Journalist, Dichter, Schriftsteller und ein nationalsozialistischer Ideologe
Von Wolf Stegemann – 1879 in Appelhülsen bis 1954 in Rheine; Schriftsteller, Journalist und NS-Kulturfunktionär. – In Horstmar ist eine Straße nach Friedrich Castelle benannt. Rat und Ausschüsse haben sich im Jahre 2010 mit der Nazi-Vergangenheit des Schriftstellers beschäftigt und über eine Umbenennung der Straße nachgedacht. Darüber hinaus erfolgte nichts. Doch im Alten Rathaus von Burgsteinfurt stand bis 1990 eine Castelle-Büste, die bei Umbauarbeiten entfernt wurde.
Oft Gast in der Familie Joly auf Haus Natteforth
Friedrich Castelle war in Lembeck und Dorsten kein Unbekannter. Oft besuchte er in den 1920er-Jahren die Stadt und wohnte dabei im Haus Natteforth, dem Wohnsitz der Familie Joly. Denn mit der Tochter des gräflich-merveldtschen Oberförsters Lisel verband ihn die gemeinsame Dichtkunst. Im Hause des Oberförstern an der Lembecker Chaussee trafen sich regelmäßig westfälische Dichter zu einem Literaten-Zirkel, der von Lisel Joly zusammengehalten wurde: Dabei waren u. a. Karl Wagenfeld, Augustin Wibbelt, Margarete Windthorst und Friedrich Castelle.
Er war der Sohn eines Kaufmanns, besuchte das Gymnasium sowie die Universität in Münster und wurde im Jahre 1900 Mitarbeiter von Tageszeitungen u. a. in Aschaffenburg und Aachen. Von 1904 bis 1911 war er Feuilletonredakteur beim „Münsterschen Anzeiger“, seit 1905 Mitglied in der Literarischen Gesellschaft in Münster und gab dem literarischen Leben und dem Theater in Münster wichtige Impulse. 1906 promovierte er mit einer Arbeit über Eichendorff zum Dr. phil. Von 1912 bis 1915 gab er die Zeitschrift „Deutschland“ heraus. Im Ersten Weltkrieg war Friedrich Castelle als höherer Militärbeamter eingesetzt. 1916 wurde der Dichter dem Geschäftsführer des Heimatbundes beigeordnet. 1919 betrieb er die Gründung der „Niederdeutschen Bühne“ in Münster. Von 1919 bis 1921 hatte ihm die Universität Münster das neu gegründete Lektorat für „Pressewesen“ und für „Öffentliche Ausdruckskunst“ übertragen.
Redaktionsleiter der Zeitschrift „Der Türmer“
Friedrich Castelle unternahm Reisen als Vortragskünstler durch ganz Deutschland, fungierte zusammen mit Karl Wagenfeld als Mitherausgabe der Heimatblätter der „Roten Erde“, wurde 1921 Leiter der Düsseldorfer Rundfunksendestelle, 1922 Redaktionsleiter des Monatsblattes „Die Bergstadt“ in Breslau, wurde 1925 mit dem Literaturpreis des Deutschlandbundes für seinen westfälischen Bauernroman „Heilige Erde“ ausgezeichnet und war seit 1930 Redaktionsleiter der Zeitschrift „Der Türmer“. Ab 1933 trat er als Propagandist des Nationalsozialismus auf. Friedrich Castelle glorifizierte nicht nur Hitler, sondern auch den Parteiideologen Alfred Rosenberg, der damals Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP war. Im Jahre 1935 versuchte Friedrich Castelle aus der Annette von Droste-Gesellschaft eine nationalsozialistische Organisation zu machen. Laut dem „Westfälischen Autorenlexikon“ war er damals Obmann der NS-Kulturgemeinde für den Kreis Burgsteinfurt, Beiratsmitglied des Gaues Nordrhein-Westfalen und führender Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer. Er wirkte auf allen Ebenen an der Propagierung einer völkischen, an der „Blut- und Boden“-Ideologie orientierten Kulturarbeit mit. 1937 wurde er Haupt-Abteilungs-Sachbearbeiter zur besonderen Verwendung im Reichssender Köln, später dessen stellvertretender Intendant, wo er dem aus Dorsten stammenden Intendanten Dr. Glasmeier begegnete. Während des Krieges leitete Castelle eine Presse- und Nachrichtenabteilung und den Reichssender im besetzten Luxemburg.
Förderer des Hermann Löns-Kults
Friedrich Castelle war ein früher Förderer von Hermann Löns, mit dem er persönlich bekannt war. Bei der Etablierung eines Löns-Kultes in Deutschland erwarb er sich unrühmliche Verdienste. Er war Mitglied der Löns-Gedächtnisstiftung, und im Dritten Reich oblag ihm die Überführung der Gebeine von Löns nach Deutschland. Bei Kriegsende wurde Castelle festgenommen und zunächst im britischen Internierungslager Recklinghausen-Süd in Haft gehalten. Nach seiner Entlassung durfte Castelle seine berufliche Tätigkeit zunächst nicht wieder ausüben. Später gelang ihm die Entnazifizierung. Danach arbeitete er wieder für den Rundfunk als Verfasser plattdeutscher Hörspiele und trat mit Vorträgen und Rezitationen vor einem allerdings kleiner gewordenen Zuhörerkreis auf. Seine letzten Jahre verbrachte er auf der Wasserburg Welbergen in Ochtrup. Dort ist er am 15. Januar 1954 gestorben und auf dem St. Mauritz-Friedhof in Münster beigesetzt. Friedrich Castelle publizierte auch unter den literarischen Pseudonymen Hans Dietmar, Hans Uhlenbrock und Fritz von Schonebeck.
Siehe auch:
Literaten, verstorben (Artikelübersicht)
Quellen:
Bernd Schlusemann „Diskussion um Straßennamen: Historiker: Castelle war ein Nazi-Funktionär“ in Münstersche Zeitung vom 9. Dezember 2010. – „Westfälisches Autorenlexikon 1750-1950“ (LWL). – Wikipedia.