Westfalenwall

Die unnütze Verteidigungslinie kurz vor Kriegsende diente der Propaganda

Mit Erlass wurde am 25. September 1944 die Bildung eines „Volkssturms“ angeordnet, der alle „waffenfähigen Männer von 16 bis 60 Jahren“ zum Wehrdienst verpflichtete – ein letztes Aufgebot von Alten, Kranken und Jugendlichen, das die drohende Niederlage abwenden sollte. NSDAP-Kreisleiter und SA-Führer überwachten die „Schanzarbeiten“ des „Westfalenwalls“, der bereits als „Ems-Rhein-Stellung“ ausgearbeitet und überholt in der Schublade lag. Eine Verteidigungslinie von Ahaus über Südlohn, Borken, Bocholt nach Wesel sollte die dort erwarteten überlegenen alliierten Kampfverbände aufhalten, die sich daran schickten, bei Wesel den Rhein zu überqueren.

Bau des Westfalenwalls bei Raesfeld

Schanzarbeiten für den sinnlosen Westfalenwall in Raesfeld, Foto: Adalbert Friedrich (LWL)

Wassergräben und Straßensperren

Im Winter 1944/45 mussten die deutsche Bevölkerung, Kriegsgefangene und Ostarbeiter für diese Verteidigungslinie querfeldein und durch Gemeinden mit primitivsten Mitteln Gräben ausheben, MG-Stände bauen, Wassergräben ziehen und Straßensperren errichten. Aus nichts anderem bestand der „Westwall“, der mehr der Durchhalte-Propaganda der Nationalsozialisten diente, als einen militärischen Zweck hatte. Schätzungsweise waren 40.000 bis 60.000 Menschen an dem sinnlosen Unterfangen beteiligt, das von den im März 1945 schließlich anrückenden Alliierten überrannt wurde, als hätte es die Bemühungen um den Bau des Westfalenwalls gar nicht gegeben. In seinen Tagebuchnotizen erinnert sich der Raesfelder Adalbert Friedrich an die Schanzarbeiten für den Westfalenwall im Bereich Raesfeld:

„Anfang 1945 glich Raesfeld einem Heerlager. Rund 700 Soldaten, zumeist Angehörige hastig aufgestellter Volksgrenadierdivisionen erwarteten den Angriff des Gegners … Auf den Feldern wird fleißig geschanzt, das heißt, die Felder wurden zerwühlt und die Erde durcheinander geworfen. Es waren Ausländer, aber auch Bergleute aus dem Ruhrgebiet, die hier Gräben und Stellungen auswarfen. Das ganze nannte  sich Westfalenwall …“

Am 28. März 1945, vier Tage nachdem die alliierten Armeen mit 1,3 Millionen Soldaten bei Wesel den Rhein überquert hatten und ins Münsterland durchmarschierten, wurde das annähernd zu 40 Prozent zerstörte Dorf Raesfeld von einem englischen Panzerverband besetzt.

Verteidigungsbauwerk war ein „billiger Papiertiger“

In einem Prozess gegen den NSDAP-Kreisleiter von Ahaus, Lorenz Tewes, der den Bau des Westfalenwalls besonders vorangetrieben hatte, konnte er sich nicht mehr daran erinnern, dass er Niederländer für den Bau zwangrekrutiert hatte, wohl aber die Niederländer selbst. Der Recklinghäuser Dr. Adolf Vogt erforschte 2009 das „Phänomen Westfalenwall“ und kam zu dem Schluss, dass das Verteidigungsbauwerk ein „billiger Papiertiger“ gewesen war, „vergleichbar etwa mit den polnischen Lanzenreitern, die im September 1939 die deutsche Panzerlawine aufzuhalten suchten“. Der Westfalenwall sei ein typischer Teil des letzten Aktes im braunen Überlebenskampf gewesen, eine wie ein Animationstheater aufgezogene, vom Regime als lebensverlängernd entworfene und doch zwangsläufig zum Scheitern verurteilte Maßnahme.

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