Arme Städte in NRW bleiben arm und werden immer ärmer
Trotz guter Konjunktur kommen viele Kommunen gerade in NRW nicht aus ihrer Schieflage. Milliarden-Plus für die Kommunen, Rekordeinnahmen für Städte und Gemeinden, doch gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten trotz der satten Überschüsse, wie der Kommunale Finanzreport 2017 der Bertelsmann Stiftung zeigt. Beispielsweise hat die Stadt Essen mehr als doppelt so hohe Kassenkredite wie alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen zusammen. Dorstens Kassenkredite sind ebenfalls sehr hoch.
Kommunen mit höchsten Kassenkrediten liegen in NRW
Denn die Schere zwischen armen und reichen Kommunen schließen sich nicht, sondern gehen weiter auseinander. Jede fünfte Kommune, darunter Dorsten, steckt in einer Haushaltskrise. Und gerade in Nordrhein-Westfalen ist die Situation dramatisch – auch wenn die Kommunen im bevölkerungsreichsten Bundesland erstmals seit der Finanzkrise 2008 wieder einen Überschuss von immerhin 36 Euro pro Einwohner erwirtschaften konnten. Aber das ist eben nur ein Durchschnittswert. Denn trotz guter wirtschaftlicher Lage und kommunalen Steuermehreinnahmen von 4,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gelang nur wenigen Kommunen ein deutlicher Abbau der Kassenkredite, so die Autoren der Bertelsmann-Studie. Vier der zehn Kommunen mit den höchsten Kassenkrediten umgerechnet auf die Einwohner liegen in NRW: Oberhausen, Hagen, Mülheim und Remscheid. Die anderen sechs Städte liegen in Rheinland-Pfalz.
Finanzprobleme lassen sich an der Höhe der Kassenkredite festmachen
Allein die Stadt Essen führt insgesamt mehr als doppelt so hohe Kassenkredite wie alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen zusammen. Vertreter des Städte- und Gemeindebundes fordern einen Altschuldenfonds von Bund und Ländern. Die finanziellen Probleme der Städte lassen sich laut der Studie an der Höhe ihrer Kassenkredite festmachen. Sie sind vergleichbar mit Dispokrediten in Privathaushalten. Auf NRW-Städte entfalle bei dieser kurzfristigen und derzeit sehr günstigen Kreditform die Hälfte des bundesweiten Volumens. Doch sie bergen ein hohes Risiko: Ein Anstieg der Leitzinsen könnte alle Sanierungserfolge der vergangenen Jahre zunichtemachen.
Daher sieht auch der Städtetag NRW Land und Bund in der Verantwortung. Die steigenden Sozialausgaben und hohen Altschulden würden eine dauerhafte Stabilisierung verhindern. Daher erwartete der Städtetag NRW von der Landesregierung, dass konkrete Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden, um die kommunale Verschuldung zu verringern. Zudem dürfen die hohen Belastungen mit Sozialausgaben nicht weiter steigen. Tatsächlich summieren sich die Ausgaben für Sozialleistungen in NRW auf einen Rekordwert von fast 1000 Euro je Einwohner. Doppelt so viel wie Sachsen-Anhalt und ein Viertel höher als im Bundesschnitt. Dagegen liegt NRW im Bundesland-Ranking der Investitionsausgaben mit 344 Euro pro Einwohner nur in der unteren Hälfte. Bayern investiert dagegen pro Kopf 644 Euro in die Infrastruktur.
NRW-Gemeinden in einer gefährlichen Abwärtsspirale
Während die finanzstarken Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg kräftig investieren können, wissen viele Städte, Gemeinde und Kreise in NRW und Rheinland-Pfalz häufig nicht, wie sie ihre Aufgaben erfüllen und Rechnungen begleichen sollen. Laut dem Finanzbericht droht eine gefährliche Abwärtsspirale: Finanzschwache Kommunen blieben schwach und entfernten sich immer weiter vom bundesweiten Durchschnitt, warnt der Bericht. Die möglichen Folgen: Noch marodere Infrastruktur, noch mehr Abwanderung der Wirtschaft, noch weniger Steuereinnahmen – und noch weniger Geld für Investitionen. Günstig auf die Haushalte vieler Kommunen hat sich laut Finanzreport der 2012 vom Land eingeführte Stärkungspakt Stadtfinanzen ausgewirkt, an dem sich 57 Kommunen beteiligten, darunter Dorsten. Die Landesregierung ließ gegen harte Auflagen Hilfen zukommen. „Der Stärkungspakt wirkt, kann aber das Problem der Altlasten aus Kassenkrediten nicht lösen“, so Finanzexperten der Bertelsmann-Stiftung. Der Report rät Land und Kommunen, gemeinsam ihre Anstrengungen zu erhöhen. Der Stärkungspakt müsse konsequent umgesetzt und Bundesmittel müssten vollständig weitergeleitet werden. Dazu dürften den Kommunen keine neuen Aufgaben übertragen werden (dpa).
Kommission soll Kommunen bei Soziallasten helfen
Das neue Kommunalministerium in NRW will zur Bewältigung der Probleme in Städten und Kreisen eine Transparenzkommission ins Leben rufen. Darin soll mit den Kommunen unter anderem über Aufgaben, Soziallasten und Bürokratieabbau gesprochen werden, so Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU).
„In dem Part Soziallasten werden wir durch einen Ländervergleich die Ursachen unterschiedlich hoher, gesetzlich veranlasster Sozialausgaben auf den Prüfstand stellen, die insbesondere die kommunalen Haushalte in Nordrhein-Westfalen belasten“, erläuterte sie.
Die Landesregierung werde sich im Bundesrat dafür engagieren, dass Standarderhöhungen bei bestehenden kommunalen Aufgaben vom Bund nur vorgenommen werden, wenn es einen vollen Kostenausgleich für die Kommunen gibt.
Die Sozialausgaben gelten als Kostentreiber in den kommunalen Haushalten. Sie sind im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen um acht Prozent gestiegen – auf inzwischen 990 Euro pro Einwohner.
Siehe auch: Stärkungspakt-Gesetz
Siehe auch: LWL-Umlagenerhöhung
Siehe auch: Schulden NRW
Siehe auch: Pro-Kopf-Verschuldung
Siehe auch: Zocken im Rathaus
Siehe auch: Gemeindefinanzierungsgesetz
Siehe auch: Städte-Verschuldung