Wirtschaftsministerium stärkt mit neuer Verordnung die Verbraucher
In vielen großen Städten sind sie kaum übersehbar. Bagger buddeln tiefe Gräben, um ummantelte Stahlrohre im Boden zu versenken: So sieht der Ausbau der Fernwärme ganz praktisch aus. Doch die baulichen Aktivitäten täuschen. Was einst als Wunderwaffe der Wärmewende gefeiert wurde, droht zum Rohrkrepierer zu werden. Fernwärme ist entscheidend für die Dekarbonisierung des Heizens in Ballungsgebieten. Denn es mangelt vielfach an einer Alternative. Theoretisch kommen auch Wärmepumpen infrage, doch in dicht besiedelten Quartieren fehlt häufig der Platz, um für jedes einzelne Wohnhaus Aggregate vor Ort aufstellen zu können. Klar ist allen Akteuren: Wärmewende geht ohne Fernwärme nicht, wozu auch gehört, deren Erzeugung umzustellen – von Erdgas auf Abwärme, Geothermie und/oder zentrale Großwärmepumpen.
Doch mit diesen Szenarien enden die Gemeinsamkeiten
Der Bundesverband der Verbraucherschützer (VZBV) hat eine lange Liste vorgelegt, um die Position der privaten Haushalte zu stärken. Denn: Wer einmal am Fernwärmenetz hängt, ist vom Versorger in hohem Maß abhängig, weil der Hausbesitzer keine eigene Heizung mehr hat. „Es muss sichergestellt werden, dass die Verbraucherinnen faire Preise zahlen und Preisänderungen nachvollziehen können“, so Thomas Engelke vom VZBV. Deshalb sei ein deutschlandweites Wärmenetzregister nötig, genauso wie eine „bundeseinheitliche Preisaufsicht durch eine unabhängige Stelle“. Hintergrund sind massive Unterschiede bei den Tarifen und zahlreiche Beschwerden von Bürgern, weil Versorger immer wieder erhebliche Aufschläge verlangen.
Tarifaufschläge drohen
Das wichtigste juristische Instrument ist die Verordnung über „Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme“. Seit Monaten wird um eine Novellierung des Regelwerks gerungen. Ende voriger Woche hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen revidierten Referentenentwurf vorgelegt, der postwendend auf massive Kritik stößt.
Ein zentraler Punkt des neuen Streits ist folgender Vorschlag: Wenn der Versorger vom Erdgas auf Erneuerbare umsteigt und sich die Tarife dadurch verändern, sollen die Lieferverträge gekappt werden, damit sich die Kunden nach anderen Lösungen umschauen können. Der Fernwärmeverband AGFW warnt. Durch solche Klauseln würden Investitionssicherheit, Ausbau- und Dekarbonisierungsziele massiv gefährdet, „da Veränderungen in der Erzeugungsstruktur nicht adäquat abgebildet werden können“. Experten gehen davon aus, dass die Umstellung auf erneuerbare Wärme teilweise erhebliche Tarifaufschläge bringen kann.
Ingbert Liebing, Chef des Stadtwerkeverbandes VKU, erinnert daran, dass der Gesetzgeber für das Jahr 2030 einen Mindestanteil von 30 Prozent erneuerbarer Wärme vorschreibe, und fügt hinzu: „Wenn der Staat Fernwärmebetreiber gesetzlich zu Investitionen zwingt, muss er auch sicherstellen, dass diese Kosten vernünftig refinanziert werden können – ohne gleich Verträge komplett kündigen zu müssen.“
Wärmewende: Ausgewogen und nicht unter Wahlkampfeinfluss gestaltet
In der Branche wird derweil hinter vorgehaltener Hand bereits darüber spekuliert, dass der neue Entwurf vor allem als Wahlkampfinstrument der Grünen gedacht ist, um bei den Verbrauchern Punkte zu sammeln. AGFW-Chef Werner Lutsch mahnt denn auch: Die Wärmewende sollte „ausgewogen, sachlich und nicht unter Wahlkampfeinfluss gestaltet werden“. Klar ist indes aber auch, dass bei der Fernwärme ein extrem dickes Brett gebohrt werden muss. Die Bundesregierung plant, dass 2045 vier von zehn Wohnungen mit heißem Wasser aus dem Rohr versorgt werden. Derzeit sind es nur 15 Prozent. – Die örtlichen Versorger müssten ihre Investitionen in den nächsten Jahren um das Dreifache erhöhen. Der Großteil der Kommunen ist mit dieser gigantischen Aufgabe überfordert.
Quelle: DZ vom 3. Dezember 2024
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