Verödung der Innenstadt: traditionsreiches Café vertrieben
Von Wolf Stegemann – „Ganz plötzlich, im Hinterzimmer von ,Café Maus’ im westfälischen Städtchen Dorsten, überkommt Hans Matthöfer die Vorstellung, er müsste mit Franz Josef Strauß im Fernsehen über Staatsverschuldung streiten. Dann kann das Fernsehvolk aber was erleben. Die Begeisterung im kleinen Kreis ist groß.“ Mit diesen Sätzen leitete der Spiegel-Redakteur Jürgen Leinemann seinen Kommentar im „Spiegel“ vom 25. August 1980 über den Wahlkampf Bundesfinanzminister Hans Matthöfers (SPD) ein. Das Café Maus war zwischen den 1960er- und 1990er-Jahren stets die beste Adresse, wenn es um den Besuch hochrangiger Politiker in Dorsten ging. Als die Parlamentarische Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning 60 Jahre alt wurde, gab sie im Café Maus einen Empfang, bei dem die Gratulanten aus Dorsten, dem Kreis und dem Bund eine Warteschlange bis zum Marktplatz bildeten, um ihre guten Wünsche zu überbringen. Café Maus gehörte zu Dorsten wie der Turm von St. Agatha. 1914 übernahm Willy Maus, Schwiegersohn von Gustav Drecker, das Geschäft an der Essener Straße und machte daraus eine Feinbäckerei mit Kaffeewirtschaft. 1955 erwarb das Ehepaar Kurt und Renate Riedel das Café Maus mitsamt dem Namen und übersiedelte 1957 in die Recklinghäuser Straße.
Wegen überzogener Mieterhöhungen Bewirtschaftung unrentabel
Überrascht war man 1997, als das Ehepaar Riedel nach 42 Jahren das traditionsreiche Café Maus aufgeben musste und Dorsten verließ. Durch eine erneute Mieterhöhung des privaten Hausbesitzers von 4.175,29 DM auf 9.700 DM monatlich war das Café nicht mehr zu bewirtschaften. Den 17 noch verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von einst 50 wurde gekündigt. Mit der Schließung des Cafés endete ein fünfjähriges Debakel um die Höhe der Miete. Im Auftrag des Vermieters ermittelte 1992 der Gutachterausschuss der Stadt Dorsten den Mietwert des Objekts Recklinghäuser Straße 11 mit 9.500 DM, das war annähernd doppelt so hoch wie die aktuelle Miete und damit weit über dem Erträglichen eines Handwerksbetriebs. Gespräche Kurt Riedels mit der Dorstener Wirtschaftsförderung, der Handwerkskammer und der Kreishandwerkerschaft ergaben, dass die tatsächliche Miete in Höhe von 4.175,27 DM realistisch war. Ohne das Wissen von Kurt Riedel wurde bereits für einen Nachfolger Kurt Riedels für „Café Maus“ inseriert, obwohl Kurt Riedel allein das Recht auf Führen des Namens hatte. Unter diesen Umständen und nach der Kündigung des Hauseigentümers gaben Kurt und Renate Riedel das traditionsreichste Café Dorstens auf unter hinterließen die Räume besenrein dem Vermieter. Einen schriftlichen Mietvertrag gab es erst nach dem Tod des Senior-Vermieters. Der Sohn erhöhte die Miete von 1.250 DM sofort auf 3.000 DM mit kontinuierlicher Steigerung von drei Prozent pro Jahr mit einer Laufzeit von 15 Jahren.
Warnung vor „Goldgräbermentalität“ der Vernieter schon 1987
Schon zehn Jahre zuvor, 1987, warnte der damalige Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Recklinghausen, Harriegel, vor überzogenen Mietforderungen und dem damit verbundenen Einzug der Filialisten: „Hält diese Goldgräbermentalität in Dorsten an, sehe ich schwarz für die Altstadt als attraktives Einkaufszentrum mit noch individuell geführten Läden.“ – 2011, rund 25 Jahre später, lässt sich feststellen, das Harriegel leider Recht behalten hat.
Quellen:
Jürgen Leinemann „Dem Kanzler ähnlicher als sich selbst“ in SPIEGEL vom 25. August 1980. – Angelika Bergmann „Café Maus schließt Ende 1997: Mietforderungen sind zu hoch“ in RN vom 1. Oktober 1997.