2024 rund 200 Präparate auf der „Defektliste“ – auch in Dorstener Apotheken
Rund 20.000 Artikel hält Silke Feldkamp in der Dorstener Schölzbach-Apotheke vor. Mehrfach täglich wird sie beliefert, trotzdem gibt es dramatische Engpässe. Wir haben sogar all ihre Medikamente vorrätig“, sagt eine Pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) freudestrahlend dem Patienten, als er seine Tabletten abholen will. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Doch der kommende Winter dürfte nach Einschätzung der beiden Dorstener Apothekerinnen Silke Feldkamp (Apotheke am Schölzbach) und Judith Pollmann (Apotheke im Viertel) die Mangelwirtschaft weiter enorm verschärfen. Gut 200 Präparate umfasst jetzt schon wieder die „Defektliste“, mit der Apotheker und Apothekerinnen auch in Dorsten zu kämpfen haben. In besagter Defektliste sind Medikamente aufgeführt, die gar nicht oder nur schwer zu bekommen sind. Angefangen vom ACC Kindersaft für knapp 7,50 Euro bis hin zu den „gehypten“ Diabetiker-Medikamenten Ozempic und Trulicity.
Letztere stabilisieren nicht nur den Kreislauf und helfen Diabetikern schlank zu bleiben, sondern sind fatalerweise auch als Abnehmmittel in Mode gekommen. Dabei kostet eine Packung mit zwölf Spritzen rund 270 Euro. Aber auch Schmerzmittel wie Celecoxib, Augensalben wie Gentamicin oder kleinere Packungsgrößen Doxycyclin (Antibiotikum) stehen augenblicklich auf der langen Mangelliste.
Im Winter steigender Bedarf an Erkältungsmitteln und Antibiotika
Und die dürfte in den kommenden Monaten weiterwachsen, denn erfahrungsgemäß steigt in den Wintermonaten der Bedarf an Erkältungsmitteln und Antibiotika. Vor allem Antibiotika-Säfte für Kinder bleiben weiter Mangelware. Laut Internetseite „apotheke adhoc“ ist beispielsweise für Infectocillin Saft 400 und 500 das Ende des Engpasses erst Ende April 2025 zu erwarten. „Die Stammpatienten wissen meist schon, dass diese Medikamente schwer zu bekommen sind“, sagt Silke Feldkamp. Daher müssen sie im Prinzip schon beim Abholen die nächste Packung ordern. Erschwerend komme aber neuerdings hinzu, dass die frisch eingeführten E-Rezepte nur noch eine Gültigkeit von 28 Tagen besäßen, während Papierrezepte drei Monate gültig seien – wobei allerdings auch hier nach 28 Tagen der Patient selbst zahlen müsse. Und in genau diesen 28 Tagen gilt es nun für die Apotheker oder die Apothekerinnen, besagtes Medikament zu besorgen, ansonsten müsse wieder ein neues Rezept her.
Schon im Oktober 2023 hatten daher Dorstener Apothekerinnen und Apotheker vereinbart, ihre Warenlager zu füllen, um sich im Falle des Falles gegenseitig helfen zu können. „Wenn ein Patient zu uns kommt und wir das Medikament nicht geliefert bekommen, fragen wir in den anderen Apotheken nach, ob dort was vorrätig ist“, erläutert Silke Feldmann.
Umgekehrt sei das natürlich auch der Fall
„Manchmal könnte man den Eindruck haben, dass Online-Apotheken bei der Belieferung bevorzugt werden, doch da haben einige meiner Patienten auch schon gegenteilige Erfahrungen gemacht“, so die Dorstener Apothekerin. Denn Bestellungen vermeintlich lieferbarer Medikamente seien nur ein paar Minuten später storniert worden. Doch was passiert nun, wenn ein Präparat nicht verfügbar ist? „Dann greifen wir zunächst auf Medikamente mit dem identischen Wirkstoff eines anderen Herstellers zurück. Wenn dies aber teurer ist, als das Medikament mit dem Rabattvertrag, verlangen die Krankenkassen im Nachhinein oft eine Begründung mit einem Beleg über die Nichtlieferbarkeit“, erklärt die Apothekerin. Allein das bedeute schon einen erheblichen „unbezahlten Mehraufwand“ für teils minimale Beträge – auch wenn die EDV inzwischen dabei hilfreich sei. Problematisch werde es laut Feldkamp aber, wenn auch der Wirkstoff weder bei ihr, noch in den anderen Dorstener Apotheken oder im Großhandel verfügbar sei. Bei Antibiotika wie Amoxicillin könne man noch auf stärkere Mittel zurückgreifen, aber bei anderen Medikamenten sei das mitunter problematisch.
Vorsicht beim Einkauf im Ausland
Theoretisch könnte man auch sein Glück beispielsweise in den Niederlanden versuchen. Davon rät allerdings auch Apothekerin Judith Pollmann ab: „Oft stimmen die Dosierungen nicht überein und dann fahren die Leute umsonst. Außerdem haben wir Dorstener Apotheker einen direkten Draht zu den Ärzten, um mögliche Alternativen zu finden.“ Ein weiterer Haken: Die ausländischen Apotheken können E-Rezepte nicht lesen und selbst mit einem Papierrezept dürften die Kassen für im Ausland gekaufte Medikamente nicht erstatten.
Siehe auch: Medikamenten-Mangel
Quelle: Bernd Turowski in DZ vom 21. September 2024
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