Kontinentalgermanische Stämme sprachen erstmals diutisc oder theodisk
Das Wort „Deutsch“ wird in vielfältiger Weise verwendet. Für die Definition der Deutschen als Ethnie werden verschiedene subjektive und objektive Kriterien genannt, unter anderem deutsche Abstammung, deutsche Muttersprache, Pflege deutscher Kultur, das Bekenntnis zum deutschen Volkstums und zur deutschen Geschichte und der Glaube an diese Gemeinsamkeiten. Eine „völkische““ Konzeption der Deutschen sieht dabei in der gemeinsamen Abstammung das primäre Unterscheidungsmerkmal zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Es gibt enge Wechselbeziehungen, aber auch Konfliktpotential zwischen den verschiedenen Konzeptionen. Insbesondere einerseits zwischen dem Ethnienkonzept, das die Deutschen als Nachfahren des die deutsche Sprache sprechenden Bevölkerungsteils in Ostfrankenreich betrachtet, aber später nationalistisch umgedeutet wurde, sowie andererseits den Bestimmungen über die rechtliche Zugehörigkeit zu Deutschland. Im juristischen Sinne bilden alle deutschen Staatsbürger das deutsche Staatsvolk. Bei der Zugehörigkeit dazu werden seit 1949 ethnische und kulturelle Kriterien nicht mehr berücksichtigt. Einzige Ausnahme sind die Statusdenken, also den Staatsangehörigen gleichgestellte Personen als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes. Diese Rechtsstellung wird heute nur noch Spätaussiedlern in der Zeit zwischen ihrer Aufnahme im Bundesgebiet und der Bescheinigung ihres Status als Spätaussiedler gewährt.
Erster Beleg für das Wort in der Gotenbibel des 4. Jahrhunderts: thiudisko
Das Adjektiv diutisc oder theodisk bedeutete ursprünglich so viel wie „zum Volk gehörig“ oder „die Sprache des Volkes sprechend“ und wurde seit spätkarolingischer Zeit zur Bezeichnung der nicht romanisch sprechenden Bevölkerung des Frankenreichs, aber auch der Angelsachsen benutzt. Es entstand in Abgrenzung zum Latein der Priester wie auch zum walhisk, der Bezeichnung für die Romanen, aus der das Wort Welsche entstanden ist. Erster Beleg für den Begriff deutsche Sprache ist eine Stelle aus der Gotenbibel des Wulfila im 4. Jahrhundert. Er bezeichnet die Nichtjuden, die heidnischen Völker, mit dem Adjektiv thiudisko.
Die Sprache kontinentalgermanischer (veraltet „altdeutscher“) Stämme wurde erstmals mit diutisc oder theodisk bezeichnet in einem Brief des päpstlichen Nuntius Georg von Ostia an Papst Hadrian I. über zwei Synoden, die 786 in England stattgefunden hatten. Im Brief hieß es wörtlich, dass die Konzilsbeschlüsse tam latine quam theodisce („auf Latein wie auch in der Volkssprache“) mitgeteilt wurden, „damit alle es verstehen könnten“ (quo omnes intellegere potuissent). In seiner (althoch-)deutschen Form diutsch/tiutsch lässt es sich zuerst in den Schriften Notkers des Deutschen belegen. Erst seit dem 10. Jahrhundert bürgerte sich die Anwendung des Wortes diutisc auf die Bewohner des Ostfrankenreichs ein, von dem heute der flächenmäßig größte Anteil zu Deutschland gehört.
Definition: Die Deutschen als Ethnie
Die Frage, wie die Deutschen ethnisch und als Nation zu definieren wären, hat im Laufe der Geschichte eine Fülle verschiedener, teils widersprüchlicher Antworten gefunden. Die Vorstellung einer ethnisch-kulturellen Einheit der Deutschen ist ab etwa Beginn des 19. Jahrhunderts, seit den Freiheitskriegen gegen die napoleonische Herrschaft, die wichtigste Grundlage deutscher Nationskonzepte. Da kein deutscher Nationalstaat existierte, konstituierte sich das Konzept der Volksgemeinschaft nicht über einen Staat, sondern über Vorstellungen kultureller (insbesondere auch sprachlicher) Identität und gemeinsamer Abstammung. Dies prägt das deutsche Nationalverständnis bis in die Gegenwart und äußert sich etwa in den Bestimmungen über die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach dem Historiker Friedrich Meinecke (1922) wird eine solche Nation als Kulturnation von Staatsnationen auf der anderen Seite abgegrenzt, wonach die deutsche Nation neben der italienischen eine der ersten primär kulturell und ethnisch konzipierten Nationen sei.
Wissenschaftler definieren Deutsch – Sprache und Zugehörigkeit
Der österreichisch-deutsche Völkerrechtler Rudolf Laun definierte 1930 „Volk im natürlichen Sinne“ als die aus „Abstammungsgemeinschaft und Geschlechtsverbindung entstandene und durch Gleichheit der Sprache zu geistiger Einheit verschmolzene sittliche Gemeinschaft des freien persönlichen Bekenntnisses“.
Der Rechtswissenschaftler Karsten Mertens definiert 2004 deutsche Volkszugehörige unter Heranziehung des Bundesvertriebenengesetzes sowohl durch subjektive als auch durch objektive Merkmale: einerseits durch ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum, das andererseits durch Abstammung, Sprache, Erziehung oder Kultur bestätigt wird.
Der Kulturwissenschaftler Harald Haarmann führt 2004 als Kriterien für die Zugehörigkeit die Muttersprache Deutsch und eine deutsche Abstammung an, wobei die Zahl derer, die das letztgenannte Kriterium erfüllen, größer sei als die Zahl der Muttersprachler. Deutschsein werde heute aber zunehmend im Sinne der Staatsangehörigkeit verstanden: Wer heute Deutsch spreche, könne ebenso gut aus Europa wie aus Asien oder Afrika stammen. Deutschsein sei zu einem „multiethnischen Begriff“ geworden und nähere sich somit strukturell Begriffen wie Englischsein, Französischsein oder Spanischsein an, die gleichfalls multiethnische Situationen beschrieben.
Der Soziolinguist Ulrich Ammon definiert 2015 den „schwierigen Begriff ‚deutsche Ethnie‘“ unabhängig von staatlichen Definitionen als Menschen, die glaubten, Gemeinsamkeiten in ihrer jeweiligen Abstammung, Geschichte, Sprache, Kultur oder Religion zu haben. „Der Glaube ist dabei letztlich ausschlaggebend“. Die Selbstzuordnung, das ethnische Bekenntnis, könne sich dabei auch überlappen oder schwanken. Dies sei vor allem bei Migranten in Deutschland sowie bei deutschsprachigen Minderheiten, etwa in Rumänien oder Russland, der Fall.
Siehe auch: Deutsch II – Begriff „Deutsches Volk“
Siehe auch: Deutsch III – Deutsche Nation
Siehe auch: Deutsch IV – Erstehung der Nation
Siehe auch: Deutsch V – Völkisches Konzept
Siehe auch: Deutsch VI – Gegenwart
Siehe auch: Deutsch VII – Begriffserklärungen