Arenbergische Regierung betrachtete die Blätter stets mit großem Argwohn
Von Wolf Stegemann – Die erste Zeitung im Vest war der in Dorsten im Januar 1804 erschienene „Der Argus. Von politischen, gemeinnützigen und gelehrten Sachen“, den der Dorstener Buchbinder und Buchhändler Carl August Schüerholz (1775 bis 1832) herausgegeben hatte.
Das Blatt umfasste acht Seiten im Format von 17 x 10 cm. Jede zweite Ausgabe hatte eine vierseitige Beilage, die anfänglich mittwochs, dann samstags erschien. Der Jahrgang kostete dreieinhalb Reichstaler klevischer Währung. Dem Verlag gehörte u. a. noch de Weldige-Cremer an. Erster Schriftleiter war der Legal-Advokat de Bruyn aus Dorsten. Nach kurzer Zeit schied er wegen Unverträglichkeit der beiden Berufe aus. Nachfolger wurde Kandidat Berendt aus Gahlen, dessen Programm lautete: „Strenge Unparteilichkeit, Wahrheitsliebe verbunden mit bescheidener Freymütigkeit, sorgfältigste Auswahl des Wissenswürdigsten aus den Gebieten der neuesten Zeitgeschichte.“ Schon im zweiten Monat des Erscheinens warf ihm der Landesherr Herzog Prosper von Arenberg „Preßmißbrauch“ vor und verwarnte Schüerholz mit dem Entzug der Lizenz im Wiederholungsfall. Die herzoglich-arenbergische Regierung betrachtete den „Argus“ stets mit Argwohn und Missfallen und zitierte den Verleger mehrmals vor das Dorstener Gericht.
1804 wurde das Format auf 24 x 19 cm vergrößert und die Zeitung erschien dreimal wöchentlich mit je vier Seiten. Die Postlinien besorgten die Beförderung. Als die Zensurbestimmungen nochmals verschärft wurden, versuchte Schüerholz die Regeln zu umgehen. Ab 1805 nannte er das Blatt eine zeitlang „Der Argus. Kriegs- und Staatssachen“.
Zuerst verdarb es sich Schüerholz mit den Generälen, dann mit dem Adel und schließlich mit den Franzosen. Der „Argus“ kommentierte furchtlos kritisch gegen Obrigkeiten, ob in Paris, Münster, Recklinghausen, Berlin oder Moskau. Allerdings blieb die arenbergische Regierung gegenüber dem 30-jährigen Schüerholz langmütig. Fühlbar wurde die Strafe erst, als Schüerholz am 4. April 1808 wegen Weglassung einiger Titel des Landesherrn sechs Goldgulden zahlen musste. Ende 1808 hatte der „Argus“ über 1.000 Abonnenten in ganz Deutschland. Als das Blatt von der Niederlage der bayerisch-französischen Truppen im Tiroler Aufstand Andreas Hofers berichtete, sollte die Druckerei polizeilich geschlossen und der Schriftleiter verhaftet werden. Stattdessen wurde der „Argus“ lediglich in vielen Landesteilen verboten und die Beförderung mit der Post im Mai 1809 untersagt. Die Zollgrenzen, die Napoleon 1809 von Rees am Rhein bis Bremen aufrichtete, verliefen bei Dorsten über die Lippe. Sie nahmen Schüerholz die Möglichkeit, die Zeitung zu seinen Abnehmern gelangen zu lassen. Daher stellte Schüerholz den „Argus“ ein.
„Der Zuschauer“
1809 nannte Schüerholz das Blatt „Der Zuschauer. Herzoglich-Arenbergisches Intelligenzblatt. Mit gnädigster Freyheit“, danach, als Dorsten zum Großherzogtum Berg gehörte, im Untertitel „Großherzoglich-Bergisches Intelligenzblatt mit gnädigster Freyheit“, ab 1812 genügte ihm der Zusatz „Dorstener Intelligenzblatt. Mit allergnädigster Freyheit“.
Nach anfänglich harter Zensur und Verboten durch die Franzosen überlebte der „Zuschauer“ die Franzosenzeit. Schüerholz‘ neue Obrigkeit waren nunmehr die Preußen, die dem „Zuschauer“ nichts in den Weg legten. Allerdings konnte Schüerholz im aufkommenden Anzeigengeschäft nicht Fuß fassen. 1816 stellte er die Zeitung ein, ließ 1820 den „Argus“ wieder kurz aufleben, bis Schüerholz zwei Jahre später endgültig aufgab und der verdienstvolle und unermüdliche Zeitungs-Pionier, der dem Dorstener Stadtrat angehörte, vom Schauplatz der öffentlichen Meinung im Kreis Recklinghausen endgültig zurücktrat.
Weder der „Argus“ noch „Der Zuschauer“ waren so genannte Intelligenzblätter, auch wenn diese Bezeichnung beim „Zuschauer“ im Titel stand. Die meisten Wochenblätter der westfälischen Presse waren bis 1848 Intelligenzblätter, die moralisierende und schöngeistige Inhalte hatten. Weder der „Argus“ noch der „Zuschauer“ hatten diese Inhalte und stellten somit eine Ausnahme dar. Schüerholz wollte Sprachrohr der Meinung des Volkes sein, was ihm einerseits Leser brachte, andererseits aber auch den Unwillen der Behörden, gegen die er letztlich nicht ankommen konnte. Das Schmähwort des französischen Staatsrates „miserable feuille“ war für Schürholz ein Ehrentitel. Und wenn Schürholz seine Zeitung 1822 endgültig einstellte, so waren Gründe letztlich in der scharfen obrigkeitlichen Zensur zu sehen, die Schüerholzens fortschrittliche Pressearbeit stets gehemmt hatte (siehe Medien, siehe Schüerholz, Carl August).