Kämmerer und Bürgermeister über städtische Finanzen der nächsten Jahre
Stadtkämmerer Karsten Meyer hat im September 2024 im Stadtrat die Haushaltssituation Dorstens schonungslos benannt: „Es wird bitter.“ Der Bürgermeister zog bereits erste Schlüsse. Mit „Bittere Pille“ war die Schokolade betitelt, die Kämmerer Karsten Meyer vor seiner Haushaltsrede am Mittwoch (25.9.) im Rat an die Mitglieder ausgeben ließ. Bitterschokolade mit einem Kakaoanteil von 85 Prozent. „Das, was sie jetzt hören, was sie sehen und was sie schmecken werden, wird schlicht und ergreifend bitter sein.“
Nach aktuellem Stand wird die Stadt Dorsten im Jahr 2025 ein Minus von 26,6 Millionen Euro einfahren – lässt man die „Tricks“ weg, die das Land den Kämmerern zur Verfügung gestellt hat, damit die Haushaltssicherung und Nothaushalte noch etwas in die Zukunft geschoben werden können. Über die nächsten vier Jahre wird das Eigenkapital um 126,5 Millionen Euro sinken auf fast minus 55,5 Millionen Euro. Gleichzeitig steigen die Liquiditätskredite auf fast 180 Millionen Euro. Meyer legte die Gründe für diese finanzielle Schieflage dar, die nicht im Dorstener Handeln lägen. „Die Abwärtsspirale dreht sich dermaßen schnell, dass einem durch bloßes Zuschauen schwindelig wird.“ Meyer bemühte wie in den letzten Haushaltsreden wieder das Bild eines Ertrinkenden namens Günni: Dieser kämpfe mittlerweile bei hohem Wellengang in schwarzer Nacht ums Überleben. „Aber da ist immer noch dieser winzige Funke Hoffnung, tief in ihm, verborgen unter der Schicht aus Erschöpfung, Kälte und Verzweiflung. Vielleicht kommt die Rettung. Vielleicht auch nicht.“
Finanzielle Zukunft lassen den Bürgermeister nicht ruhig schlafen
Bürgermeister Tobias Stockhoff sagte, dass die Aussichten ihn als Bürgermeister nicht ruhig schlafen lassen. „Das sage ich nicht nur als Bürgermeister, das sage ich ganz bewusst auch als werdender Vater, der seinem Kind keinen Schuldenberg ohne jeden Gegenwert hinterlassen möchte.“ Jeder im Land, auch er, lebe über seinen Verhältnissen: „ökologisch, ökonomisch wie sozial“. „Wir verhalten uns unverantwortlich den nachfolgenden Generationen gegenüber – nicht nur gesamtstaatlich und politisch, auch persönlich.“ Wer werde zukünftig die Alten pflegen? Wie wolle man in 20 Jahren stetig zunehmende Starkregen- und Dürrekatastrophen meistern und finanzieren? Wer habe eine Antwort, wie man steigende Schulden zurückbezahlen oder Rentenbeiträge in 20 oder 30 Jahren stemmen könne? Stattdessen werde über 35-Tage-Woche, Altersteilzeit oder die Auflockerung der Schuldenbremse gesprochen, während viele den Klimaschutz nur als staatlich Aufgabe betrachteten und auf Fördermittel hofften.
Problemlöser werden
Stockhoff bemängelte ein „fehlendes Verständnis für die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, indem man nur die ökologische, nur die ökonomische oder nur die soziale Dimension als Bewertungsgrundlage moralisch bei der Abwägung zulässt“. Stockhoff appellierte: „Wir selbst, wir, die Bürgerinnen und Bürger, müssen wieder zu den Problemlöserinnen und Problemlösern werden!“ Die erste Frage müsse immer lauten, ob man ein Problem selbst oder mithilfe von Familie, Nachbarschaft oder Verein lösen könne. Konkret schlug Stockhoff unter anderem auch ein „New Normal“ vor: die pflichtgemäße Erfüllung von Aufgaben und da, „wo es verantwortbar ist, akzeptieren, dass die Fehlerquote steigen wird. Die letzten 5 Prozent beim Arbeitsergebnis kosten die meiste Energie“. Außerdem: Keine Verschwendung von Ressourcen auf Nebenkriegsschauplätze, etwa bei Klimaschutz- oder Bauprojekten. Man müsse dort nun „die berühmten Meter machen“ und könne sich nicht um die letzten drei oder fünf Prozent kümmern.
Arbeitsprogramm im Rathaus müsse realistisch an Ressourcen orientiert
Bei Beschlüssen müsse man darauf achten, dass die Folgekosten und der Personaleinsatz möglichst minimal seien. Und bei „jeder Forderung, egal woher sie kommt, prüfen: Ist sie zwingend notwendig, sinnvoll und ressourcensparend oder nur wünschenswert?“ Danach müsse priorisiert werden. Das Arbeitsprogramm im Rathaus müsse realistisch an Ressourcen orientiert werden und „nicht an dem, was wünschenswert wäre“.
Siehe auch: Städt. Haushalt (Artikelübersicht)