Vestischer Künstlerbund (II)

Kutscherhaus Recklinghausen: Kunst dreht sich rund um „Küche, Diele, Bad“

Raffiniertes Spiel mit der eigenen Wahrnehmung: In der Jahresschau des Vestischen Künstlerbundes im Kutscherhaus in Recklinghausen reizen 30 Akteure das Thema mit einer Fülle von Einfällen effektvoll aus.
Erinnern man sich noch an die Toiletten in Zwischengeschossen, die Mieter mehrgeschossiger Vorkriegs-Altbauten gemeinsam nutzten? Eine eigene Toilette – das galt in den 1950er-Hagreb für manchen im Ruhrpott als purer Luxus. Und noch in den Siebzigern konnten Hotelgäste preiswerter Häuser selbst in Frankreich allenfalls in Etagenbädern duschen. Was für Zeiten einer gern verklärten Vergangenheit, in der selbst Ewiggestrige kaum mehr leben mögen. Eine eigene Toilette, ein eigenes Bad, dazu eine einladende Küche samt hübscher Diele – das gilt in unserer Zivilisation längst als selbstverständlich. Da klingt ein Thema wie „Küche, Diele, Bad“ fast schon banal. Erst recht für eine Kunstausstellung. Wieviel Hintergründiges hinter diesen Räumen alltäglicher Regeneration hervorblitzt, zeigt unter diesem Titel die Jahresschau des Vestischen Künstlerbundes im Kutscherhaus in Recklinghausen.

30 Künstler haben dazu Gedanken formuliert

Mit den Mitteln der Malerei, der Fotografie, der Objektkunst und der Installation. Durchaus mit Witz und einem Schuss Ironie. Zu den reizvollsten der bis zu drei Beiträgen je Teilnehmer zählen Arbeiten mit Trompe-l’œil-Effekt, jener Kunst der Augentäuschung, die im Barock und im Goldenen Zeitalter der Niederlande ihre Blüte erlebte. Wolfgang Sobolewski, der Preisträger der vergangenen Jahresschau zum Thema „Wärmedämmung“, hat den Fetzen eines Bad-Vorlegers so täuschend haptisch abgelichtet, als ließe sich der Flausch greifen. Ähnlich verfährt Ilse Hilpert in drei Digitaldrucken von Stoffen, wie sie in der Küche, der Diele und im Bad verwendet werden. Der thematische Dreiklang animiert zu einer Trinitas, einer profanen Dreifaltigkeit, wenn nicht gar zu Triptychen wie dreigliedrigen Altarbildern.
Birgit Richert-Lau zeigt eine Bergbau-Reminiszenz Elena Wüllner lässt in ihrem Wasch-Triptychon Wasser effektvoll sprudeln. Emmy Rindtorff zeigt Grundrisse der drei Räume als Collagen aus Stoff- und Tapetenresten. Und in Bernd Gichtbrocks analog fotografiertem, dann digital bearbeiteten, grobkörnig verschwommenen Dusch-Triptychon rückt uns jemand im Bad immer näher. Extrem reduziert setzt Petra Dota Weidemann die Raumthematik mi einem geschnürten Relief samt eingewobenem Zement-Dreieck um.

Die Malerei kommt nicht zu kurz

Der Reiz des Kargen zeichnet auch die Grundrisse in Elke Emmerts neonfarbenem „Dreiraum“ aus und Gabriele von Scheidts „Pontifex“-Rinnen aus grobem Holz und einem Innenleben aus schwarzen Fliesen. Einen Scherz erlaubt sich Udo Homeyer mit seinem „Rollentausch“ aus Küchen- und Toilettenrollen. Malerei kommt nicht zu kurz. Jaeeun Jung hat in duftig lichten Farben ein Glas Wasser auf dem Klappstuhl einer Küche in Szene gesetzt. Unter einem Datumstitel (17.7.2017) fixiert Annika Hoffmann die wechselnden Posen ihres Morgenrituals bis zum Verlassen der Wohnung in einem Bild. Fotorealistisch gemalt hat Elissa Kullmann einen Abfluss. Eine Bergbau-Reminiszenz zeigt Birgit Richert-Lau mit einer altmodischen Schürze und einem aus dem Bergbau geläufigen Handtuch über einem Bügel. Als Fotografin übt sich Beate Hagemann, die sonst Fundstücken poetischen Zauber abgewinnt, mit einer unscharf abgelichteten Teetasse. Man darf rätseln, was man auf dem Boden sieht.
Gewonnen hat die Jahresschau durch die landesweite Ausschreibung. Bei weitem nicht jeder Bewerber kam zum Zuge im Rennen um den seit langem unverändert mit bescheidenen 1500 Euro dotierten Vestischen Kunstpreis, der zur Eröffnung vergeben wird. Dann erst steht fest, wer den Preis letztendlich erhält.


Quelle: Bernd Aulich in DZ vom 26. Oktober 2024

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