2024 haben Polizisten im Dienst mehr Menschen erschossen als Jahre zuvor
Es gibt Erklärungsversuch. – Polizeibeamte haben im Dienst 2024 bereits deutlich mehr tödliche Schüsse abgegeben als in den Jahren zuvor. Nach einer Auswertung von Polizeiberichten starben seit Januar bundesweit 17 Menschen bei Schusswaffengebrauch durch die Polizei. Einer von ihnen war der 18-jährige Österreicher, der am 5. September auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München geschossen hatte, bevor er von der Polizei getötet wurde. In der Mehrheit der anderen Fällen fielen die tödlichen Schüsse in Situationen, in denen die Beamten auf Männer oder Frauen trafen, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder wegen psychischer Erkrankungen bereits in Behandlung waren. Mehrere der Menschen, die bei einem Polizeieinsatz erschossen wurden, führten Messer bei sich. Laut einer Statistik der Fachzeitschrift „Bürgerrechte & Polizei“ gab es letztmalig 1999 eine so hohe Zahl von Menschen, die von der Polizei getötet wurden. Damals starben im gesamten Jahr 19 Menschen. 2023 gab es demzufolge zehn Tote, nach elf Toten im Jahr 2022 und acht Toten im Jahr 2021.
Gewaltkriminalität nahm 2023 um 8,6 Prozent auf knapp 214.100 Fälle zu
Für Schlagzeilen sorgte in diesem Jahr unter anderem der Fall einer 31-Jährigen, die in einem Münchner Supermarkt erschossen wurde. Die Polizei teilte später mit, sie sei schon vorher auffällig geworden und dreimal von der Polizei in einer Psychiatrie untergebracht worden. Polizeibekannt sei die Münchnerin auch wegen Betäubungsmitteldelikten gewesen. Im hessischen Schwalmstadt starb eine 20-Jährige am vergangenen Donnerstag. Die Frau ohne festen Wohnsitz soll laut Polizei eine Waffe auf Polizeibeamte gerichtet haben, die einer scharfen Schusswaffe „zum Verwechseln ähnlich“ war. „Die Gewaltkriminalität in der Gesellschaft hat zugenommen“, erklärt der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, die gestiegene Zahl der Einsätze mit tödlichem Ausgang. Kriminologen sei bekannt, dass sich diese Entwicklung auch negativ auf gewaltsame Angriffe auf polizeiliche Einsatzkräfte auswirke. Vor diesem Hintergrund seien Polizistinnen und Polizisten gezwungen, „in eskalierenden Einsatzsituationen konsequent den Angriff zu unterbinden“. Die Gewaltkriminalität nahm 2023 laut Statistik um 8,6 Prozent auf knapp 214.100 Fälle zu. Sie erreichte damit den höchsten Stand seit 2007.
Wenn bewaffnet vor der Polzei, dann können tödlichen Schüsse fallen
Wenn ein Angreifer bewaffnet sei und sich womöglich mit hoher Dynamik auf die Einsatzkräfte oder Unbeteiligte zubewege, „kann es auch zu tödlichen Treffern kommen“, sagt der GdP-Vorsitzende. Kopelke betont jedoch, für die Beamten sei das „mit das Schlimmste, was ihnen widerfahren kann“. Grundsätzlich seien Polizistinnen und Polizisten zwar gut auf eskalierende Lagen vorbereitet. Allerdings sei den Beamten vor Ort im Einsatz nicht immer bekannt, ob sie es mit einem Gegenüber zu tun haben, bei dem psychische Störungen vorliegen oder eine psychische Erkrankung bekannt ist. Hier wäre eine funktionierende rasche Vernetzung zwischen allen beteiligten Behörden hilfreich. Zudem sei es notwendig, zum Beispiel in Flüchtlingsunterkünften stärker auf die psychische Gesundheit der dort lebenden Menschen zu schauen. Diese kämen teils aus Kriegsgebieten und litten womöglich unter Traumata, die ohne Behandlung irgendwann zu einem Gewaltausbruch führen könnten, hieß es von Kopelke.
Die Gewerkschaft der Polizei spricht sich zwar für einen bundesweiten Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, auch Taser genannt, aus. Ein Allheilmittel sei das aber nicht, sagt Kopelke. Oft reiche es aus, mit dem Gerät zu drohen. Dennoch gebe es immer wieder auch Situationen, in denen sowohl ein Distanz-Elektroimpulsgerät als auch eine Schusswaffe eingesetzt würden.
Siehe auch: Polizei (Artikelübersicht)
Quelle: RN (DZ) vom 30. Oktober 2024