Die Pflegelage spitzt sich zu: Pflegefälle steigen, Pflegekräfte werden knapp
Die Zahl der Pflegefälle steigt. In NRW geht in den nächsten zehn Jahren ein Fünftel der Pflegekräfte in Rente, so der DAK-Report. Schon im nächsten Jahr droht ein Beitragsschub. Viele sorgen sich um die Absicherung. Die Lage in der Pflege spitzt sich zu. Immer mehr Menschen werden pflegebedürftig, immer mehr Pflegekräfte scheiden altersbedingt aus, zugleich gibt es immer weniger, die Beiträge zahlen. „Die Personalsituation in der Pflege ist auch in NRW alarmierend und wird durch die Renteneintritte der Babyboomer vor große Herausforderungen gestellt“, sagt Klaus Overdiek, Landeschef der Krankenkasse DAK. Laut deren Pflegereport erreichen in den nächsten zehn Jahren 56.500 der 277.500 professionellen Pflegekräfte in NRW das Rentenalter. Das entspricht einer Quote von 20,4 Prozent. Dabei ist es nur ein schwacher Trost, dass dies etwas weniger ist als im Bundesschnitt mit 21,9 Prozent. Die ohnehin dünne Reserve bei Pflegekräften in NRW schmilzt von 2,8 Prozent bis 2030 auf 1,0 Prozent, heißt es in dem Report weiter.
Krankheitsbedingte Ausfälle sind hoch
„Wir stehen in Nordrhein-Westfalen vor einer Herausforderung. Trotz anderslautender Versprechen sehen wir keine Entlastung für die Pflegenden und keine Reserven für den demografischen Wandel“, mahnt Overdiek. Die krankheitsbedingten Ausfälle sind hoch: Vor allem Erkrankungen des Bewegungsapparates und psychische Belastungen seien ursächlich für durchschnittlich 52 Fehltage von Pflegekräften in der Altersgruppe ab 58 Jahren, heißt es weiter. Zum Vergleich: In anderen Berufsgruppen fehlen Ältere „nur“ 33 Tage im Jahr. „Die Zahl der Fachkräfte sinkt rapide und hat schon jetzt regionale Engpässe zur Folge. Mittelfristig wird dieser Mangel so gravierend, dass unser Pflegesystem an seine Belastungsgrenze kommt“, warnt der DAK-Landeschef. Zugleich laufen die Kosten für die gesetzliche Pflegeversicherung aus dem Ruder. Ohne Beitragserhöhung droht den Pflegekassen 2025 die Zahlungsunfähigkeit, wie unlängst bekannt wurde. Experten erwarten, dass der Beitrag um bis zu 0,3 Prozentpunkte steigen muss, um das zu verhindern. Derzeit werden 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens fällig, für Kinderlose 4,0 Prozent. „Bereits für das vierte Quartal 2024 zeichnen sich deutliche Finanzierungslücken ab, die voraussichtlich Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl erforderlich machen“, heißt es im Report.
43,4 Prozent der NRW-Bürger sorgen sich vor der Pflegebedürftigkeit
Die angespannte Finanzlage beunruhigt viele. 43,4 Prozent der NRW-Bürger machen sich Sorgen, ob sie im Fall der Pflegebedürftigkeit persönlich ausreichend finanziell abgesichert sind, wie eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts für den DAK-Pflegereport ergab. Das sind noch etwas mehr Menschen als im Bundesschnitt (42,8 Prozent). Kein Wunder, denn in Nordrhein-Westfalen sind auch die Eigenbeiträge für Pflegeheime besonders hoch: Der durchschnittliche Eigenanteil ist in NRW auf 3200 Euro gestiegen – und zwar im Monat, wie der Verband der Ersatzkassen (VdEK) im Juli mitgeteilt hat. Das sind 259 Euro mehr als im Vorjahr. Damit liegt NRW im Ländervergleich an der Spitze, was unter anderem an der höheren Tarifbindung der Heime liegt.
2024 steig in NRW die Zahl der insolventen Pflegeeinrichtungen auf 27
Die Zahl der insolventen Pflegeeinrichtungen ist auch im dritten Quartal gestiegen. Das belegen Daten von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Demnach haben im Zeitraum von Juli bis einschließlich September sieben weitere Einrichtungen dem Land gegenüber angezeigt, dass sie zahlungsunfähig sind. Drei der Einrichtungen waren stationär, bei vier Einrichtungen handelte es sich um ambulante Anbieter. Betroffen waren alle Regierungsbezirke – mit Ausnahme von Arnsberg. Im vollstationären Bereich seien dadurch im dritten Quartal 38 Pflegeplätze weggefallen. Für das Gesamtjahr stieg damit die Zahl der Insolvenzen auf insgesamt 27 und die Zahl der weggefallenen Plätze auf 130 im stationären Bereich und 46 bei teilstationären Heimen (maxi).
DAK und andere Krankenkassen fordern eine rasche Pflegereform
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits eingeräumt, dass die Beiträge steigen müssen, und eine Pflegereform angekündigt, an der man arbeite. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann fordert mehr Tempo vom Bund: „Dass Lauterbach nichts tut und damit das Vertrauen in unseren Sozialstaat aufs Spiel setzt, ist unverantwortlich“, so der CDU-Politiker. – Auf Dauer werden auch neue Versorgungsformen nötig, erwarten die Krankenkassen. Familie und Freunde sollen noch mehr anpacken. „Eine Mixtur aus nachberuflicher Erwerbstätigkeit und bürgerschaftlichem Engagement könnte vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Pflegesituation leisten“, hofft der DAK-Chef.
Quelle: RN (DZ) vom 18. Oktober 2024