5000 Stellen werden umstrukturiert: Was das für Marl und Dorsten bedeutet
Schon im März 2024 hatte Evonik den größten Konzernumbau der Geschichte angekündigt. Im Dezember wurde bekannt, dass weitere 5000 Stellen betroffen sind. – Meldungen von einem Stellenabbau sorgten am 13. Dezember 2024 für Missverständnisse. Zunächst berichteten Nachrichtenagenturen und überregionale Medien bundesweit, dass 7000 Stellen wegfallen sollen. Bisher war nur von 2000 Stellen weltweit die Rede. Auch auf Dorstener Webseiten wurde anfangs Stellenabbau gemeldet. Ali Simsir, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des Gemeinschaftsbetriebs, stellte jedoch klar, dass es um einen Umbau geht: „Es ist ein großer Transformationsprozess. 7000 Mitarbeiter sind betroffen. Aber 5000 Stellen werden umstrukturiert. Da wird nichts gestrichen, die Arbeitsplätze bleiben. Wir haben keine Anrufe und hysterische Reaktionen, weil unsere Kolleginnen und Kollegen wissen, dass es Umstrukturierungsmaßnahmen sind.“
6000 Beschäftigte im Marler Chemiepark
Bei dem im März 2024 angekündigten Abbau von 2000 Stellen bleibt es. Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis 2032 ausgeschlossen sein. Aktuell beschäftigt Evonik 32.000 Mitarbeiter weltweit. Im Chemiepark Marl arbeiten nach Angaben des Gemeinschaftsbetriebsrats rund 6000 Beschäftigte von Evonik. Vom Umbau besonders betroffen ist die Infrastruktur mit rund 3000 Beschäftigten in Marl. Sie stammen aus der Logistik, den Werkstätten, von Werkfeuerwehr, Werkschutz, Gebäudemanagement und technischem Service. Evonik will diese Infrastruktur-Bereiche verkaufen, mit einem Partner als Gemeinschaftsfirma betreiben – oder behalten.
Partner für C4-Chemie gesucht
Tiefgreifende Veränderungen gibt es auch bei den C4-Chemiekalien – Grundlage vieler Alltagsprodukte vom Autoreifen bis zur Sportgetränkeflasche. Wie berichtet, will Evonik die C4-Chemie verkaufen. Seit zwei Jahren sucht der Konzern einen Investor, der das Geschäft zunächst mit Evonik und später eigenständig im Chemiepark Marl führt. Offenbar ist er noch nicht gefunden. Die Evonik-Tochter Oxeno soll nach der Umgestaltung unter dem Dach der C4-Chemie arbeiten, die dann am Standort Marl knapp 900 Beschäftigte haben wird.
Künftig soll der Evonik-Konzern auf zwei Säulen stehen: „Custom Solutions“, also maßgeschneiderte Lösungen für Kunden, und „Advanced Technologies“ (hochentwickelte Technologien). Beide kommen auf einen Jahresumsatz von jeweils rund sechs Milliarden Euro. Gespart wird auch an der Spitze: In Zukunft wird es nur noch ein fünfköpfiges Vorstandsteam geben, mit Christian Kullmann, Personalvorstand Thomas Wessel, Finanzvorständin Maike Schuh und zwei erfahrenen Evonik-Managerinnen, die in den Vorstand aufrücken: die US-Amerikanerin Lauren Kjeldsen und die Französin Claudine Mollenkopf. Drei Führungskräfte gehen in den Ruhestand, eine komplette Führungsebene (Divisionsleitung) wird gestrichen. Arbeitsdirektor Thomas Wessel wird verantwortlich für die Infrastruktur-Sparte. Sein Vertrag wurde bis Sommer 2028 verlängert. Er soll die „technologische Nachhaltigkeitstransformation“ konsequent und „sozial integer“ umsetzen.
Grüner Wasserstoff bleibt Thema
Offen ist, inwieweit das Unternehmen im Chemiepark Marl künftig auf grünen Wasserstoff setzen wird. Es will dort mit dem Get-H2-Projekt ein Produktions- und Pipeline-Netz für grünen Wasserstoff aufbauen. Das ist beschlossen. Doch hinter dem Bau eines Hochofens in Duisburg, der mit grünem Wasserstoff statt mit Koks befeuert werden soll, steht seit der Krise von Thyssen Krupp ein großes Fragezeichen. Evonik-Sprecher Richard Weiss betont: „Grüner Wasserstoff ist weiter Thema für uns.“ – Hintergrund des Konzernumbaus ist die durch Produktionseinbrüche geprägte tiefe Krise der deutschen Chemieindustrie. 2023 musste Evonik einen Umsatzrückgang um 17 Prozent auf knapp 15,3 Milliarden Euro hinnehmen.
Vom radikalen Umbau des Konzerns rund 7000 Arbeitsplätze betroffen
Evonik-Chef Christian Kullmann will den Essener Chemiekonzern mit dem größten Umbau seiner Geschichte schlanker und schlagkräftiger machen. In der neuen Struktur, die zum 1. April 2025 umgesetzt wird, steht der Konzern künftig auf zwei Säulen. Das Segment Custom Solutions stellt Produkte für die Kosmetik- und Pharmaindustrie her. Der Bereich mit rund 7000 Mitarbeitern soll auch in Nischenmärkten aktiv sein und dort maßgeschneiderte Lösungen für Kunden entwickeln. Im Segment Advanced Technologies werden mit rund 8000 Mitarbeitern unter anderem Hochleistungskunststoffe und Wasserstoffperoxyd sowie Ergänzungsmittel für die Tiernahrung produziert. Evonik ist in diesen Geschäften in der Regel führend. Im Konzern sind zudem noch zahlreiche Mitarbeiter mit dem Betrieb von Anlagen sowie der Verfahrenstechnik beschäftigt. Die Unternehmensleitung tritt darüber hinaus auf die Kostenbremse – rund 2000 Stellen fallen dadurch wie angekündigt weg. Geschäfte mit rund 3600 Beschäftigten an Standorten, Marl und Wesseling sollen zudem abgetrennt und dann auch verkauft werden. In bereits laufender Verkaufsprogramme könnte Evonik damit am Ende rund 7000 der derzeit etwa 32.000 Stellen abgeben. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei dem Essener Konzern in Deutschland bis 2032 ausgeschlossen.
Im Management der Konzern sollen rund 500 Stellen wegfallen
Der Umbau wirkt sich auch auf den Vorstand und das Management aus.ie beiden neuen Geschäftsfelder übernahmen im Vorstand die Amerikanerin Lauren Kjeldsen und die Französin Claudine Mollenkopf. Zudem soll eine komplette Führungsebene im operativen Geschäft gestrichen werden. Rund 500 Stellen im Management sollen wegfallen und weitere 1000 Führungskräfte bis Ende 2027 neue Aufgaben erhalten. Hintergrund für die drastischen Veränderungen ist, dass die Chemieindustrie in Deutschland in einer tiefen Krise steckt. Dabei läuft es für Evonik trotz der schleppenden Chemiekonjunktur besser als für manchen Wettbewerber. So hat das Management für 2024 einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zwischen 1,9 und 2,2 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. 2023 waren es noch rund 1,6 Milliarden Euro. Mit den Veränderungen soll er Konzern zukunftsfest gemacht werden. Dazu wird der Konzern auf zukunftsträchtige und markenstarke Geschäfte ausgerichtet, in denen der Konzern weltweit technologisch führend ist. Von Massengeschäften verabschiedet sich das Essener Unternehmen, weitere Verkäufe stehen noch Evonik-Chef Kullmann 2024: „Wir haben die Qualität unseres Portfolios in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.“
Quellen: Dorstener Zeitung vom 14. Dezember 2024. – Süddeutsche Zeitung vom 15. Dezember 2024