Innenministerium auf Anfrage: Rund zwei Dutzend Orte sind gefährlich
Eine Stadt ist laut einer Aufstellung der Polizei von Nordrhein-Westfalen besonders gefährlich: Mehr als die Hälfte der verrufenen Orte liegen in Köln. No-Go-Areas gebe es aber nicht. Rund zwei Dutzend Bereiche in Nordrhein-Westfalen gelten laut Innenministerium als besonders gefährlich. Dort ist deshalb die Polizei besonders aufmerksam. Eine Stadt vereint mehr als die Hälfte davon. – Der CDU-Abgeordnete Peter Biesenbach wollte 2017 von der rot-grünen Landesregierung wissen, wie viele „gefährliche bzw. verrufene Orte“ es in dem Bundesland NRW gibt. Aus der Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage geht hervor, dass etwa zwei Dutzend solcher Örtlichkeiten existieren. Orte – und das ist wichtig – , an denen die Polizei sich das Recht herausnimmt, Personalien ohne Angaben von Gründen aufnehmen zu können. Dies bedeute jedoch nicht, so die einhellige Meinung aller Polizeipräsidien auf Anfrage der Zeitung „Welt“, dass diese Orte so gefährlich wären, dass man sie meiden soll. Schließlich zögen Fußgängerpassagen und Einkaufszentren ganz automatisch Räuber an. Wo viel los ist, ergeben sich auch viele Tatgelegenheiten. Einer gewissen Brisanz entbehren die Orte dennoch nicht. Denn die Polizei stuft diese Orte erst dann als gefährlich ein, wenn sich dort Personen besonders häufig zu Straftaten verabreden oder diese verüben, sich dort Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis versammeln oder Straftäter vermehrt aufhalten. Eines dieser drei Kriterien genügt, um einen Ort als „verrufen“ auszuweisen. Eine Übersicht:
Das waren die „verrufenen und gefährlichen Orte“ in Nordrhein-Westfalen
Essen: In Essen sind das nach Angaben der dortigen Polizei der Bereich Altendorfer Straße/ Helenenstraße im Ortsteil Altendorf sowie der Bereich um den Viehofer Platz in der nördlichen Innenstadt. Hier hatte die Polizei Anfang des Jahres zusätzlich Kameras zur Bekämpfung der Kriminalität installiert.
Dortmund: In Dortmund gilt der erweiterte Innenstadt- und Nordstadt-Bereich als „verrufen“. Hier kam es in der Vergangenheit nach Angaben der Polizei vermehrt zu Diebstahldelikten.
Borken: Die Polizei in Borken nennt das Kneipenviertel in Gronau. Hier sei es in der Vergangenheit vermehrt zu Gewaltdelikten gekommen.
Hagen: Für das Polizeipräsidium Hagen ist vor allem der etwa zwei Kilometer lange Weg vom Hauptbahnhof zu den Elbershallen interessant. Die dortige Polizei betont allerdings, dass dieser nur zur Nachtzeit und auch nur dann als „gefährlicher Ort“ deklariert wird, wenn auf dem sogenannten Elbersgelände Veranstaltungen stattfinden.
Wuppertal: Auch in Wuppertal gibt es nach Polizeiangaben nur einen Ort, an dem die Polizei verstärkt Personalien aufnimmt: der Berliner Platz im Stadtteil Barmen.
Recklinghausen: In Recklinghausen, sagte Pressesprecher Andreas Wilming-Weber von der örtlichen Polizei, sei die Sache anders gelagert. Er betont, dass es sich bei der Auflistung – im Verantwortungsbereich der Polizei Recklinghausen werden sechs Örtlichkeiten aufgelistet – nicht um öffentlich zugängliche Plätze oder Straßen handelt, sondern ausschließlich um Wohngebäude in Marl, Bottrop und Recklinghausen. „Es gab viele Straftäter, die, obwohl sie in der ganzen Bundesrepublik Straftaten verübt hatten, bei ihren Vernehmungen immer die gleiche Adresse angegeben hatten“, erklärt Wilming-Weber. Das wurden dann offenbar so viele, dass die Polizei im Oktober vergangenen Jahres der Sache nachgehen wollte und mehrere Wohnobjekte mit Hundertschaften durchkämmte und Personenkontrollen durchführte. Unter anderem ein Wohnkomplex mit 80 Wohnungen in der Merkurstraße in Marl: Dabei wurden mehrere Aufenthaltsverstöße und Drogendelikte festgestellt. Positiver Nebeneffekt: Seither wurde diese Adresse bei Vernehmungen, so Wilming-Weber, nicht mehr genannt.
Köln: Mit großem Abstand führt die Stadt Köln die Aufstellung an. Gleich 13 Orte hatte die Polizei dem Ministerium genannt. Mehrere Nachfragen, welche genau das denn sind, blieben seitens der Behörde bislang unbeantwortet. 2014 hatte die Kölner Polizei laut „Express“ in einem internen Dokument insgesamt elf solcher Orte benannt. Dem Bericht handelte es sich damals um die Gegenden um die Philharmonie und Deutzer Brücke, Eigelstein, das Kneipenviertel in Ehrenfeld, den Hohenzollernring (Seitenstraßen), den Rudolplatz, Friesenplatz, Neumarkt, Wiener Platz, Chorweiler, Kalk-Post und Höhenberg.
Düsseldorf: Zwar habe es früher gefährliche Orte in Düsseldorf gegeben, so Pressesprecher Fiebig, dies gehöre aber der Vergangenheit an. Durch „offensive Maßnahmen“ wie Razzien im sogenannten „Maghreb-Viertel“ im Januar 2016 habe man die Kriminalität dort eindämmen können. So kommt es, dass Düsseldorf in der Auflistung des Innenministeriums nicht vorkommt.
Duisburg: Interessanterweise taucht dort auch Duisburg nicht auf. Im Problemstadtteil Marxloh wurde kürzlich ein 14-Jähriger erstochen. Auf Nachfrage teilte die Duisburger Polizei mit, dass ihre Behörde keine Bereiche längerfristig als „gefährlich“ einstuft. Über die Auflistung habe er sich ohnehin gewundert, sagte Pressesprecher van der Maat: „Es gibt in NRW 47 Kreispolizeidienststellen, aber da tauchen nur sieben auf.“
Zumindest wurden alle 47 angefragt. Ministeriumssprecher Wolfgang Beus sagte dazu: „Es haben sich nur die Polizeidienststellen gemeldet, die auch eine Örtlichkeit zu melden hatten.“ Bei den meisten sei das offensichtlich nicht der Fall gewesen.„Und No-go-Areas“, so betont er, „gibt es in NRW nicht.“ Denn das würde ja bedeuten, dass die Polizei dort in diesen Bereichen nicht mehr präsent ist. Die Deklarierung diene einzig und allein dazu, der Polizei ein Instrument an die Hand zu geben, Personen kontrollieren zu können, ohne dass sie das näher begründen muss. Es handele sich um eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr, nicht zur Strafverfolgung.
Quelle: Robert Tannenberg in DZ vom 28. Dez. 2023