Papiercontainer, Wohnhäuser, Bauernhöfe - Feuerwehrleute legten 37 Brände
W. St. – Ein Blick zurück in die letzten Jahrzehnte zeigt, wie oft und wie stark es in Dorsten gebrannt hat – in der Stadt selbst und den umliegenden Dörfern bzw. heutigen Stadtteilen. Erstaunlich, wie hoch die Versicherungsschäden bemessen waren und dass es viele Brandstiftungen darunter gegeben hat – und immer wieder gibt. Daher befassen wir uns heute mit diesem Thema. Feuer bricht aus unterschiedlichen Anlässen in Wohnhäusern, Ställen, Bauernhöfen, Lagerstätten, Scheunen, Schulen oder in Wäldern aus. Sei es durch eine defekte Stromleitung, eine überhitzte Fritteuse, durch zündelnde Kinder, einen weggeworfenen Zigarettenstummel und eben auch durch gewollte oder fahrlässige Brandstiftung.
Sieben Jahre Gefängnis für Brandstiftung in der LIppestraße
Brandstiftungen sind das vorsätzliche oder fahrlässige und unerlaubte Inbrandsetzen eines dazu nicht bestimmten Sachgutes, so die Rechtsdefinition. Die meisten Brandstiftungen sind Versicherungsbetrügereien, dienen der Vertuschung einer Straftat oder sind Rache-Taten. 51 Prozent bleiben unaufgeklärt. Umgangssprachlich ist immer wieder vom „warmen Abriss“ zu hören, wenn das mutwillige Abbrennen einer Immobilie durch den Eigentümer unter Vortäuschung eines normalen Brandfalls stattfindet, um die Kosten für einen Abriss einzusparen, oft auch, um die Versicherung zu betrügen. Dies ist mit einer Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bedroht (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB). Ein Motiv für Brandstiftung kann allerdings auch eine Verhaltensstörung in der Person des Brandstifters sein, die unter Umständen sogar krankhafte Züge aufweist (Rachsucht, krankhafter Neid, Hass, krankhafte Eifersucht, Pyromanie, Geltungssucht, Zerstörungswut). So ist auch ein Fall in Dorsten motiviert, als ein 24-Jähriger in der Lippestraße im November 2016 ein Mietshaus angezündet hatte. Der drogen- und alkoholsüchtige Mann lag mit den Mitbewohnern des Mietshauses im Streit. Daher zündete er das Haus an. Die Bewohner konnten sich retten. Das Essener Schwurgericht wertete seine Tat deshalb nicht als versuchten Mord, sondern „nur“ als versuchten Totschlag und verurteilte ihn rechtskräftig zu sieben Jahren Gefängnis plus Zwangsunterbringung in einer Drogenentzugsklinik.
Junge Feuerwehrmänner legten 2008/09 in einem halben Jahr 37 Brände
Bereits 2008/09 trieben „Feuerteufel“ in Wulfen ihr Unwesen. 2010 verurteilte das Amtsgericht zwei 19 und 20 Jahre alte Mitglieder der Wulfener Feuerwehr zu Gefängnisstrafen von zwei Jahren und zehn Monaten, weil sie 2008/09 im Norden der Stadt 37 Brände gelegt und damit die Bevölkerung ein halbes Jahr lang in Angst und Schrecken versetzt hatten. Zudem mussten sie 300.000 Euro Schaden ersetzen. Sowohl der Staatsanwalt, der 44 Monate gefordert hatte, wie auch die Angeklagten, denen das Urteil zu hoch erschien, gingen in Berufung. Das Berufungsgericht beim Landgericht Essen hob die Urteile auf, reduzierte die Freiheitsstrafe auf jeweils zwei Jahre und setzte sie zur Bewährung aus.
Zwei Feuerwehrangehörige: Drang nach sozialer Anerkennung
Zu diesem Themenkomplex gab es ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. In einem Bericht steht, dass die Zahl der Brandstifter, die Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren sind, auf etwa 3.000 geschätzt werde. Bei 1,3 Millionen Mitgliedern in Deutschlands Freiwilligen Feuerwehren läge der Anteil Brand legender Feuerwehrmänner damit bei 2,3 Promille. In der Regel liegen die Motive von Brandstiftungen durch Feuerwehrangehörige im Bereich der Psyche. Sowohl das Erreichen eines Kicks bei Einsätzen als auch Sensationsdrang und der „Drang nach sozialer Anerkennung“ können Auslöser für derartige Brandstiftungen sein. Wie bei allen Brandstiftungen finden sich auch hier die Masse an Brandstiftern unter der männlichen Bevölkerung bis 25 Jahren.
Brandlegung vom Papiercontainer bis zur Schule
In Erinnerung an die von den beiden Feuerwehrleuten verursachte Brandserie von 2008/09 machte sich die Bevölkerung ein paar Jahre später, 2016, wegen einer monatelang andauernden Serie von Brandstiftungen Sorgen. Die Schlagzeiten in der Lokalzeitung: „Feuerteufel wüten in Dorsten“, „Brandserie in Barkenberg geht weiter“ und „Schuppen mit Werkstatt wurde in Brand gesetzt“, um einige zu nennen. Vor allem brannten in Wulfen-Barkenberg immer wieder Papier-Container und gelbe Säcke voller Plastikmüll, aber auch in anderen Stadtteilen. Auch wurde in einem Fall in dem ausgebrannten Container ein zerplatzter Benzinkanister gefunden. Solche Brandstiftungen von Müllcontainern gab es auch an der Hardter Kindertagesstätte „Pusteblume“, im Juli auf dem Gelände der St. Ursula-Realschule am Nonnenkamp, am Seniorenheim Maria Lindenhof, wo die Flammen auf einen 20 Meter hohen Baum übersprangen, der unmittelbar vor den Fenstern und Balkonen einiger Bewohner brannte. Ebenso brannte es in Wulfen an einer Trafostation, die zerstört wurde, und in der Straße Talaue standen zwei große 1000-Liter-Papiercontainer in hellen Flammen.
Waren die Schäden der einzelnen Feuer jeweils auf 100 oder ein paar hundert Euro zu beziffern, so richtete die Brandstiftung auf einer Wulfener Hofanlage im Februar 2016 einen verheerenden Schaden in Höhe von rund 100.000 Euro an. Dort brannte eine ehemalige Scheune, in der eine Werkstatt, ein PKW, Motorräder und Maschinen zerstört wurden. Fahrzeuge, die davor standen, wurden ebenfalls zerstört. Im April brannte ein PKW in Hervest-Dorsten und im Mai ein Holzunterstand in Altendorf-Ulfkotte. Im Juni brannte an der Barkenberger Allee ein 1000-Liter-Papiercontainer und Ende Juli schlugen Flammen aus dem zweiten Stock der zugemauerten Wohnbauruine Habiflex in Barkenberg.
Das Fachkommissariat für Branddelikte beim Polizeipräsidium Recklinghausen hatte die Ermittlungen der Brandstiftungen aufgenommen. Ende Juli gab es auch eine Spur. Ein Zeuge meldete sich, dass er einen etwa 25 Jahre alten Mann gesehen habe, der in verdächtiger Weise am 19. Juli etwas in einen Container an der Thüringer Straße geworfen habe und dann weglief. Kurze Zeit später brannte der Container. – 2013 brannte durch Brandstiftung das Dach der Gesamtschule in Wulfen-Barkenberg. – Unbekannte hatten Mitte November 2017 an der Trafostation an der Bundesstraße 58/Ecke Buchenhöfe Feuer gelegt. Autofahrer meldeten den Vorfall. Die Feuerwehr konnte den Brand auf der Rückseite des Trafos umgehend löschen. Die Polizei ermittelte Brandstiftung.
Brandstiftung im Obdachlosenwohnheim am Hammer Weg
Das städtische Obdachlosenheim am Hammer Weg in Hervest ging am 7. August 2017 gegen 4 Uhr morgens in Flammen auf. Der Polizei liegen Indizien für eine Brandstiftung vor. Zwei von acht Wohnungen in der Unterkunft brannten aus. Das Haus war zu der Zeit nur von einem Mann bewohnt, der unverletzt blieb. Nach dreieinhalb Stunden konnte die Feuerwehr wieder abrücken. Die Polizei hatte Ermittlungen wegen des Verdachts der Brandstiftung aufgenommen.
Zusammenfassender Überblick der letzten Jahrzehnte – große Schäden
Brandstiftungen gab aber auch in früheren Jahrzehnten. Mitte März 1965 vernichtete ein Feuer auf dem Anwesen des Bauern Brand in Erle Stallgebäude und Scheune. Da es bereits der vierte Brand auf dem Hof seit 1952 war, wurde Brandstiftung angenommen und ein 30-jähriger Mann überführt, in den letzten Jahren etwa 12 Brände gelegt zu haben. – Durch Brandstiftung geriet am 1. April 1972 ein Gebäude der früheren Firma Paton an der Borkener Straße in Brand. Schaden: 250.000 DM. – Am 5. August 1975 wurde die aus dem Jahre 1791 stammende Wienbecker Mühle durch ein Großfeuer vernichtet, das vermutlich durch Brandstiftung entstand. Wegen Einsturzgefahr wurden die Mauerreste eingerissen. – In Deuten richtete am 22. Mai 1976 im neuen Kindergarten eine vermutete Brandstiftung einen Sachschaden in Höhe von einer halben Million Mark an. – Auf das Fraktionsbüro der FDP am Südgraben gab es im September 1976 einen Brandanschlag, der einen „nicht unerheblichen Schaden“ verursachte.
Brandanschlag 1993 auf das Amtsgericht in Dorsten
Vermutlich durch Brandstiftung wurden am 24. Juni 1978 in Wulfen ein altes Fachwerkhaus an der Dülmener Straße und schräg gegenüber ein Imbisswagen schwer beschädigt. Der Schaden belief sich auf 80.000 DM. – Im Lippetal brannte am 9. Dezember 1979 die Werkstatt eines Schiffbauers völlig aus. Die zwei dort im Bau befindlichen Boote wurden ebenfalls zerstört. Mit ziemlicher Sicherheit, so die Polizei, handelte es sich um Brandstiftung. – Wie auch, als am 30. April 1984 der Dachstuhl und das Dachgeschoss des Amtsgerichts in Flammen standen. Der Schaden belief sich auf 750.000 DM. – Im Lembecker Hagen vernichtete ein Waldbrand am 8. Juli 1984 rund 2000 qm Kiefernwald. Als Brandursache wurde Brandstiftung festgestellt. – Ein Raub der Flammen wurde am 15. Februar 1986 der Hof Große Boes in Wulfen. Die Kriminalpolizei schloss Brandstiftung nicht aus. Der Schaden belief sich auf 500.000 DM. – Unbekannte Täter legten Mitte November 1991 Feuer in einem Vereinsheim am Söltener Weg. Der Sachschaden betrug 150.000 DM. – Bei einem Brandanschlag im Dorstener Rathaus am 13. April 1993 entstand Sachschaden. –
Auch Kirchen in Holsterhausen wurden nicht verschont
Am 8. Februar 1997 wurde der Rohbau des aus Holz gebauten Kindergartens an der Vennstraße in Hervest durch einen Anschlag zerstört. Der Schaden belief sich auf 250.000 DM. – Brandstifter legten am 4. Mai 2003 an einem Schuppen auf dem Gelände der Teppichfabrik Schürholz (DEKOWE) an der Marienstraße Feuer, das einen Schaden von 75.000 Euro verursachte. – An der Grenze zwischen Schermbeck und Dorsten brach am 9. April 2008 in einer Gärtnerei am Linnenhee ein Großbrand aus. Die Polizei ermittelte Brandstiftung mit einem Schaden von 50.000 Euro. – Ein altes Einfamilienhaus an der Hauptstraße in Holsterhausen brannte am 13. September 2008 ab. Der Sachschasen betrug 80.000 Euro. Später wurde Brandstiftung ermittelt. – In der Holsterhausener Bonifatiuskirche legten Unbekannte am 22. Dezember 2008 an der Krippe Feuer, das schnell entdeckt wurde. – Vom Dorstener Jugendschöffengericht erhielten am 10. Februar 2010 die beiden „Wulfener Feuerteufel“, die seit Oktober 2008 monatelang ihr Unwesen getrieben hatten, zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis.
Brandstifter legten am 7. April 2009 ein Feuer in der Sporthalle der Gesamtschule Wulfen und verursachten einen Schaden in Höhe von 500.000 Euro. – Durch einen Brandanschlag wurden am 29. August 2012 vor der Wulfener Polizeiwache zwei Streifenwagen zerstört, was einen Schaden von 100.000 Euro verursachte. Der Täter konnte festgenommen werden. – Bei einem gelegten Brand am Westgraben entstand am 9. September 2012 an zwei Geschäften Sachschaden in Höhe von 100.000 Euro. Die Polizei nahm den Brandstifter fest. – Durch mutmaßliche Brandstiftung wurde am 4. Februar 2013 der Gebäudekomplex zerstört, in dem sich auch das Pfarrbüro der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Holsterhausen befand. – Im Vorraum der Antoniuskirche wurden am 16. Januar 2016 Schriften in Brand gesetzt. Der Sachschaden war „nicht unerheblich“. Am 23. November brannten in der Erler Rethalle Groninger 500 Strohballen.
Es gibt auch „geistige Brandstifter“ – vor allem in der Politik
Zum Schluss ein kleiner Ausflug in die Metaphorik: Im übertragenen Sinn werden auch besonders aufwiegelnde Menschen, darunter vor allem Politiker, die zwar kein wirkliches Feuer legen, aber doch als gefährlich angesehene Unruhestifter angesehen werden, mit den politischen Schlagworten als „geistige Brandstifter“ oder „verbale Brandstifter“ beschimpft. Rief doch seinerzeit der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Herbert Wehner, bekannt durch seine laut bellenden Beschimpfungen, in einem Zwischenruf dem Bayern Franz Joseph Strauß zu: „Sie! Hören Sie, Sie sind ja ein Brandstifter, Sie! Ein geistiger Brandstifter sind Sie!“
Siehe auch: Brände I (Essay)
Siehe auch: Feuerwehren
Siehe auch: Feuerschutzwesen (Essay)
Siehe auch: Grubenwehr Zeche Fürst Leopold
Siehe auch: Feuersbrunst Wulfen