Extremisten-Bedrohung „so hoch wie nie“

NRW-Verfassungsschutzbericht 2024 gibt Alarm: Gefahren für die Demokratie

Die Bedrohung der Demokratie durch Extremisten ist nach Ansicht des NRW-Innenministers Herbert Reul (CDU) „so hoch wie nie“. Dabei sei „das schleichende Gift des Rechtsextremismus“ die größte Gefahr für die Demokratie und der gewaltbereite Islamismus die größte Gefahr für Menschenleben, sagte Reul bei der Vorstellung des neuen NRW-Verfassungsschutzberichtes am Donnerstag. „2023 war kein gutes Jahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.“ Zwar sei die Zahl der politischen Straftaten auf 7600 im Jahr 2023 um 15 Prozent gesunken. Dies sei aber dem Ende der Coronapandemie-Demonstrationen und einem entsprechend starken Rückgang bei den Verstößen gegen das Versammlungsgesetz geschuldet. In den politischen Bereichen rechts, links sowie ausländische und religiöse Ideologie seien die Straftaten um 37 Prozent gestiegen. Die antisemitischen Straftaten seien sogar um 65 Prozent auf 550 Taten gestiegen – besonders seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel.
Die Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, teilte mit, die Zahl der antisemitischen Straftaten sei ein neuer Höchststand. „Das sind mehr als zehn Straftaten pro Woche, allein in Nordrhein-Westfalen.“ Nicht mitgerechnet seien dabei die drastisch gestiegenen 690 antiisraelischen Straftaten. Scheinbar in ihrer Ideologie widersprüchliche Gruppierungen könnten sich beim Antisemitismus schnell auf ein gemeinsames Feindbild einigen.
Der stärkste Anstieg mit 400 Prozent auf gut 300 Straftaten sei im Bereich der religiösen Ideologie zu verzeichnen. „Der Islamismus ist wieder auf dem Vormarsch“, sagte Reul. Salafistische Netzwerke missionierten wieder – im Internet und auf der Straße. Hassprediger seien wieder verstärkt aktiv. Auch altbekannte Islamisten wie Pierre Vogel seien dabei. Das Internet sei zur Spielwiese für Extremisten und Menschenfänger geworden. „Nie war es leichter, Ideologien zu verbreiten“, so Reul. Die Zahl der politischen Straftaten im Internet sei um über 70 Prozent gestiegen. Angesichts der vielen minderjährigen Tatverdächtigen in jüngster Zeit seien auch die Eltern gefordert, sich den Internet-Konsum ihrer Kinder genauer anzuschauen.
„Der Rechtsextremismus ist weiter in der bürgerlichen Mitte unterwegs“, sagte Reul. Rechtsextremisten versuchten, die Proteste von Bauern oder den Nahostkonflikt für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten sei 2023 im Vergleich zum Vorjahr um fast drei Prozent auf 3550 gestiegen. Die Zahl der linksextremistischen Straftaten sei um 33 Prozent auf 1100 gestiegen. Der Anstieg gehe auf die Räumung der Siedlung Lützerath zurück, bei der 400 Straftaten aus dem linken Spektrum registriert wurden.

Mehr Rechtsextremisten im Blick – Neues AfD-Gutachten

Der Verfassungsschutz stellt fest, dass die Zahl der Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnen sind, in Deutschland weiterwächst. „Wir sehen einen erneuten Aufwuchs auch bei den gewaltorientierten Rechtsextremisten“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Seine Behörde will im Juni/Juli 2024 den Verfassungsschutzbericht für 2023 veröffentlichen. Das Anwachsen des Personenpotenzials in diesem Spektrum haben sich zuletzt aus verschiedenen rechtsextremistischen Strukturen gespeist, sagte Haldenwang. 2022 war das noch anders. Der Anstieg um rund 14,5 Prozent auf bundesweit schätzungsweise 38.800 Rechtsextremisten im Verfassungsschutzbericht 2022 ging vor allem darauf zurück, dass erstmals ein Teil der AfD, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, hinzugerechnet wurde. Das Bundesamt schätzte, dass 10.200 Mitglieder der AfD und ihrer Parteijugend (Junge Alternative) extremistischen Strömungen zuzurechnen seien. Klagen der Partei und ihrer Nachwuchsorganisation gegen die Beobachtung als Verdachtsfall scheiterten im Mai. An einem neuen Gutachten zur Einschätzung der AfD arbeitet der Verfassungsschutz bereits (dpa).

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