Jüdischer Kaufmann hatte für kurze Zeit ein Geschäft in Holsterhausen
Geburtsjahr unbekannt, 1942 deportiert und in Riga ermordet; Kaufmann. – Ab 1930 betrieb Ferdinand Abraham im Haus Borkener Straße 181 in Holsterhausen ein Manufakturwarengeschäft. Seine Frau Anna hatte ein eigenes Geschäft im Hause Borkener Straße 147, das sie am 1. März auf den Namen ihres Mannes ummeldete. In Holsterhausen waren sie vermutlich die einzigen Juden, die allerdings nur bis 1935 hier gemeldet waren. Dann zogen sie nach Herten zurück. Weitere Informationen geben die Dorstener Archivbefunde nicht her. Die 2008 verstorbene frühere Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning, die in Holsterhausen aufwuchs, kannte als Kind das Geschäft der Abrahams an der Borkener Straße. In ihren unveröffentlichten Memoiren berichtet sie darüber (Auszug abgedruckt im 2. Band „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“):
Trotz allem [gemeint die Verfolgung in der NS-Zeit] haben die Juden ihren sprichwörtlichen Humor nicht verloren. Jude Abraham hatte ein Kassenbuch mit Soll und Haben, wie es sich gehörte. Eines Tages kam ein SA-Mann, um das Kassenbuch zu prüfen. Er bemerkte auf jeder Seite der letzten Eintragung unten Anmerkungen wie zum Beispiel „Gott erhalte Heinrich Himmler“, auf der nächsten Seite zum Tagesabschluss jeweils eine andere Nazi-Größe: „Gott erhalte Hermann Göring!“, „Gott erhalte Franz von Papen“, „Gott erhalte Josef Goebbels“, „Gotte erhalte Adolf Hitler“ usw. Der SA-Mann war beeindruckt, schloss das Kassenbuch und sagte zu Abraham, das sei sehr löblich, er habe also gelernt. Als der SA-Mann das Geschäft verlassen hatte, war Abraham sehr erleichtert. Den nächste Tagesabschluss beendete Abraham mit dem Satz „Gott erhalte Röhm“, auf der nächsten Seite stand dann: „bereits erhalten am …“
Bevor Ferdinand Abraham nach Holsterhausen zog, wohnte er in Herten, wo er 1906 in der Ewaldstraße 18 vermutlich mit seinem Bruder Joseph ein Geschäft für Manufaktur- und Kurzwaren sowie Herrengarderobe eröffnete, denn das Geschäft hieß „Gebrüder Abraham“. Im selben Jahr heiratete er Anna Löwenthal. Die Mutter der beiden Brüder, Hannchen Abraham, geborene Pander, zog 1920 ebenfalls in dieses Haus und starb dort 1927. Ferdinands Bruder Joseph starb 1929. Nach einem Totalräumungsverkauf im Oktober 1928 infolge der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage (Weltwirtschaftskrise) schloss das Geschäft 1930. In die Hertener Geschäftsräume zog der Kaufmann Jacob Feuerstein. Das Ehepaar Abraham ging nach Holsterhausen, lebte aber ab dem 2. September 1935 wieder in Herten. Hier wurde Ferdinand Abraham in Pantoffeln von SA-Leuten durch die Ewaldstraße geschleift mit dem Spruch um den Hals: „Ich bin der Jude Abraham, betrüge alle Leute.“
Nach Riga deportiert und dort erschossen
Nach der Pogromnacht 1938 wurden die Abrahams gezwungen, ihr Haus zu „arisieren“, was einer Enteignung gleichkam. Sie behielten nicht einmal ein Wohnrecht, sondern wurden zwangsweise bei der Familie Mendlicki in der Marktstraße 38 in Herten untergebracht. 1941 musste das Ehepaar in die Baracke in Scherlebeck, an der Stadtgrenze zu Recklinghausen „umziehen“, wo es u. a. zusammen mit den Mendlickis bis zum 22. oder 23. Januar 1942 lebte. Von dort wurden alle zusammen mit etwa 1.200 Menschen am 27. Januar 1942 mit dem Zug nach Riga deportiert, wo sie vermutlich im Mai 1942 erschossen wurden. Am Haus in der Ewaldraße 18 in Herten ist eine Gedenkplatte angebracht, die auf das Schicksal des Ehepaares hinweist: „1933 – 1945 / Hier war das jüdische / Geschäft Abraham. / Ferdinand und Anna wurden 1942 in Riga ermordet.“
Quellen:
Wolf Stegemann/Johanna Eichmann „Juden in Dorsten und in der Herrlichkeit Lembeck“, Dorsten 1989. – Wolf Stegemann „Kaum jüdische Bürger in Holsterhausen“ in „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“, Band 1, 2007. – Ders. „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“, Band 2, 2009. – Archiv der Stadt Herten.