Handelsweg, Militärstraße, Postweg und Ausbau durch die Preußen
Eine der bekanntesten historischen Straßen in Dorsten ist der Alte Postweg, dem man das heute nicht mehr ansieht, zumal in Dorstener Stadtgebiet der Alte Postweg nur noch teilweise historisch verläuft, weil die Stadt mehrmals ohne Rücksicht auf die Historie der Straße sie mehrmals in Teilstrecken umbenannt hat, so dass eigentlich nur noch der Name an die historische Straße erinnert. Der heutige Alte Postweg führt von der Gahlener Straße weg und mündet ein in die Clemens-August-Straße, die teilweise parallel verläuft, dann aber einen Knick macht. Die heutige Clemens-August-Straße hieß bis 1951 Alter Postweg. Heute liegt am Alten Postweg das Amtsgericht und es zweigen die Uhlandstraße, Goethestraße, Katharinenstraße u. a. ab. Auch überquert der Alte Postweg den Schölzbach. – Der Alte Postweg soll eine vorgeschichtliche Fernhandelsstraße, eine Römerstraße, eine mittelalterliche Heer- und Handelsstraße sowie, was der Name sagt, eine Poststraße gewesen sein. Bislang sind nur wenige Artefakte gefunden worden, die mit der Historie diese Straße zusammenhängen: verlorene Bernsteinknollen und Metalle der bronzezeitlichen Metallhändler, die verlorene Sandale eines römischen Legionärs, das Wagenrad eines hansischen Frachtwagens und eine verlorene Donnerbüchse eines Soldatentrupps. Lediglich die Straße als Poststraße unterliegt keinem Zweifel mehr.
Theorien über die frühe Nutzung als Handelsweg
Die Straße hat, wie gesagt, Geschichte. Tourneau schreibt in seiner Chronik zum Alten Postweg folgendes: „Landstraße von Dorsten auf Starkradt, Länge 2.820 Ruthen, führt durch Eckels, Hardinghausen, Holthausen. Zustand: bei sandigem, mitunter sumpfigen Boden schlecht. Bemerkungen: Diese Straße führt beinahe auf ihrer ganzen Länge im Kirchspiel Kirchhellen durch Heide hinter den nebengedachten Bauerschaften und wird daher nur von wenigen Eingesessenen selbst benutzt und nur für die Post dient sie beinahe ausschließlich; sie hat demnach für das Kirchspiel fast gar keinen Werth und dennoch ist daßselbe zur Unterhaltung gezwungen, wofür es ein Wegegeld von durchschnittlich 25 rt. bezieht. Es ist verschiedentlich gebeten, die Post über die Straße ad 2 (Dorsten, Kirchhellen, Bottrop, die heutige L 623, d. V) zu führen, bisher aber ohne Erfolg.“ Eine Bestätigung der Theorien gegen Bruns-Weczerska im Kapitel 34. Zum Verlauf der Handelsstraße Münster- Köln äußern sie sich u. a.: „Von da (Haltern, d. V) ab verlief die alte Landstraße den Stielerschen Karten von 1840 und 1850 zufolge am rechten Ufer der Lippe entlang über Lippramsdorf und westseitig an Hervest hin auf Dorsten. Weiterhin gab ihr die Wasserscheide zwischen Lippe und Emscher die Richtung über Kirchhellen auf Sterkrade und über Neumühl-Ruhrort – auf Duisburg.“
Alter Postweg auch Marschstraße der Römer
Diese bereits vorhandene Straße haben sich mit Sicherheit auch die Römer bei ihren Angriffskriegen gegen die rechtsrheinischen Germanen zunutze gemacht. Im Jahre 12 v. Chr. begann die Römer-Offensive unter Drusus und Tiberius; im Jahre 9 n. Chr. erlitt Varus bei Kalkriese die vernichtende Niederlage. Von 14 bis 16 n. Chr. führte Germanicus mehrere Rachefeldzüge, die jedoch zu keiner Eroberung auch nur eines Teils des rechtsrheinischen Germaniens führte. Die Forschung hat das Vorhandensein der Straße in römischer Zeit, die später den Namen „Alter Postweg“ erhielt, bestätigt. Dass sie von den Römern angelegt worden ist, ist unwahrscheinlich, da sie in Nord-Süd-Richtung verläuft. Schneider schreibt in seiner Arbeit „Local-Forschungen über die römischen Gränzwehren, Heerstraßen, Schanzen … zwischen Lippe und Ruhr“ auch über die von ihm als Nr. 2 bezeichnete römische Heerstraße: Diese hat, von Xanten kommend, bei Schermbeck die Lippe überschritten, die „…sich am Fuße der Hardt vorbei, wo noch mehrere Grabhügel liegen, bis zur Kirchheller Heide“ fortsetzt, „wo die Straße in die Provinz Westfalen eintritt.“ Das ist der Alte Postweg in römischer Zeit. Dickmann zitiert P. Clemens: „Die von Betera (Xanten) auf Schermbeck führende große Heerstraße setzte südlich vom Hofe Grünewald (etwa 1 km östlich des Bahnhofs Schermbeck), … westlich von Dorsten, wo in den 1890er-Jahren noch Balkenköpfe einer alten Brücke, wahrscheinlich der im Jahre 11 vor Zeitenwende erbauten Drususbrücke, zu sehen waren, über die Lippe, geht am Schafkamp und am Fuße der Hardt vorbei, um dann fast nordsüdwärts bei Heisterkamp in die Kirchhellener Heide einzumünden.“ Auch Cassius Dio, römischer Historiker griechischer Abstammung, ca. 150 bis 200 n. Chr., weiß vom Bestehen einer Brücke. Er schreibt nämlich: „Mit Frühlingsanfang aber brach er (Drusus) wieder zum Kriege auf, überschritt den Rhein und unterwarf die Usipeter, schlug eine Brücke über die Lippe und fiel in das Land der Sugambrer ein.“
Als Handelsstraße der Hanse machte die Straße die Kaufleute reich
Der „Alte Postweg“ war aber nicht nur eine Militärstraße, sondern auch eine Handelsstraße der Hanse ab dem 14. Jahrhundert. Als kleine Hansestadt gehörte Dorsten zur dieser Kaufmannsgenossenschaft. Daher darf angenommen werden, dass Frachtwagen über den „Alten Postweg“ Güter nach Nord und Süd, nach Ost und West, vornehmlich in den osteuropäischen Raum brachtn.
Reitende Post zwischen Köln und Münster gab der Straße den Namen
Der „Jäger von Soest“ (Simplizius Simplizissimus von GrimmeIshausen) schreibt, dass er „einstmals mit 25 Feuerröhren nicht weit von Dorsten … einem Convoy mit etlichen Fuhrleuten“ aufgelauert habe. Dass dieser genannte Tatort mit dem Alten Postweg identisch ist, dürfte als sicher gelten. Im Dreißigjährigen Krieg mögen viele Herren, marodierende Soldaten auf dem Alten Postweg entlang gezogen sein. In der Nähe des Alten Postweges, unweit der Siechenkapelle in Dorsten hat der Menschenfresser Franz Wahmann gelebt, der 1699 in Dorsten nach einer mittelalterlichen Methode hingerichtet wurde. Ihm wurden durch Flechten auf das Rad zuerst die Glieder gebrochen und dann sein Körper von vier Pferden an seinen Gliedmaßen auseinandergerissen.
Die Straße hatte, wie ihr Name sagt, auch die Funktion einer Poststraße. Münstersche Beamte und reitende Postboten benutzten die Strecke von Münster nach Köln über Dülmen, Dorsten, Duisburg, Düsseldorf bereits ab 1554 regelmäßig. Reisekostenabrechnungen im Landesarchiv Münster geben darüber Auskunft. Kölner Sendboten haben nachweislich diese Straße bereits 1553 benutzt, als sie den Hansetag in Lübeck besuchten. 1649 bereiste Kardinal Fabio Chigi, der spätere Papst Alexander VII., mit der „Fahrenden Post“ auf seiner Fahrt von Münster nach Aachen den Alten Postweg. Dabei passierte er auch Dorsten, wo er ächtigte. Der Kardinal Chigi, der in Münster den „Westfälischen Frieden“ mit aushandelte, schrieb über seine Reise von Münster nach Wesel Tagebuch. 1763 hat der Vestische Postmeister Rive aus Dorsten „mit einigen blasenden Postillionen und einer Eskadron Dörstenschen Schützen“ den Fürstbischof Clemens August an der Station Blotekamp (heute Blotekamp/Wienert) auf seiner Fahrt nach Münster empfangen. Der gegenüber liegende alte Ziehbrunnen weist in der steinernen Einfassung die Jahreszahl 1723 auf.
Goethe befuhr den Alten Postweg 1796 von Düsseldorf nach Münster
Goethe passierte den Alten Postweg in der Postkutsche am 6. Dezember 1792. Er hatte an der missglückten alliierten „Campagne in Frankreich“ teilgenommen, hatte Jacobi (Friedrich Wilhelm Jacobi, Philosoph, 1743-1819) in Düsseldorf besucht und war auf dem Wege nach Münster zu der schöngeistigen Fürstin von Gallitzin und ihrem Kreis. Der Alte Postweg ist ihm in unguter Erinnerung geblieben. Denn er schreibt: „Ich sollte … bei schrecklichem Weg und Wetter mich wieder in die wilde wüste Welt hinauswagen …, denn auf der Fahrt von mancherlei Hindernissen aufgehalten, gelangte ich erst tief in der Nacht zur Stadt“. In Dorsten musste er einen Aufenthalt einlegen, während seine Kutsche geschmiert wurde. Er saß am Markt an einem Brunnen und trank für 28 Stüber Rotwein. Sein mitreisender Kammerdiener führte darüber penibel Buch. Der Dorstener „Goethe-Stammtisch erinnert im Jahr 2000 mit einer Bronzetafel an dem Brunnen über Goethes Aufenthalt. – Eine regelmäßige Personenpost wird seit 1665 vermutet, die nach zeitweiliger Unterbrechung 1679 wieder eingerichtet wurde. 1832 hat man die alte Route, den Alten Postweg, verlassen und die Straße Dorsten-Bottrop, die heutige L 623, die durch das Dorf Kirchhellen führte, benutzt. Ausgebaut wurde die neue Poststraße allerdings erst 1846/47.
Wasserlöcher, Flickwerk, Pfützen – Goethe: „Ein schrecklicher Weg“
Der Alte Postweg war trotz seiner mannigfachen Benutzung nicht gerade gut ausgebaut. Goethe sprach von einem „schrecklichen Weg“. Der Straße fehlte, wie vielen Straßen jener Zeit, ein befestigter Unterbau. Pfützen, tiefe Wasserlöcher, Sumpflöcher, mangelnde Vorflut, tiefer Sand, mangelhafte Brücken, Reparaturen nur Flickwerk mit Reisig, Erde, Lehm. Das waren Anlässe zu stetem Ärger und andauerndem Streit mit dem Wegekommissar. In einem Schreiben an den Kurfürsten von 1741 wurde der Alte Postweg zur „Winderzeit“ als „nicht passabel“ bezeichnet. 1778 erklärt der zuständige Postmeister, dass „wegen gänzlichen Verfall dreyer auf dem Postweg und der Seiken Heide ohnweit der Stadt Dorsten belegenen Brücken erbermlich geklaget werde“.
Siehe auch: Goethetafel
Siehe auch: Fabio Chigi
Siehe auch: Straßennamen Dorsten
Siehe auch: Patriotische Straßen (I-VI)
Siehe auch: Wahmann, Menschenfresser
Siehe auch: Straßen
Siehe auch: Straßennamen
Siehe auch: Straßenbeleuchtung
Siehe auch: Alte Straßen
Quelle: Nr. 18 Der Schriftenreihe des Vereins für Orts- und Heimatkunde Kirchhellen