Als Strafrichter am Amtsgericht schaute er den Leuten aufs Maul
Geboren 1928 in Coesfeld; wohnhaft in Gladbeck, Amtsrichter. – Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Zeugen und schon gar nicht Angeklagte hatten bei ihm was zu lachen, obgleich in seinen Verhandlungen auch viel gelacht wurde. Im wahrsten Sinne des Wortes beherrschte er nicht nur den Gerichtssaal, sondern das ganze Gericht. Denn Amtsrichter Rüdiger Winter war 22 Jahre und zwei Monate lang Leiter des Dorstener Amtgerichts. Über Männer wie ihn gibt es auch Anekdoten. Ein mehrfach vorbestrafter Dieb, der von Polizeibeamten ins Büro des Amtsgerichtsdirektors geführt wurde, zeigte sich überrascht, als er Winter sah. „Wieso sind sie denn hier?“ wollte er wissen. Der Chef des Amtsgerichts konterte: „Wieso sollte ich nicht?“ Worauf der Dieb erklärte: „Die Jungens in Barkenberg haben erzählt, der alte Winter sei längst pensioniert.“ Das traf nicht zutraf, wie der Delinquent umgehend zu spüren bekam. Der „alte Winter“ erließ Haftbefehl. Überrascht war auch Winter selbst, wenn beispielsweise ein Rechtsanwalt von auswärts einen Angeklagten verteidigte und Rüdiger Winter Vorsitzender war. Als solcher duldete Winter keinen Widerspruch, weder vom Verteidiger noch vom Staatsanwalt. Das wussten alle und richteten sich danach. Und Winter gewöhnte sich an sein unangetastetes Richterregiment. Wenn nun aber der auswärtige Anwalt doch dem Richter widersprach, dann waren alle still und sahen zumindest neugierig überrascht zu Winter, um auf seine Reaktion zu warten. Die kam dann nicht, denn Winter war selbst überrascht.
Kummer machte ihn der starke Drogenkonsum vieler Deliquenten
Rüdiger Winter zog mit seinen Eltern 1941 nach Gladbeck, wohin sein Vater, ebenfalls Richter, versetzt worden war. 1967 kam Rüdiger Winter als Amtsgerichtschef nach Dorsten und führte bereits ein Jahr später rechtskundlichen Unterricht an Gymnasium, Realschulen und den qualifizierten Jahrgangsstufen der Hauptschulen ein. Dieser in Arbeitsgemeinschaft erteilte Unterricht hat ihm viel Spaß gemacht. Es sei wichtig für einen Richter, sagte Rüdiger Winter, Kontakte zur Jugend zu pflegen, denn man müsse ihre Mentalität kennen, um später über sie urteilen zu können. Der Unterricht brachte den willkommenen Nebeneffekt, dass sich Schüler für den Beruf in der Justizverwaltung begeistern ließen. Die Dorstener Justizbehörde stellte damals jährlich bis zu zehn Auszubildende ein.
Den Leuten aufs Maul schauen
Kummer machten ihm die vielen Prozesse mit Drogenabhängigen. Nach seinen Erfahrungen war es unverantwortlich, die leichteren Drogen freizugeben. Und auf die Niederlande war Rüdiger Winter gar nicht gut zu sprechen, weil sich das Nachbarland in dieser Frage „großzügig“ zeigte. 1989 wurde der Amtsgerichtsdirektor pensioniert. Zu Dorsten hatte der Gladbecker stets ein gutes Verhältnis gehabt, kannte jede Straße, weil er sich vor seinen Verhandlungen immer die entsprechenden Örtlichkeiten ansah und Kontakte zu den Menschen ihm wichtig waren. „Als Richter muss man den Leuten aufs Maul schauen!“
Im Ruhestand konnte Rüdiger Winter seinen Liebhabereien verstärkt nachgehen: er war Hobby-Schreiner, wobei er für seine Enkelkinder vom Laufstall bis zur Hundehütte alles selbst herstellte, er reiste gern und viel und nahm alles mit der Schmalfilmkamera auf. Er war begeisterter Segler, Schwimmer und Fahrradfahrer. Zu den Hobbys kamen noch Ehrenämter dazu. Rüdiger Winter war Vorsitzender des Verkehrsvereins und war sehr interessiert an der Geschichte seines Wohnortes.