Holsterhausener 1902 zu Fuß, mit Schiff und Bahn nach Jerusalem
Von Wolf Stegemann – 1874 in Holsterhausen bis 1955 ebenda; Wanderbursche, Schreinermeister und Gemeindepolitiker. – Anton Duve war von mittelgroßer Gestalt (heute würde man sagen klein, denn er war nur 1,55 m groß), hatte eine ovale Gesichtsform, blonde Haare und keine besonderen Kennzeichen, außer, dass er einen weit ausladenden gezwirbelten Bart trug, den man damals Knebelbart nannte. Sein erster Reisepass von 1902 ist mit Stempeln in allen möglichen Sprachen sowie in kyrillischer wie arabischer Schrift versehen. Doch bevor sich der 28-Jährige 1902 auf die Reise in den Orient begab, war er schon erfahren vom Leben in der Fremde.
Von Luzern in der Schweiz zu Fuß in den Vorderen Orient
Von 1897 bis 1902 arbeitete er als Schreinergeselle in Duisburg, Luzern, Leipzig, Ingenbühl/Schwyz und wieder in Luzern. Die Tasche voll von solchen Zeugnissen, einem Bleistift und einem leeren Notizbuch, machte sich Anton Duve zu Fuß von Luzern aus auf den Weg nach Osten. In dieses Büchlein trug er in engen Zeilen und kleiner, kritzeliger und kaum lesbarer Schrift Tag für Tag ein, wo er war, und was er erlebte, in welchen Unterkünften er schlief (meist Gesellenheime): in Genua, Mailand, Pisa, Loretto und dann Rom, wo er rechtzeitig zu Weihnachten eintraf und im Vatikan zwei Ablässe für 100 Tage und einen für 50 Tage kaufte. Er besichtigte Kirchen und Madonnen, Plätze und Brunnen. Nach Weihnachten lief er weiter gen Süden, erreichte Brindisi und fuhr mit dem Schiff („9.820 Tonnen, 3.147 Pferdekraft“) über Korfu und Patras nach Athen, wo er die Lehmhäuser und das quirlige Leben in den Straßen bestaunte. Anfang Februar bestieg er ein weiteres Schiff und dampfte quer durch das Mittelmehr nach Alexandria in Ägypten. Die Passage kostete zehn Mark. Er beschrieb, wie das Schiff bei bestem Wetter „durch die Inseln“ (der Ägäis) fuhr.
In Alexandria angekommen, setzte sich der Holsterhausener erst einmal mit der ägyptischen Währung auseinander, bevor er die Stadt besichtigte: „Männer lange Hemden, weiß und farbig, roten Fetz. Frauen ärmlich ohne Fetz verschleiert.“ Duve fuhr weiter nach Kairo, wo er zu den Pyramiden nach Gizeh lief. Er maß die Breite des größten Bauwerks mit seinen Schritten und zeichnet sie in sein Büchlein ein („340 Schritt unten breit die größte“). In Kairo faszinierten ihn die vielen Moscheen mit ihren „Kuppeln und spitzen Türmen“.
Mit einem russischen Dampfer von Jaffo nach Konstantinopel
Durch den Suezkanal ging es weiter nach Port Said, dann mit dem französischen Dampfer nach Beirut, wo alle Passagiere erst einmal in der Quarantäne abwarten mussten, bevor sie an Land durften. Das ganze Deck der Passagiere wurde „mit Dampf ausgebrannt und dann das ganze Schiff mit Karbolmischung eingespritzt und nachher jeder einzelne Passagier“.
Von Beirut aus ging es wieder zu Fuß weiter nach Jerusalem. Auf dem Weg dorthin passierte er Sidon, wo er in einem Kamelstall übernachtete, Haifa, den See Genezareth. In Jerusalem wohnte er im Deutschen Hospiz an der Dormitio-Kirche der Franziskaner, blieb fast 14 Tage in der Stadt und reiste mit dem Schiff nach Jaffo und von dort mit einem russischen Dampfer nach Konstantinopel, wo ihm die Polizei erst einmal Probleme bescherte. Er schrieb aber nicht auf, warum er 25 Piaster Strafe zahlen sollte, es aber dann doch nicht brauchte, weil sich der deutsche Konsul um ihn kümmerte. Er beschrieb die alten Brücken, die Moscheen und die Menschen in dieser damaligen Weltstadt, Sitz des osmanischen Sultans. Über Adrianopel reiste Anton Duve mit dem Zug und mit dem Schiff über Budapest nach Wien, dann nach Salzburg und traf am 10. April 1903 wieder in Luzern ein. Von dort aus war er ein halbes Jahr vorher zu dieser Orientreise aufgebrochen.
Nochmaliger Aufenthalt in Luzern und Heimkehr nach sieben Jahren
Anton Duve zog es vorerst nicht nach Holsterhausen zurück. Er arbeitete als Schreiner zuerst wieder in Luzern, dann in Freiburg, in Duisburg, und noch einmal in Luzern. Immer wieder brach er zu Reisen auf, was Postkarten belegen, die er an seine Familie in Holsterhausen schrieb: aus Brüssel, Antwerpen, Köln, Berlin, Bad Ems, Grindelwald, Mailand und München. Dann zog es ihn doch heim nach Holsterhausen. Als er am 10. Mai 1907 mit seinem Wandergesellenbündel auf dem Rücken und einem wilden Bart im Gesicht vor seinem Elternhaus in Holsterhausen stand, an die Tür klopfte und seine Mutter öffnete, erkannte sie ihn nicht. Sie fragte den vermeintlichen Fremdling, was er denn wolle. Erst als er sich zu erkennen gab, lagen sich Mutter und Sohn nach sieben langen Jahren der Abwesenheit in den Armen.
Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr und in der Lokalpolitik
Der Weitgereiste wurde sesshaft. Sein Vater war schon 1901 gestorben, seine Mutter starb 1924. Von 1929 bis 1933 gehörte Duve als Zentrumsmann der Amtsvertretung Hervest-Dorsten an, war Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Holsterhausen und als Schreinermeister auch Mitglied der Kolpingfamilie. Als zeitweiliger Kirchenschweizer ist er, der seine Schreinerei hinter der damaligen Duve-Wirtschaft hatte, den Holsterhausenern auch heute noch bekannt. Die Wirtschaft hatte dann mehrere Beitzer bzw. Pächter und brannte Ende der 1990er-Jahre ab. Heute steht dort ein Wohnhaus. – Anton Duve starb unverheiratet am 31. August 1955 in Dorsten-Holsterhausen.
Siehe auch: Gaststätte Duve
Siehe auch: Gregor Duve
Siehe auch: Hermann Duve