Bruderschaft BMV

Über Jahrhunderte hinweg war sie ein gesellschaftlicher Mittelpunkt

Als bei dem großen Bombenangriff im März 1945 fast alle Archivalien und Urkunden der Kirchengemeinde St. Agatha, die mit Kircheninventar im vermeintlich geschützten Turm eingemauert waren, völlig vernichtet wurden, war es ein Zufall, dass das 1942 von dem Staatsarchivrat Dr. Karl Utsch aus Münster fertig gestellte Register der Dorstener Bruderschaft Beatae Mariae Virginis nicht verloren ging, weil es sich im Panzerschrank des Pastorats befand. Dr Utsch wurde 1942 zur Wehrmacht eingezogen und fiel 1944 in Russland.

Ablass der Bruderschaft

Ablass der Bruderschaft

Das Register besteht aus Satzungen sowie einer Aufstellung über Renten der Bruderschaft und in der Hauptsache aus rund 4.000 Namen von Dorstener Bürgern und Bewohnern aus der Umgebung, wie Schermbeck, Kirchhellen, Feldhausen, Horst, Ulfkotte, die der Bruderschaft im Laufe der Jahrhunderte angehörten. Die Bruderschaft war am Tag Mariae Himmelfahrt 1350 vom Dorstener Pfarrer Bartholomäus ab Huxelen anlässlich einer Pestepidemie angeregt und danach errichtet worden. Ihre Mitglieder suchten im Gebet Schutz vor der Pest. Die Bruderschaft wurde von zwei Männern geleitet, die jeweils gewählt wurden. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts gehörten auch die Frauen der männlichen Mitglieder dazu und oftmals auch die im Haus lebenden Kinder (1421: „Andres van Hagenbecke, Rexe, syn husvrouwe“ oder „Grote Heyne, Elsiken, Drude und Alyke, zin Dochter“). Daher sind die Register bis 1617 eine unerschöpfliche Quelle der Familien- und Namensforschung. Die verstorbenen Mitglieder sind jährlich genannt. Die erste Eintragung verzeichnet den im Jahr 1414 erfolgten Tod des Erzbischofs Friedrich von Saarwerden: „Her Frederic van Zarwarde, Ersebysscop to Colne. De starf anno Domine milesimo quadringentesimo decimo quarto in nocte post Pasca.“ Auf Grund der Schriftanalyse fällt die Anlegung des Buches zeitlich zwischen den Beginn des Bürgerbuches (1414) und des „lieber statutorum“ (1432) an.

Bruderschaft wurde 1648 wiederbelebt

Die Bruderschaft erfreute sich bald nach der Gründung großer Beliebtheit, wie die steigende Zahl und der Rang ihrer Mitglieder sowie die Geldzahlungen an die Bruderschaft belegen. Die Stadt erlebte damals eine wirtschaftliche Blüte. Es war anzunehmen, dass die Bruderschaft gesellschaftlicher Mittelpunkt in der Stadt war. Alle führenden Familien der Stadt gehörten der Bruderschaft an. Viele Namen sind in moderner Schreibweise auch heute noch bekannt: Myddendorp, Vorercke, Holschers, Prekels, Wessingk, Ulffkatten, Lynenwever, Schetter, Kremers, Klaphecke, Goltsmet, Hagedorn oder Teynderinch. Es folgten Zeiten des Stillstands und des Niedergangs, was vermutlich durch die reformatorischen Wirren und später durch den Dreißigjährigen Krieg sowie den damit verbundenen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt verursacht wurde. 1601 begrub die Bruderschaft ihr letztes weibliches Mitglied. Nach 250 Jahren, in denen Männer wie Frauen Mitglieder waren, wurde aus der Bruderschaft ein reiner Männerbund. Nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 wurde die Bruderschaft durch Pfarrer Ludwig Barckhoff wiederbelebt und neue Verzeichnisse angelegt. 1748 feierte die Bruderschaft die hundertjährige Neuaufstellung mit Paraden der Junggesellen-Compagnie, Fahnen, Trommeln und Gottesdienst:

„Und alda wehrend hohen Ampt für der Kirchen paradiret und nach geendigten hohem Ampt … eine Tonne Bier zur Reercation geschenckt worden … Währndem hohen Ampt sind 3 mahl die Bölleren abgefeuert; wärender Mahlzeit und bis in die späthe Abendtszeit seind die Böllere auch zu verschiedene Mahlen abgefeuert worden…“.

Künftig wurden nur neue Mitglieder aufgenommen, wenn durch das Ableben eines Mitglieds eine Vakanz entstanden war. Im Jahre 1762 enden die Eintragungen mit dem Satz: „1762 Brüdermeister: Kaufgildemeister Henrich Rensing und Ratsverwandter nun Renthmeister Vincent J. Averbeck …“.


Quelle: Nach Dr. Karl Utsch und Dr. Franz Wünsch in VZ, Band 52.

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