Bär, Gustav

Jüdischer Wanderlehrer der Synagogenhauptgemeinde Dorsten

..... Bär

Jüdischer Lehrer Gustav Bär und seine Frau Johanna, geborene Stern

Von Wolf Stegemann – 1884 in Wennigs/Hessen bis 1952 in New York; jüdischer Wanderlehrer. – 1903 trat Gustav Bär, der mit Johanna Stern verheiratet war, die Nachfolge des Wanderlehrers Leopold Kamm an, der an der Aufgabe scheiterte, die Kinder der zerstrittenen jüdischen Untergemeinden, die in der räumlich ausgedehnten und zersplitterten Synagogenhauptgemeinde Dorsten zusammengefasst waren, zu unterrichten. Entweder weigerten sich die Eltern, ihre Kinder zum Religionsunterricht nach Dorsten zu schicken, oder sie wollten kein Schulgeld bezahlen, schon gar nicht nach Dorsten. In der Synagogenhauptgemeinde gab es 1902 noch 27 schulpflichtige und 36 noch nicht schulpflichtige Kinder. Nur drei Kinder aus Lembeck und zwei aus Wulfen erhielten Religionsunterricht. Die anderen wurden vom Unterricht fern gehalten, ein Kind bekam evangelischen Religionsunterricht.

Zum Sündenbock gestempelt

Jahrelang stand Gustav Bär im Focus der Kritik der jüdischen Gemeinden, wobei er oft für die Trennungsabsichten der Untergemeinden von der Hauptgemeinde Dorsten als Sündebock herhalten musste. So begründete die Gemeinde Buer ihren Austritt im Jahre 1913 u. a. mit einer Überbelastung des Wanderlehrers Gustav Bär. Dieser hatte die jüdischen Schulkinder in Buer, Gladbeck, Dorsten, Bottrop, Osterfeld, Horst, Vreden, Raesfeld und Gemen, wo er zu diesem Zeitpunkt wohnte, zu versorgen gehabt. Danach zog er nach Buer (heute zu Gelsenkirchen). Nach und nach kamen weitere Wanderlehrer dazu, um Gustav Bär zu unterstützen: 1913 Isaac Adler aus Hörninghausen in Hessen-Nassau, 1920 Siegmund Zodick aus Laubach in Hessen und 1934 Schlomo Ottmann aus Gladbeck, dem Bär bescheinigte, dass er ein hervorragender Methodiker und Didaktiker im Neuhebräischen sei.
Gegen die Fortzahlung des Lehrergehalts innerhalb der verkleinerten Hauptgemeinde Dorsten protestierte auch die Untergemeinde Gladbeck im Jahre 1925. Sie argumentierten, dass der Lehrer Bär von der Hauptgemeinde Dorsten auf Lebenszeit angestellt worden war und sie, die Untergemeinden das bezahlen müssten. Daher sollten sie die gleichen Vorteile haben wie Dorsten. Da Buer ausgetreten sei, seien die übrigen Gemeinden wegen der schlechten Wirtschaftslage nicht mehr in der Lage, der Hauptgemeinde anzugehören.

Ab 1932 im Ruhestand

Da zu dieser Zeit der Lehrer Bär seinen Wohnsitz in Buer hatte, genoss die dortige Gemeinde „die Wohltaten eines geordneten Gottesdienstes das ganze Jahr hindurch“. Auch die Untergemeinde Horst/Emscher protestierte, deren zwei Kinder von Bär unterrichtet wurden. Dafür musste die jüdische Gemeinde 920 Mark an die Hauptgemeinde Dorsten bezahlen. Die Gemeinden wollten auf diese Weise ihren Lehrer Gustav Bär loswerden, da er ihnen zu teuer wurde. Sein Gehalt betrug jährlich 7.000 Goldmark zzgl. Reisekosten. Da die Gemeinden einen Schächter brauchten, aber keinen hatten, monierten sie, dass Gustav Bär einen solchen Kursus gar nicht mitgemacht hatte, und das Schächtritual nicht durchführen konnte. Außerdem wurde darüber geklagt, dass Bär wegen seines fortgeschrittenen Alters, er war aber erst um die 40 Jahre alt, seinen Unterricht in den weit verstreuten Gemeinden nicht mehr regelmäßig versehen hätte. Obschon während der virulenten Auseinandersetzungen des Jahres 1925 immer wieder von der „voraussehenden Pensionierung“ Gustav Bärs gesprochen wurde, blieb dieser, inzwischen zum „Rector“ avanciert, bis 1932 im Amt. Bär war 29 Jahre lang Lehrer der jüdischen Gemeinden. Bei seiner offiziellen Verabschiedung wurde der Pensionär mit einer überschwänglichen Rede gelobt. Im gleichen Jahr wurde die Synagogenhauptgemeinde Dorsten aufgelöst.

Noch rechtzeitig in die USA ausgereist

In nationalsozialistischer Zeit verhalf er in Gelsenkirchen etlichen jüdischen Familien zur Flucht, bevor er 1938 selbst in die USA ausreiste. Er starb 1952 in New York. Nach Gustav Bär ist in Gelsenkirchen-Buer der Platz vor dem heutigen Mahnmal benannt. Das Mahnmal wurde am 12. November 1992 im Beisein der aus den USA angereisten Tochter Gustav Bärs enthüllt.


Quellen:
Johanne Eichmann „Wanderlehrer unterrichteten jüdische Kinder – Schulwesen der Synagogenhauptgemeinde von 1893-1832 (III) in Stegemann/Eichmann „Juden in Dorsten und in der Herrlichkeit Lembeck“, 1989. – Gelsenzentrum, Portal für Stadt- und  Zeitgeschichte (2012).

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