Schulen in Asien, Afrika und eine Universität für Indianer in Südamerika
Von Wolf Stegemann – Die 1984 von dem Verleger Franz-Josef Kuhn (Spectra-Verlag) in Dorsten-Wulfen gegründete „abc-Gesellschaft zur Förderung des Lesen- und Schreibenlernens in der 3. Welt e. V.“ hat unter dem Motto „Lernen ist Leben – Bildung ein Menschenrecht“ drei Hauptaufgaben: Schulbau, Lehrer-Wanderakademien, Erwachsenenalphabetisierung. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben Kuhn der damalige Schulleiter Reichert (Lünen-Brambauer), Eva-Marie Clasen (Dorsten), Klaus Hermann (Unna), Erika Potthoff (Reken), Christel Requena (Raesfeld) und Annette Theis (Essen). Die Gesellschaft fördert/e vor allem in Ecuador und Nepal sowie in den letzten Jahren in Afrika den Bau von Schulen. So konnte 1995 in Tenta (Ecuador) ein Schulzentrum mit Kita, Primar- und Sekundarschule sowie Werkstätten errichtet werden, für die Saraguro-Indianer 2001 die erste Indianer-Universität von Südamerika mit sieben Fakultäten, in Nepal eine Grundschule, auf Sri Lanka ein Schulzentrum mit Kindergarten und ein Lehrerfortbildungszentrum, in Afrika zwei Primarschulen in Malawi (mit Lehrerhäusern und Brunnen) errichtet und mit Lehrmitteln ausgestattet werden. Auch richtete die abc-Gesellschaft ein Netz so genannter Lehrerakademien ein, in denen Indianer zu Lehrern ausgebildet werden, die dann selbst andere zu Lehrern ausbilden. In Quito (Ecuador) betreut die abc-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Unicef Straßenkinder und baute in Malawi (Afrika) Schulen. Insgesamt errichtete die abc-Gesellschaft bislang 22 Schulen (Stand 2018). 2005 verlieh die Gesellschaft den Preis Award of Change an den Wissenschaftler Prof. Dr. Conrady und den Journalisten Wolf Stegemann für dessen Lebenswerk.
Erwachsene Analphabeten nicht wie unmündige Kinder behandeln
Die Alphabetisierung ist der Weg, den Teufelskreis von Unwissenheit, Armut, Hunger, Krankheit und Kindersterblichkeit zu durchbrechen. Wie kann man seine Rechte bewahren und vertreten, wie beruflich weiterkommen, wie teilnehmen an gesellschaftlichen Prozessen, seine Kinder gesund erhalten, ernähren und fördern, wenn man die Techniken des Lesens und Schreibens nicht beherrscht? Die großen Alphabetisierungskampagnen sind meist daran gescheitert, dass Erwachsene wie unmündige Schulkinder behandelt wurden: sich melden und den Finger aufzeigen, aufstehen und setzen, vorsprechen und nachsprechen, anschreiben und abschreiben – das wurde den Erwachsenen nicht gerecht. Man ließ außer Acht, dass es sich um lebenstüchtige, kompetente Menschen handelte, die können, was wir nicht können, um unter schwierigsten Umständen zu überleben. Dementsprechend war die Abbrecherquote sehr hoch. Nach einem Pilotprojekt im Iran, lange vor Gründung der abc-Gesellschaft und einer Zeit des Suchens und Versuchens in mehreren Ländern Lateinamerikas, kam es zu einem Gespräch mit Paolo Freire, dem brasilianischen „Pädagogen der Befreiung“, der den Bewusstmachungsprozess als Voraussetzung für die Erwachsenen-Alphabetisierung nutzte. Franz-Josef Kuhn hat diese Grundidee übernommen und eine Methodologie und die entsprechenden Materialien der „Bilderdiskussion“ entwickelt. Hinzugefügt wurden Materialien für die in romanischen Ländern spielerisch einsetzbare Silbenfamilienmethode. Für die Bilderdiskussion werden Fotos oder Zeichnungen aus der Umwelt der Lernenden als Poster gedruckt und in großen Aufstellern zusammengefasst. Die Themen sind Wasser, Strom, Kleidung, Gesundheit, Kindersterblichkeit, Ernährung, Beruf, Landwirtschaft, Vermarktung, Bildung, Traditionen etc.
Durch diese Poster werden Diskussionen ausgelöst über alles, was die Menschen dort bewegt und bedrängt. Sie wurden Motivation für die Lernbereitschaft und dienten als Triebfelder für die Veränderung der Lebensumstände des Einzelnen und der Dorfgemeinschaften. Aus der Diskussion wird ein bedeutsamer Satz genommen, aus diesem ein „generatives Wort“ herausgelöst und in seine Silbenfamilien zerlegt. D. h. an die jeweiligen Silben werden immer alle Vokale drangehängt und daraus so viele neue Wörter gebildet, wie möglich. So kann man leicht aus dem Wort „Casa“ (Haus) 30 bis 35 neue Wörter bilden.
Abertausende bebilderter Lernhefte gedruckt
Die abc-Gesellschaft hat neben den regionalen Diskussionspostern und den Materialien für die Silbenfamilien tausende und abertausende passender, bebilderter Lernhefte in den Indianersprachen Quechua, Aymara, Guarani und natürlich Spanisch produziert. Sie wurden in großen, erfolgreichen Kampagnen in Bolivien und Ecuador, zum Teil auch in Peru eingesetzt. Tausende von Frauen und Männern haben damit Lesen und Schreiben gelernt.
Bis 2019 allein in Malawi 14 Schulen gebaut – drei weitere in Planung
2008 war Franz-Josef Kuhn zum ersten Mal in einem der ärmsten Länder der Welt im Südosten Afrikas, in Malawi. In Chikhosi hatten Dorfbewohner versucht, eine Schule zu bauen. Ohne Geld und fremde Hilfe. Kuhn versprach Hilfe, sammelte Geld und finanzierte die erste abc-Schule in Malawi. Der Anfang auch in diesem Entwicklungsland war gemacht. 2010 wurde im Distrikt Dedza die 3. Schule, die die abc-Gesellschaft für 56.000 US-Dollar in Afrika baute, eingeweiht. Die Sekundar-Schule für rund 320 Schüler heißt nach dem Namen des Flusses „Makota Secondary-abc-School“, hat vier Klassenräume für die Schuljahre 9 bis 12, eine Bibliothek, ein Lehrer- und Schulleiterzimmer und zwei Toilettenhäuschen. Das Land NRW hat der abc-Gesellschaft für den Bau dieser Schule einen Zuschuss von 17.000 Euro gewährt. Oft sind die dortigen Lehrer mit der Kinderflut überfordert, denn statt der berechneten 320 Schüler sind es jetzt 790 (Stand Ende 2013). Der Bau weiterer Schulen und Kindergärten in Malawi durch die abc-Gesellschaft geht stetig weiter. Bis heute hat die abc-Gesellschaft in Malawi 13 Schulen für fast 3.000 Schüler gebaut. Dazu kommen 20 Lehrerhäuser, Brunnen, Wasserleitungen, Solardächer, Stromanschlüsse u. ä. (Stand 2018). Im Januar 2019 haben der malawische Außenminister Emmanuel Fabiano und der deutsche Botschafter Jürgen Borsch die abc-Primarschule in Ntonda im Süden von Malawi feierlich eingeweiht. 2019 sollen noch vier weitere Schulen hinzukommen. Dann hat die abc-Gesellschaft insgesamt 26 Schulen gebaut, 17 davon in Malawi.
Die Unterstützung vieler Menschen und Unternehmen ist notwendig
Zur Finanzierung dieser aufwändigen Schulprojekte mit derzeitigem Schwerpunkt in Afrika ist die abc-Gesellschaft, ihr Präsident Franz-Josef Kuhn und die vielen ehrenamtlichen Helfer auf die Hilfe vieler angewiesen: Schüler mit Sponsorenläufen, Eltern und Lehrer mit Schulfesten, Studenten der FH Köln mit Bücherbörsen, Künstler mit Benefizkonzerten und Aufführungen, Sammlungen bei Geburtstagen und Familienfesten, Belegschaften sammelten bei Betriebsausflügen und zu Weihnachten, Paten übernahmen Schulgeld für Waisen. Firmen, private Spender und das Land NRW helfen auch. Dank dieser Hilfen kann die abc-Gesellschaft ihre Projekte und weitere Aktionen aufrecht erhalten und neue realisieren: Flüchtlingslager im Kosovo werden mit didaktischen Materialien ausgerüstet und Lehrerausbildung in den Lagern durchgeführt. Zum Thema Frieden entwickelt die Gesellschaft didaktisches Material für viele Schulen im Münsterland und regt zu Friedensaktionen an. Für Mütter in Südamerika wurde Informationsmaterial zu den Themen Schwangerschaft, Geburt, Ernährung, Gesundheit, Hygiene, Verhütung u. a. entwickelt und verteilt, ebenso didaktische Materialien zum Thema Umwelt und Ressourcen für das Umwelt-Ministerium in Bolivien. In La Paz betreut und unterstützt die abc-Gesellschaft ein Waisenhaus, wo auch ein „Pädagogisches Museum“ gegründet wurde.
Siehe auch: abc-Gesellschaft II
Siehe auch: Spektra-Verlag
Siehe auch: Franz-Josef Kuhn
Siehe auch: Erika Reichert-Maja
Spendenkonto:
Sparkasse Vest in Dorsten, IBAN DE86 4265 0150 0070 0130 08. Die abc-Gesellschaft ist als förderungswürdig anerkannt und kann Spendenquittungen ausstellen.