Beschäftigungsmarkt 2024 in NRW

Wettbewerbsfähigkeitsproblem – 106.000 qualifizierte Arbeitnehmer gesucht

Die Wirtschaftskrise erreichte den Beschäftigungsmarkt in NRW. Wer seine Stelle verliert, findet nur schwer eine neue. Arbeitgeber fordern mehr Härte beim Bürgergeld, die Gewerkschaft warnt vor Stigmatisierung. – Die Wirtschaftskrise erreicht den Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen. „Die handfeste Rezession und tiefe Strukturkrise zeugen von einem massiven Wettbewerbsfähigkeitsproblem des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Wir sehen deutliche Anzeichen, dass die ernste Wirtschaftslage mittlerweile auf den Arbeitsmarkt durchschlägt“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmensverbände (Unternehmer NRW).
Das zeigt sich in den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA): Die Arbeitslosenquote im Land kletterte im Oktober im Vergleich zum Vorjahr von 7,2 auf 7,5 Prozent. Die Vermittlungszahlen sind zwar gegenüber dem Vorjahr gestiegen, aber gegenüber der Zeit vor Corona eingebrochen: Seit Oktober 2023 haben 506.997 Menschen, die von Jobcentern und Arbeitsagenturen betreut werden, eine unselbstständige Beschäftigung aufgenommen. „Im selben Zeitraum lag 2018 die Zahl der Abgänge um rund 100.000 Personen höher“, erklärte die BA-Regionaldirektion. In Baden-Württemberg und vor allem Bayern fällt der Absturz bei den Vermittlungen sogar noch höher aus. „Wir nehmen die Nachrichten aus der Wirtschaft sehr ernst“, sagte Roland Schüßler, Chef der BA-Regionaldirektion. Bislang seien in NRW zwar große Einschnitte beim Personal ausgeblieben. „Was aber passiert, ist, dass Unternehmen nicht einstellen. Viele warten ab, wie sich die Geschäftslage entwickelt.“ Wer einen Job hat, behält ihn. Doch wer arbeitslos wird, findet nur schwer einen neuen. „Es wird schwieriger, aus der Arbeitslosigkeit eine neue Arbeit aufzunehmen“, so Schüßler.

Gleichzeitig suchen viele Unternehmen händeringend nach Fachkräften

„In NRW werden rund 106.000 qualifizierte Arbeitnehmer gesucht. Gleichzeitig haben 425.000 arbeitslose Menschen keine der gefragten Qualifikationen“, so Schüßler weiter. „Rund 60 Prozent der Kunden verfügen nicht über Qualifikationen, die sie am Arbeitsmarkt einfach verwerten können.“ Firmen klagen zugleich, dass Fehlanreize Arbeitslose davon abhielten, eine Beschäftigung aufzunehmen. „Mit dem zu hohen Bürgergeld hat die Bundesregierung unser Sozialstaatsprinzip des Förderns und Forderns infrage gestellt“, sagte Pöttering. „Es muss doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass diejenigen, die arbeiten, mehr Geld haben müssen als jene, die Hilfen vom Staat in Anspruch nehmen.“ Zu Jahresbeginn 2024 war das Bürgergeld um zwölf Prozent erhöht worden. Je nach Höhe des Wohnkostenzuschusses kann eine vierköpfige Familie im Bürgergeldbezug über 3500 Euro im Monat erhalten.

Deutsche Gewerkschaftsbund sieht die Schuld bei den Unternehmen

Behördenleiter Schüßler weist den Vorwurf zurück: „Fördern und Fordern gilt weiterhin, und dazu gehört auch das Aussprechen von Sanktionen. Das betrifft aber nur sehr wenige Kunden.“ Man dürfe nicht alle anderen stigmatisieren durch pauschale Vorwürfe. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Schuld ohnehin bei den Unternehmen: „Bürgergeldempfänger unter Generalverdacht zu stellen, hilft nicht weiter. Die allermeisten Langzeitarbeitslosen wollen arbeiten, bekommen aber keine faire Chance“, sagte die Landesvorsitzende, Anja Weber. Man brauche mehr Anstrengungen von Politik und Unternehmen, die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren. Ein Fünftel der Bürgergeld-Bezieher arbeite auch. „Wer sich über hohe Sozialkosten aufregt, sollte Unternehmen in die Pflicht nehmen, mehr und bessere Tariflöhne zu zahlen.“ – Die Ampelkoalition hatte noch eingesehen, dass sie die Sanktionen zu weit gelockert hatte, und sie wieder verschärft. Wer Termine öfter nicht wahrnimmt oder Jobs ablehnt, kann laut einer neuen Weisung der BA für bis zu sechs Monate zu einem Ein-Euro-Job verpflichtet werden.


Quelle: RN (DZ) vom 25. November 2024

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