Eingliederungshilfe

Ausgaben für Behinderte – den Städten droht ab 2024 der finanzielle Kollaps

Wie lange werden es die hoch verschuldeten Städte im Kreis Recklinghausen noch schaffen, ohne weitere Erhöhungen der Grund- und Gewerbesteuern über die Runden zu kommen? Neben drohenden Zinssteigerungen tickt jedenfalls eine weitere finanzielle Zeitbombe – und die verbirgt sich hinter dem Begriff Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Der Kreis Recklinghausen schlägt Alarm. Der Leiter des Fachbereichs Finanzen in der Kreisverwaltung: „Gegen diese Ausgabensteigerungen kommen wir kommunal nicht mehr an!“
Die Eingliederungshilfe zielt darauf ab, behinderten Menschen ein selbstständiges Leben und Perspektiven am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG), das seit 2017 schrittweise umgesetzt wird, stellt hier hohe Anforderungen. Finanziert wird die Eingliederungshilfe zwar durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), aber letztlich sind es die Mitgliedskreise und -städte, die diese Last über die sogenannte Landschaftsumlage zu tragen haben – ohne irgendeinen Einfluss auf die Standards zu haben. Spätestens im Jahr 2023 wird diese Umlage im Haushalt des Kreises Recklinghausen die Schallmauer von 200 Millionen Euro durchbrochen haben. Diese Summe ist ein Mehrfaches dessen, was der Kreis und seine Städte etwa für die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger aufbringen müssen (ca. 45 Millionen Euro).

Sieben Millionen Euro würden auf den Kreis Recklinghausen entfallen

Bei der Eingliederungshilfe steigen die Fallzahlen und die Kosten je Einzelfall seit Jahren kontinuierlich bundesweit an. Seit 1981 haben sich die Kosten mehr als vervierzehnfacht und erreichten – mit jährlichen Steigerungsraten von fünf bis sieben Prozent – Ende 2020 einen Betrag von mehr als 21 Milliarden Euro. Etwa ein Viertel davon entfällt auf Nordrhein-Westfalen und damit auf die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe. Der LWL in Münster geht bei der Eingliederungshilfe von Ausgabensteigerungen in Höhe von 100 Millionen Euro jährlich aus. Rund sieben Millionen Euro würden davon nach Berechnungen der Kreisverwaltung auf den Kreis Recklinghausen entfallen. Über seine Ausgleichsrücklage hat der Landschaftsverband die Belastungen für seine Mitgliedskommunen bislang noch abfedern können. Aber die Reserven sind mittlerweile so weit abgeschmolzen, dass nach Einschätzung des Kreises spätestens 2024 alle Defizite an die Kreise und kreisfreien Städte durchgereicht werden müssen.

In absehbarer Zeit trifft es auch die Städte im Vest

Und über die Kreisumlage, mit der die Kommunen die Arbeit des Kreises zu einem großen Teil mitfinanzieren, wird es in absehbarer Zeit auch die Städte im Vest treffen. Bislang hat der Kreis seine Städte entlasten können, indem er selbst tief in seine Rücklagen griff. Doch das wird mittelfristig nicht mehr möglich sein. Was bedeutet das für die vestischen Städte, die immer noch auf einem Schuldenberg von 1,4 Milliarden Euro allein bei den Kassenkrediten sitzen? Landrat Bodo Klimpel (CDU): „Da es nichts mehr einzusparen gibt, werden die Städte die Steuern erhöhen müssen.“ Ohne staatliche Unterstützung, heißt es in einem Bericht der Kreisverwaltung, werden in absehbarer Zeit als erstes die ohnehin belasteten Kommunen im Ruhrgebiet diese Ausgaben nicht mehr finanzieren können. In anderen Regionen Deutschlands stellt sich diese Problematik nicht. Im Saarland und in Sachsen-Anhalt zum Beispiel wird die Eingliederungshilfe vollständig aus den Landeshaushalten finanziert, in anderen Flächenländern zumindest teilweise.

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