Fracking gewonnenes Gas zum Beispiel aus den USA importiert, könnte es nachhaltiger sein, wenn wir Gas aus heimischen Quellen mit möglichst risikoarmen Methoden gewinnen und die Umweltverträglichkeit sicherstellen“, so
der NRW-Wirtschaftsminister.