Fernsehfilme

Themen oft in der klischeehaften Traumwelt – zu wenig Sozialkritik

Letzten Endes sind die Charaktere im Fernsehen doch immer recht gut situiert und wohlhabend und es gibt selten Serienfiguren, die Geldnot haben. Wo bleibt die Sozialkritik? Krimiserien, Krimiserien, Krimiserien – und hier mal eine Heimatserie und da mal eine Krankenhaus-Soap: Dieser recht eintönige Eindruck des fiktionalen Programms im deutschen Fernsehen kann schnell entstehen. Wenn es dann mal eine sogenannte Sozialserie mit ärmeren Menschen und klischeefreien Figuren auf Augenhöhe gibt, dann ist die Aufregung schnell recht groß, dass es so etwas überhaupt noch geben kann. Zuletzt war dies bei der Fußpflegesalon-Dramedy „Marzahn Mon Amour“ mit Jördis Triebel in der Hauptrolle der Fall, davor zum Beispiel im Jahr 2021 bei der Alleinerziehenden-Miniserie „Tina mobil“ mit Gabriela Maria Schmeide. Dass Zuschauerinnen und Zuschauer mal nah dran sind am Alltag einer normalen Familie mit wenig Einkommen, das geschieht nur noch selten. In „Marzahn Mon Amour“ geht es in der „Beauty Oase Marzahn“ unter anderem darum, dass die Betreiberin die Preise für die Fußpflege nicht erhöhen mag und kann – wegen ihrer klammen Kundschaft. Genau dies aber bringt sie als Unternehmerin in existenzielle Nöte. Ein soziales Dilemma.

Filmhandlungen meist in der Mittel- und Oberschicht

In deutschen Serien spielt die Handlung heutzutage fast immer in der Mittel- oder Oberschicht, wo der Gedanke an den nächsten SUV-Kauf näherliegt als die Überlegung, ob überhaupt mal wieder eine Urlaubsreise möglich sein könnte. Es gibt einen, wenn man so will, chronischen Unterschichtmangel im Besserverdienenden-TV. Früher war das anders – zumindest gefühlt. Man denke an Serien wie „Drei Damen vom Grill“ und „Auf Achse“, die wie die TV-Nachwehen der sozialkritischen Filme von Rainer Werner Fassbinder wirkten. Später gab es auch noch „Die Hausmeisterin“, „Ritas Welt“, „Alles Atze“, „Para – Wir sind King“ – und natürlich jahrzehntelang die „Lindenstraße“.

Weniger Produktionen des Genres Sozialdrama

Armut beziehungsweise Durchschnittsverdienst dient heute im Fernsehen aber oft bloß als Vehikel für Comedy – oder für die obligatorische Krimihandlung. Es scheint, als habe das Fernsehen in neoliberalen Zeiten arme Leute als Vorführmasse in RTLzwei-Sozialreportagen ausgelagert – und in Realityshows. „Es lässt sich eine sinkende Zahl an Produktionen des Genres Sozialdrama im traditionellen Fernsehen feststellen“, sagt die Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher. „Jedoch sind sozialkritische Elemente in anderen Genres zu finden. Von zentraler Bedeutung sind Krimireihen wie der ‚Tatort‘ oder Krimiserien wie beispielsweise ‚Notruf Hafenkante‘ oder ‚Großstadtrevier‘, die immer wieder auf aktuelle soziale Probleme in Form von Kriminalfällen aufmerksam machen.“ Andere Serien vermittelten dagegen jedoch „eher realitätsfernen emotionalen Sozialkitsch“, wie die Hamburger Professorin Bleicher es nennt. „Bei diversen Arztserien, der ZDF-Reihe ‚Frühling‘ oder der ARD-Reihe ‚Die Drei von der Müllabfuhr‘ finden sich einfache Lösungen für soziale Probleme. Mit der Realität haben diese leider wenig zu tun.“

Hochglanz-Menschen in großen Wohnungen

Während das Kino noch manchmal soziale Stoffe erzählt („Systemsprenger“, „Das Lehrerzimmer“), sind im klassischen deutschen TV oft nur Hochglanz-Menschen in großen Häusern und Wohnungen anzutreffen. Probleme sind hier eher mal eine anstrengende Fernbeziehung und alberne Eifersucht als Inflation und mangelhafte Gesundheitsfürsorge. Die zu Recht gefeierte Drehbuchautorin Laila Stieler („Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“, „Gundermann“, „Die Friseuse“) machte als Autorin der Serie „Tina mobil“ ihre eigenen Erfahrungen mit dem TV-Betrieb: „Das Problem, dass immer mehr Menschen trotz der vielen Arbeit, die ihre ganze Zeit frisst, nicht genug verdienen, scheint mir aktueller denn je“, sagt sie. „Die Serie ‚Tina Mobil‘ über eine mobile Bäckereiverkäuferin erreichte vor ein paar Jahren traumhafte Zuschauerzahlen.“ Noch heute werde sie auf Tina angesprochen, sagt Stieler. „Die ARD wollte und konnte sich keine zweite Staffel leisten. Aber wo sind sie, die Tinas, im Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens? Zu selten sehe ich Figuren, deren Leben und Alltag so von Existenzdruck dominiert ist, wie ich es in der Wirklichkeit oft erlebe.“


Quelle: RN (DZ) vom 31- März 2025

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