Ab 1935 den Weinkonsum im Sinne der NS-Anschauung steigern
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, sorgten sie sich nicht nur um die Entschuldung der Bauern, auch war ihnen daran gelegen, die deutschen Winzer, die damals starke Not litten, zu unterstützen. Daher wurde gleich nach der Machtübernahme im Reichsnährstands-Ministerium beschlossen, über das Staats- und Parteigefüge die Bevölkerung anzuhalten, mehr Wein zu trinken. Städte schlossen Patenschaften mit Orten an Rhein und Ruwer, Ahr und Mosel und veranstalteten Wein-Werbewochen und Winzerfeste. Reichsnährstand, Stadtverwaltungen und Ortsgruppen der NSDAP übernahmen die Organisation.
Auf dem Marktplatz großes Weinfest zugunsten der Winzer veranstaltet
Die Patenweinidee entstand 1934 in Düsseldorf. Im gleichen Jahr wurde in Dorsten unter Leitung des NSDAP-Beigeordneten der Stadt, Fritz Köster, ein „Arbeitsausschuss zur Werbung für den Senheimer Patenwein“ gegründet und sogleich auf dem Marktplatz ein großes Weinfest veranstaltet. Senheim ist ein heute 600 Einwohner starkes Weindorf an der Mosel im Kreis Cochem-Zell, hat 14 Weingüter, eine Moselbrücke und den Preis „Schönes Dorf“ gewonnen. Die erste reichsweite nationalsozialistische Propaganda-Aktion für den deutschen Weinbau lief mit dem 1. deutschen Weinwerbetag am 1. und 2. September 1934 ab. Diese Veranstaltungen sollten unter der Gesamtleitung des Reichsnährstandes vordergründig keine kulturelle Angelegenheit sein, sondern eine Absatzpropaganda mit der Aufforderung „Trinkt deutschen Wein!“ Deutscher Wein sollte ein Volksgetränk werden. Von 1935 bis 1937 hießen die Winzer- und Weinfeste propagandistisch „Fest der deutschen Traube und des Weines“.
Patenwein zum Karneval
Bei Anlässen zu Feiern schrieb der Dorstener NSDAP-Beigeordnete Schützen- und Karnevalsvereine, Firmen und Heimatvereine an und erinnerte sie, den guten Senheimer Moselwein zu trinken. Das Schreiben an die Karnevalisten vom 20. Februar 1936 lautete:
„Patenwein zum Karneval!
Der Erfolg der Weinwerbewoche im vergangenen Jahre war in der Stadt Dorsten ein recht guter. Alle Volksgenossen, welche zum Gelingen des guten Werkes beigetragen haben, werden, wenn sie an die Not des Winzerstandes an der Mosel denken, wiederum freudig an den Karnevalstagen ein Gläschen Senheimer Patenwein trinken. Ich richte daher an alle Betriebe, Vereine und Verbände, überhaupt an alle Volksgenossen der Stadt Dorsten die dringende Bitte, das Werk der Reichsregierung durch den Genuss des Senheimer Patenweines zu unterstützen. Insbesondere wende ich mich auch an die Besitzer der Gaststätten mit der Bitte, wiederum gern in das Unterstützungswerk der Winzer einzutreten. Ich hoffe, dass ich dem Herrn Landrat in Recklinghausen berichtet kann, dass Dorsten wiederum voll seinen Mann stellt, wenn es darum geht, die Maßnahmen der Reichsregierung zu fördern und zu unterstützen. Heil Hitler! (Unterschrift) Köster, Beigeordneter.“
Die Lokalzeitung unterstrich das Vorhaben:
„Es gilt, im Interesse des deutschen Volkes und im Sinne der nationalsozialistischen Anschauung näher für […] das Produkt der schwer bedrängten und Not leidenden deutschen Winzer, nämlich für den deutschen Wein, zu werben.“
Allerdings waren die Wein- bzw. Winzerfeste keine Erfindung der Nationalsozialisten gewesen. Bereits 1929 lud die Ortsgruppe Hervest-Dorsten des Österreichisch-deutschen Volksbundes für den 29. September zum „diesjährigen Winzerfest“ in den „Westfalen-Hof“ ein, dem ein Festumzug vorausging und sich ein Festball anschloss. Die Mitglieder des Österreichisch-deutschen Volksbundes erschienen in Nationaltracht und führten Nationaltänze auf.