Zierte ein Lutherkopf das Haus im katholischen Dorsten? Wohl kaum!
Das Drolshagen’sche Haus wurde wahrscheinlich Ende des 16. Jahrhunderts gebaut, also bereits in der Zeit der Gegenreformation. Die damaligen Besitzverhältnisse des erst später im Volksmund genannten Drolshagen’sche Haus sind nicht bekannt. Es lag an der südlichen Ecke der früheren Blinde Straße zur Lippestraße hin und gehörte zur Lippestraße. Links vor dem Drolshagen´schen Haus hatte Hasselmann ein Haus mit einer Werkswohnung für seinen Fahrer gebaut. Dazwischen gab es einen Eingang zur Klempnerwerkstatt von Wilhelm Baumann, der das Drolshagen´sche Haus zwischen 1929 und 1937 besaß. Gegenüber befanden sich die Häuser des Uhrmachers Anton Lugge, im Anschluss daran das Haus des Möbelhändlers Schmitz und links neben dem Holztor das Kottendorf´sche Haus. Sein Schlafzimmer lag zur Straße hin in unmittelbarer Nähe der Laterne. Wen wundert es, dass Kottendorf, wenn es ihm nach Schlaf zu Mute war, sich aus dem Fenster herauslehnte und mit einem Besenstiel die störende Laterne einfach auslöschte? Links an der nordöstlichen Ecke Wiesenstraße/ Hühnerstraße betrieb Theodor Leineweber eine Schuhmacherei im Haus des Schlossers Heinrich Imberg. Das Drolshagen’sche Haus wurde mit der gesamten Innenstadt 1945 durch Bomben zerstört.
Preußischer Steuerbeamter gab dem Haus Mitte des 19. Jhs. den Namen
Den Namen hat das Haus erst mit dem Zuzug des preußischen Steuerbeamten Drolshagen in den 1820-Jahren erhalten. 1913 mietete Franz Wilhelm Rodeck das Haus, um dort seine Eisenwaren lagern zu können. 1921 kaufte er das Haus, verkaufte es aber dann 1929 an den Klempnermeister Wilhelm Baumann. Auf dem Bild sieht man die aus Eichenholz geschnitzten Verstärkungen, die den überhängenden ersten Stock stabilisieren sollten. Links und rechts des Fensters sind die Verstärkungen mit jeweils einem Kopf versehen, sie sollen Martin Luther und seine Frau darstellen. Diese Deutung geistert immer wieder erneut durch die Dorstener Heimatliteratur – bis heute. Wann diese Verstärkungsträger mit den Köpfen am Haus angebracht wurden, ist nicht bekannt. Der Steuereinnehmer Drolshagen, nach dem das Haus benannt ist, war katholisch und gehörte dem Gründungskuratorium des katholischen St. Elisabeth-Krankenhauses an.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Lutherische nicht gelitten
Wer in die Reformations- und Kirchengeschichte der Stadt Dorsten Einblick nimmt, erfährt, dass eine öffentliche Darstellung Martin Luthers und seiner Frau im erzkatholischen Dorsten sicherlich bis ins 19. Jahrhundert hinein nicht möglich war. Erst die napoleonischen Toleranzedikte und die neue preußische Landesherrschaft danach ließen Mitte des 19. Jahrhunderts eine evangelische Gemeinde entstehen. Während in der Reformationszeit in den umliegenden Dörfern Lembeck, Rhade, Wulfen, Hervest, Kirchhellen und auch in der Stadt Recklinghausen kalvinistisch bzw. lutherisch gepredigt wurde, die Priester heirateten und die Pfarrhäuser vom Kindergeschrei widerhallten, blieb Dorsten in seinen Mauern streng katholisch. Ein lutherischer Wanderprediger soll sogar verbrannt worden sein. Es gab keine Lutherischen in der Stadt. Noch 1933 beschimpfte der Pfarrer von St. Agatha, Ludwig Heming, Dorstener Geschäftsleute, weil sie anlässlich des 450. Jahrstags des Geburtstags Luthers ihre Schaufenster schmückten, als die evangelische Gemeinde mit einem Umzug zum Marktplatz diesen Gedenktag feierte. „Und das“, so Heming, „direkt am Marktplatz vor meiner Agathakirche.“ Vor dem Hintergrund der katholischen Kirchengeschichte der Stadt ist auszuschließen, dass ein Hausbesitzer im erzkatholischen Dorsten an seinem Haus einen Lutherkopf zeigte bzw. zeigen durfte. – Die beiden Holzträger mit den Köpfen waren bis zur Auflösung des Dorstener Heimatmuseum 2004 angeblich im Alten Rathaus zu sehen. 2004 sollen sie an den Heimatverein Lembeck für deren Heimatmuseum im Schloss Lembeck abgegeben worden sein. Auf Nachfrage ist dort nichts bekannt.
Drolshagen steht auch noch in anderer Beziehung zu Dorsten. Die Familie Schürholz stammt ursprünglich aus Drolshagen im Kreis Olpe. 1659 lebten dort bereits acht Familien namens Schüerholz, und 14 Familien im Kirchspiel, die vornehmlich Blaufärber waren. Der erste in Dorsten zugezogene Schüerholz war ebenfalls ein Blaufärber.
Siehe auch: Reformation/Gegenreformation (Essay)
Siehe auch: Ludwig Heming