Das Vorrücken der ukrainischen Armee in Kursk ließ die Gaspreise steigen
Turbulenzen im Gasgroßhandel: Das Vorrücken der ukrainischen Armee in die Region Kursk lässt die Gaspreise steigen. Denn dort liegt eine wichtige Pipeline. – Das weckt ungute Erinnerungen: Ein Vorstoß ukrainischer Soldaten auf russisches Territorium hat die Gaspreise auf den höchsten Wert in diesem Jahr getrieben. Nach dem russischen Angriff waren 2022 die Notierungen in astronomische Höhen geschnellt. Verbraucher werden von den aktuellen Turbulenzen zwar unmittelbar kaum etwas spüren. Allerdings wird deutlich, wie anfällig die wichtigste Energiequelle zum Heizen für Preisschwankungen geworden ist. Nachrichtenagenturen berichten, dass für das Gebiet Kursk der Ausnahmezustand verhängt wurde. Tausende Menschen sollen auf der Flucht sein. Bereits am Dienstag hatten ukrainische Truppen unterstützt von Panzern und Artillerie die russische Grenze in der Nähe der Stadt Sudscha überschritten und mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht.
Die Transgas-Pipeline
Das Institute for the Study of War berichtete unter Verweis auf russische Insider, dass ukrainische Truppen bis zu 15 Kilometer in Richtung eines Atomkraftwerks vorgedrungen seien. Zudem sei die Gasverteil- und Verdichterstation in der Nähe von Sudscha erobert worden. Diese Station ist von enormer Bedeutung, denn die Transgas-Pipeline ist an sie angeschlossen. Die Rohre transportieren sibirisches Methan durch die Ukraine und weiter in die Slowakei und nach Österreich. Trotz des Krieges wird über die Rohrleitung etwa die Hälfte der verbliebenen russischen Gasexporte nach Europa abgewickelt. Der staatlich kontrollierte Energiekonzern Gazprom meldete am 8. August 2024 allerdings, der Transport laufe weitgehend normal. Es würden etwa 37,3 Millionen Kubikmeter eingespeist. Der Tagesdurchschnittswert liegt aber laut Finanznachrichtenagentur Bloomberg bei etwa 42 Millionen Kubikmeter. Die Differenz habe aber mit einer geringeren Anforderung von Gasmengen seitens der Kunden zu tun. Gleichwohl reichten diese Meldungen, um für Turbulenzen im Großhandel zu sorgen. Am für den europäischen Markt maßgeblichen Handelspunkt TTF kostete die Megawattstunde am Donnerstag zeitweise fast 40 Euro. Vergleichbare Preise hatte es zuletzt Anfang Dezember 2023 gegeben.
Mit dem Ukrainekrieg stellte Russland Lieferungen nach Deutschland ein
Seit dem russischen Angriff im Februar 2022 hat sich der Gasmarkt grundlegend gewandelt. Früher gab es mit Russland langfristige Lieferverträge, die nicht nur günstige Konditionen brachten, sondern auch Verlässlichkeit garantierten. Das machte es für hiesige Versorgungsunternehmen einfach, den Verbrauchern günstige Tarife zu bieten. Mit dem Ukrainekrieg stellte Russland als Vergeltung für westliche Sanktionen die Lieferungen nach Deutschland ein. Seither kommt das meiste Gas aus Norwegen. Zudem werden große Mengen verflüssigtes Methan (LNG) mit Schiffen angeliefert, das weitgehend zu Weltmarktpreisen eingekauft werden muss. Über diesen Umweg kommt übrigens auch weiteres russisches Gas in die EU.
Erhebliche Preisschwankungen – Lieferengpässe
Beim LNG sind die Preisschwankungen erheblich – insbesondere in jüngster Zeit. So haben Hitzewellen in Asien und Europa für eine deutliche Erhöhung der Nachfrage gesorgt. Der Brennstoff wird benötigt, um Gaskraftwerke am Laufen zu halten, die wiederum mehr Strom wegen des gesteigerten Betriebs von Klimaanlagen erzeugen müssen. Weitere Faktoren sind immer wieder auftretende Lieferengpässe von Gasproduzenten weltweit – wegen Extremwettereignissen. Dabei geht es vor allem um die Folgen von Stürmen und schweren Gewittern. Die Großhandelspreise für Europa sind seit Anfang April um rund 40 Prozent gestiegen. Noch Ende Februar lagen die TTF-Notierungen aber bei nur rund 22 Euro pro Megawattstunde – der bisherige Jahrestiefstwert. Die inzwischen zur neuen Normalität gewordenen starken Schwankungen zwingen Versorgungsunternehmen dazu, in ihren Tarifen für die Verbraucher und die Unternehmen Puffer nach oben einzubauen, um sich gegen plötzliche Aufschläge im Großhandel – wie gegenwärtig – abzusichern. Hinzu kommt, dass das Preisniveau insgesamt höher ist.
Quelle: Frank-Thomas Wenzel in RN (DZ) vom 9. August 2024