Verteilungsbericht belegt 2023 eine gestiegene Armenquote in Deutschland
Die Einkommensungleichheit in Deutschland trägt nach Einschätzung des Forschungsinstituts WSI zu einer Entfremdung einzelner Gruppen vom demokratischen System bei. „Wenn sich Menschen gesellschaftlich nicht mehr wertgeschätzt fühlen und das Vertrauen in das politische System verlieren, dann leidet darunter auch die Demokratie“, schreibt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in seinem neuesten „Verteilungsbericht“. Die WSI-Experten haben in der am 2. November 2023 vorgestellten Studie untersucht, wie sich die Einkommen in Deutschland verteilen und welche mutmaßlichen Auswirkungen dies hat. Grundlage der Untersuchung sind zwei große, repräsentative Befragungen, die alljährlich vorgenommen werden.
Einkommensmittelwert liegt im Singlehaushalt bei 1200 Euro
Je nach Einkommen werden die Haushalte eingeteilt. Neben einem großen Bereich mit mittleren Einkommen gibt es arme oder reiche Haushalte. Als arm gilt, wessen Haushaltsnettoeinkommen weniger als 60 Prozent des Einkommensmittelwerts in Deutschland beträgt. Für einen Singlehaushalt liegt die Grenze nach WSI-Angaben bei maximal 1200 Euro im Monat. Als einkommensreich gilt, wer über mehr als das Doppelte des Mittelwerts verfügt. Der Studie zufolge ist das Vertrauen in die demokratischen Institutionen stark von der Einkommenshöhe abhängig. So gebe es unter Reichen nur wenige, die der Polizei oder dem Rechtssystem nicht vertrauten. Unter den dauerhaft Armen seien es hingegen mehr als 22 Prozent im Fall der Polizei und mehr als ein Drittel im Fall des Rechtssystems. Ein geringes Vertrauen in den Bundestag gaben weniger als 20 Prozent der Reichen an und 30 Prozent der Menschen mit mittleren Einkommen. Bei den dauerhaft Armen waren es allerdings mehr 47 Prozent. „In anderen Worten: Fast die Hälfte der dauerhaft Armen bringt dem Bundestag nur wenig Vertrauen entgegen“, heißt es in der Analyse.
Vertrauen in Institutionen hat sich verringert
Die Autoren betonten, die Zahlen bezögen sich auf das Jahr 2021. „Sie fallen mithin in eine Zeit, in der sich die Zufriedenheit mit der Demokratie gerade im Vergleich zu den darauffolgenden Jahren auf einem relativ hohen Niveau befand.“ Es sei davon auszugehen, dass sich das Vertrauen in Institutionen seitdem eher verringert habe. Insgesamt hat die Einkommensarmut der Studie zufolge von 2021 auf 2022 leicht abgenommen. So hätten 2022 in Deutschland 16,7 Prozent der Menschen in Armut gelebt, 2021 seien es noch 16,9 Prozent gewesen. Als Grund für den Rückgang vermuten die Autoren die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung im Krisenjahr 2022. – Seit 2010 sei die Armutsquote im Trend jedoch spürbar gestiegen. Damals habe sie bei 14,5 Prozent gelegen, 2019 bei 15,9 Prozent.
- Altersarmut deutlich gestiegen. Immer mehr Rentner in Deutschland beziehen zusätzlich zu ihrer Rente Grundsicherungsleistungen. Das geht aus einer Aufstellung des Statistischen Bundesamtes hervor, die die Linksfraktion im Deutschen Bundestag angefragt hat. Im Juni 2023 bezogen demnach bundesweit 691.820 Menschen im Rentenalter Grundsicherung. Das sind 63.250 Menschen mehr als noch im Juni 2022 – ein Anstieg um zehn Prozent innerhalb eines Jahres. Auch in den Jahren zuvor war die Zahl der Grundsicherungsbezieher im Rentenalter angestiegen. Unter anderem ist der Rentenfreibetrag gestiegen, weshalb mehr Rentner Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben.
Siehe auch: Einkommen der Bürger I
Siehe auch: Einkommensmillionäre
Siehe auch: Bürgergeld
Siehe auch: Schulden im Portemonnaie
Siehe auch: Einkommen / Verdienst-Statistik
Siehe auch: Pro-Kopf-Verschuldung
Siehe auch: Städte-Verschuldung
Siehe auch: Dorsten 2018 – arme Stadt
Siehe auch: Schulden in NRW
Siehe auch: Hartz IV
Quelle: Helge Thoben in RN vom 3. Nov. 2023