Hilfe für polnische Gemeinde – Foto vom „Polenpapst“ hilft beim Zoll
Geboren1943 in Gleiwitz/damals Schlesien, seit 1980 in Dorsten-Rhade. – Einfach hatte es Johann Brzoza als Junge und junger Mann nicht. Im oberschlesischen Gleitwitz, wo er 1943 als Deutscher mit dem Familiennamen Brotzeit geboren wurde, das 1945 polnisch wurde, war er bei den polnischen Nachbarn und Schülern „der Nazi“. Nach der Ausweisung der Familie 1957 nach Westdeutschland behielt die Familie den von den Polen verordneten polnischen Namen. Polen waren die Brzozas nicht, Deutsche aber auch nicht: „In meinem ersten Pass stand, dass ich staatenlos bin.“ Wegen sener polnischen Sprache war er auch hier nur „der Polak“. Als junger Mann ging der gelernte Maschinendreher und beruflich tätige Berufskraftfahrer 1963 in die Niederlande, wo er wieder zum „Nazi“ wurde. Drei Jahre später mit seiner holländischen Frau Maria nach Essen zurückgekehrt, war er jetzt wieder der „Polak“ und zudem der „Holländer“. An diese erlebte Diskriminierung denkt er heute, Jahrzehnte danach noch mit Seelenschmerzen zurück. Er wohnt in Rhade und schloss sich schon früh der dortigen Kirchengemeinde St. Urbanus und der Orts-Caritas an.
Dies hat eine Geschichte. Johann Brzoza erkrankte schwer, wurde operiert und legte ein Gelübde ab, falls er wieder gesund werden würde, wollte er sich in den Dienst der Nächstenhilfe stellen. Zwei Besuchsfrauen der Caritas regten an, dass er sich dann doch der Caritas anschließen könnte. Das tat er dann auch, machte für die Orts-Caritas Hausbesuche und betreute Hinterbliebene, organisierte Fahrten und für die gesamte Bevölkerung Ausflugsfahrten wie eine Schiffsreise auf dem Rhein oder Senioren-Besuche zum Movie-Park in Bottrop-Kirchhellen. Er wurde Kommunionhelfer, war 15 Jahre lang im Pfarrgemeinderat St. Urbanus, gründete ein Hilfswerk zwischen der Rhader Kirchengemeinde und der polnischen Partnergemeinde St. Florian in der 36.000-Einwohnerstadt Zwyiec im Süden, das er jahrelang erfolgreich bis heute leitet.
Guter Kontakt zur Rhader Partnergemeinde in Zwyiec und zur Stadt
Dabei kamen ihm seine polnischen Sprachkenntnisse zugute. Gegenseitige Besuche fanden und finden regelmäßig statt. Angefangen hatte es mit Behinderten-Fahrten, die Johann Brzoza organisierte und die Besucher im Rhader Schullandheim unterbrachte. Mit Betreuern waren es an die 50 Personen. Oft fuhren er und seine Frau in die polnische Gemeinde. „Es war eine furchtbar arme Gemeinde mit schlechter Luft und dementsprechenden Krankheiten!“ Er unterstützte mit Hilfe der Caritas dortige Familien finanziell. Körperlich behinderte Menschen konnten sich keinen Rollstuhl leisten, Johann Brzoza sorgte dafür und brachte drei gespendete und gebrauchte elektrische Rollstühle nach Polen, die er vorher eine Woche lang reparierte. Ein andermal waren es Matratzen und 100 Paar Schuhe, Medikamente und auch eine kleine Orgel. An der polnischen Grenze war es stets hilfreich, wenn er in der Mappe mit den Zollunterlagen ein Foto des „Polenpapstes“ Johannes Paul II. liegen hatte. Sahen sie es, dann winkten sie ihn die Zöllner durch.
Finanziell unterstützt wird Johann Brzoza von der Kirche, vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk und von Dorstener und auch Rhader Unternehmen und Personen. Als Helfer zur Seite steht seit 2003 Heinrich Terstegge, ein Lembecker, der in Wulfen wohnt. Inzwischen sind er und sein Partner Terstegge Ehrenbürger der polnischen Stadt, in deren Goldenem Buch sich die beiden eingetragen haben. In Dorsten bekam er 2008 für seine herausragende ehrenamtliche Tätigkeit die Ehrennadel und eine Urkunde der Stadt Dorsten .2015 durfte er sich in Zywiecz in das Goldene Buch der Stadt eintragen. „Das kam aber bei manchen in Dorsten nicht gut an. Ich bekam anonyme Anrufe und wurde als „Dreck…“ beschimpft, weil ich den Polacken helfen würde, die unsere Gebiete nach dem Krieg gestohlen haben“ – auch so kann man augenscheinlich das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte fehlinterpretieren.
Statt nach Afrika fand Brzoza den Weg zurück nach Deutschland
Als junger Mensch wollte er eigentlich nach Afrika, machte eigens dafür den LKW-Führerschein und verdiente sein Geld als Dreher. Doch anstatt den Weg nach Afrika einzuschlagen, wo er gerne als Handwerker in Gemeinden gearbeitet hätte, entschied er sich für sein holländisches Mädchen namens Maria, das er 1966 heiratete und mit ihm nach Deutschland ging. Das Ehepaar ließ sich in Essen nieder. Nach 15 Jahren suchten sie einen der holländischen Grenze näheren Wohnort. Wesel hatten sie im Kopf. Doch dann wurde es Dorsten-Rhade, wo sie bauten. Im Sportverein wurde er Trainer. So leben Johann und Maria Brzoza seit 1980 in Rhade. Durch seinen Beruf lebte er materiell, durch sein Helfen seelisch-existenziell. Denn sein organisatorisches Talent zu helfen und Hilfe zu organisieren prägte ihn bis heute.
Seine Lebensgeschichte niedergeschroeben: „Unterwegs zuhause“
Die Erinnerungen an seine Kindheit und seine Lebensgeschichte brachten ihn mit 78 Jahren 2021 dazu, sie aufzuschreiben und als Buch mit dem Titel „Unterwegs zuhause“ zu veröffentlichen. Das Lesen macht traurig, rührt zu Tränen – bringt den Leser aber auch zum Schmunzeln. Johann Brzoza bekümmert aber nicht nur die Vergangenheit. Noch mehr bekümmert ihn, „was für eine verrückte und zerstörte Welt wir unseren Enkelkindern hinterlassen: Ich hoffe sehr, dass wir das noch ändern können, indem wir uns ändern und Egoismus und Ausbeutung überwinden.“