Verein für Orts- und Heimatkunde Dorsten

1888 Gründer und 2003 Auflöser des Dorstener Heimatmuseums

1888 wurde im Hotel „Schwarzer Adler“ der „Verein für Orts- und Heimatkunde im Vest Recklinghausen, Sektion Dorsten“ gegründet, um „Heimatsinn und Heimatliebe durch Erfahrung der Geschichte und Sprache, der Erhaltung alter Überlieferungen, Sitten und Gebräuchen zu befördern“. Im ersten Jahr seines Bestehens hatte der Verein bereits 100 Mitglieder. 1899/1900 gehörten dem Verein an: Bürgermeister a. D. Middendorf und Gutsbesitzer F. von Raesfeld als Vorsitzende, Oberlehrer Dr. Weskamp und Kreis-Schulinspektor Schneider waren Schriftführer, Oberlehrer Schult Museumswart, Buchhändler Overmeyer Kassenwart, Dr. med. Cordes, Pfarrer Crüsemann und Fabrikbesitzer Heinrich Schürholz Beisitzer. 1903 bestand der Vereinsvorstand aus 12 Personen. Der seit 1901 amtierende Vorsitzende, Gymnasialdirektor Dr. Schwarz, wurde nach Bochum versetzt. Für ihn übernahm Kreis-Schulinspektor Schneider den Vorsitz und Gymnasialdirektor Dr. Joseph Wiedenhöfer war sein Stellvertreter.

Etliche prominente Dorstener Bürger traten dem Verein bei

Dr. Heinrich Glasmeier

Dr. Heinrich Glasmeier

1910 traten Einrichtungen dem Verein bei: das Dorstener Franziskanerkloster, das Ursulinenkloster und das Progymnasium Gladbeck. 1911 spaltete sich von der Dorstener die Gladbecker Abteilung ab. Daher traten die Gladbecker Mitglieder aus dem Dorstener Verein aus, darunter Bankdirektor Küster und Gymnasialprofessor Verron. Eingetreten sind dagegen Dorstener Kaufleute, Bankbeamte, Lehrer, Prokuristen und aus Essen der dortige Landgerichtspräsident Büscher. Der Archivar Dr. Heinrich Glasmeier, dessen Vater dem Verein beigetreten war, schenkte dem Museum Versteinerungen, Münzen, Assignaten, Säbel, Dolche, und eine alte Pistole. Heinrich Glasmeier sollte später im NS-Regime Karriere machen. Den Bänden der „Vestischen Zeitschrift“, in denen jeweils über die Aktivitäten der Ortssektionen berichtet wurde, ist zu entnehmen, dass die Dorstener Sektion aktiv beteiligt war und stets an den Versammlungen des Verbandes teilgenommen hatte. Während des Ersten Weltkrieges kam der Verein zum Erliegen, machte aber 1919 mit 136 Mitgliedern einen Neuanfang und wählte zum Vorsitzenden und Nachfolger des Schulrats Schneider, der nach 14 Jahren zurücktrat, Studiendirektor Dr. Joseph Wiedenhöfer zum Vorsitzenden der Abteilung Dorsten. Wiedenhöfer wollte nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches die „geistigen Bestrebungen“ fördern und „den Deutschen“ den ihnen „früher allgemein zuerkannten Beruf eines Volkes der Dichter und Denker auch weiterhin zur Geltung bringen“. Wiedenhöfer wurde vom Oberpräsidenten von Westfalen 1931 zum Pfleger für kulturgeschichtliche und naturgeschichtliche Bodenaltertümer für den Bezirk der Stadt Dorsten ernannt.

Tagung des Verbandes in Dorsten 1931

1930 waren die Vereine für Orts- und Heimatkunde im Verband anlässlich der Feier ihres 40-jährigen Bestehens Gast der Dorstener Sektion. Dazu der Bericht des Verbandsschriftführers Dr. Pennings in der Vestischen Zeitschrift von 1931:

„Nachdem die Sehenswürdigkeiten Dorstens unter der Führung von Sanitätsrat Dr. Geißler und Studienrat Feil besichtigt waren, fanden sich die Gäste, die zahlreich von nah und fern herbeigeströmt waren, im festlich geschmückten Gesellenhaussaale ein. Der Verbandsvorsitzende, Prof. Dr. Albert Westkamp, eröffnete die Feier mit der Begrüßung der Festteilnehmer. Insbesondere begrüßte er den Präsidenten des Ruhrsiedlungsverbandes Dr. Hüesker (früher Landrat des Landkreises Recklinghausen), den Landrat des Kreises Recklinghausen, Dr. Max Schencking, den Altbürgermeister der Stadt Dorsten, Dr. Lürken, den Oberstudiendirektor Dr. Wiedenhöfer, Vorsitzenden des Ortsvereins Dorsten, und Archivdirektor Dr. Glasmeier, Velen. […] Zum Schluss widmete er dem kürzlich auf tragische Weise ums Leben gekommenen Lehrer Karl Wessels, der sich um die Kirchhellener Heimatbewegung sehr verdient gemacht hatte, einen ergreifenden Nachruf.
Landrat Dr. Schencking wies in seiner Ansprache darauf hin, dass es Überlieferung des Landkreises geworden sei, den vestischen Heimatgedanken und echtes Zusammengehörigkeitsgefühl als das teuere Erbe des Landrats Freiherrn von Reitzenstein zu pflegen. Zugleich im Namen des Regierungspräsidenten sprach er dem Verbande seine Glückwünsche aus. […] Bürgermeister Dr. Lürken hieß die Festversammlung namens der alten Hansestadt Dorsten willkommen. Auch er erklärte sich bereit, die Arbeit des Verbandes nach Kräften zu fördern und ihm so zu helfen, das bewährte Alte zur Grundlage erfolgreicher Aufbauarbeit zu machen.“

Anschließend wurden Gründungsmitglieder des Verbandes für ihre 40-jährige Tätigkeit in den verschiedenen Städten geehrt. Aus Dorsten waren dies Fabrikant Paul Duesberg (Hervest-Dorsten), Sanitätsrat Dr. med. Geißler (Dorsten), Forstmeister Paul Joly (Natteforth bei Wulfen), Kaufmann Engelbert Isphording (Dorsten), Anstreichermeister Fritz Kampmann (Dorsten), Fabrikant Hermann Müller (Dorsten), Generaldirektor Prof. Dr. jur. Rensing (Anholt), Geheimer Regierungsrat Heinrich Rensing (Köln), Kaufmann Ludwig Rensing (Dorsten), Fabrikant Andreas Stevens (Hervest-Dorsten) und Prof. Dr. Albert Weskamp (Dorsten).

Hotel "Schwarzer Adler" (l.)

Hotel “Schwarzer Adler”(links)

Erstes Heimatmuseum im Hotel König, dem späteren „Schwarzer Adler“

Der Ortsverein gründete das erste Heimatmuseum, das zuerst in einem Raum des Hotels König („Escherhaus“, „Schwarzer Adler“) untergebracht war, ab 1932 im Rive’schen Haus am Südwall und später in der Polizeiunterkunft an der Katharinenstraße. Für 1933 vermerkte Schriftführer Studiendirektor Dr. Georg Feil in der Chronik, dass Dorstens NS-Bürgermeister Dr. Gronover in den Vorstand des Vereins gewählt worden war und berichtet, dass „von weiteren Veranstaltungen mit Rücksicht auf die zahlreichen politischen Aufgaben dieses Jahres Abstand genommen“ wurde. Zukünftig wurden dann die Veranstaltungen des Vereins für Orts- und Heimatkunde meist in Zusammenarbeit mit der nationalsozialistischen Kulturgemeinde durchgeführt, denn deren Amtswalter war zugleich auch der Vorsitzende der Dorstener Ortsgruppe des Vereins für Orts- und Heimatkunde. Die Gemeinde Hervest stellte dem Museum zwei Steinbeile zur Verfügung.

Georg Feil löste Josef Wiedenhöfer ab

1936 vermachte der Schützenverein seine historische Schützenkette aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts dem Verein für Orts- und Heimatkunde, die im Heimatmuseum ausgestellt wurde. Im November trat der langjährige Vorsitzende, der in der NS-Zeit Vereinsführer genannt wurde, Dr. Joseph Wiedenhöfer, aus Altersgründen zurück. Er war über 30 Jahre im Vorstand, davon die meiste Zeit als Vorsitzender. Er wurde Ehrenvorsitzender. Zum neuen Leiter wurde Studiendirektor Dr. Georg Feil ernannt (Wahlen gab es nicht mehr). Da auch das Vorstandsmitglied Professor Müßen ausschied, kamen die Nationalsozialisten Beigeordneter Köster und Groß-Blotekamp in den Vorstand.

 Bestandsaufnahme der Grabsteine des historischen Friedhofs

Das Heldenbuch 1914-1918

Das Heldenbuch 1914-1918

1937 hatte der Dorstener Verein 77 Mitglieder, davon sieben von außerhalb der Stadt. Der Vorstand begründete die geringe Mitgliederzahl mit allgemeiner Vereinsmüdigkeit und der Gründung von drei neuen Vereinen in letzter Zeit: Schützenverein, Kolonialbund und Verein für das Deutschtum im Ausland sowie mit den vielen politischen Veranstaltungen und Sammlungen. Beigeordneter Köster, der im Ortsverein Beirat war, schied aus, weil er nach Gronau ging. Neuer Rechnungsführer des Vereins wurde Engelbert Overmeyer. In einer Feierstunde übergab Vermessungsrat Seibert dem Verein das von ihm angelegte „Heldenbuch“ der Stadt, in dem die Gefallenen des Ersten Weltkriegs verzeichnet waren. Lehrer Kaspar Laukemper machte eine Bestandsaufnahme über die Grabsteine auf dem in den 1970er-Jahren überplanten historischen Friedhofs an der Bovenhorst. Betrübt zeigte sich der Vorstand, weil die Bevölkerung an den neu geschenkten Steinbeilen und einem Mammutzahn wenig Anteil nahm. 1942 lud der Verein die Ärzteschaft des Kriegslazaretts zu einem Rundgang durch die Stadt und einer Führung durch das Heimatmuseum ein. Dr. Bietendüwel aus Münster hielt einen Vortrag über die „Kriegsnöte in alter Zeit“.

1951 wurde dem Verein das Heimatmuseum wieder übergeben

Nach dem Krieg gab es Ansätze eines Weiterbestehens des Ortsvereins. Zur 700-Jahrfeier 1951, als dem Verein das notdürftig renovierte Heimatmuseum im Alten Rathaus am Markt wieder übergeben wurde, erlebte der Verein mit Dr. Banke, Paul Schürholz, Dr. Meinken u. a. seine Wiedergeburt, geriet aber bald erneut in Vergessenheit. Erst 1989 gründeten Dorstener Bürger den Verein neu, der sich „besonders der Geschichte Dorstens verpflichtet fühlt, das Sprachgut sowie Denkmal- und Naturschutz pflegt“. Diese Ziele werden durch Vorträge, Lesungen, Ausstellungen, Radwanderungen und Besichtigungen verwirklicht, wobei eine enge Zusammenarbeit mit dem Heimatmuseum, Stadtarchiv und Verkehrsverein erfolgte. 2003 löste die Stadt mit Billigung des Vereins für Orts- und Heimatkunde das Heimatmuseum auf. Das Gebäude übernahm ein neu gegründeter Verein „Altes Rathaus“, der seitdem in das renovierte Gebäude zu Kulturveranstaltungen einlädt.

Dirk Hartwich: Ein lesenswertes Geschichtsbuch mit einer Lücke

21 Autorinnen und Autoren haben sich auf eine spannende Zeitreise begeben. Sie zeichnen die Geschichte der Lippestadt zwischen 890 n. Chr. bis heute spannend und facettenreich nach. Manchmal sehr detailverliebt, aber nie langweilig. Das 370 Seiten starke Buch, qualitativ hervorragend mit vielen Bildern gestaltet, wurde vom „Verein für Orts- und Heimatkunde Dorsten“, sowie dem Stadtarchiv 2020 herausgegeben. Die Bandbreite der Artikel zeigt, dass der Siedlungsort an der Lippe immer heiß begehrt war. Ständig wechselten die „Besitzer“, häufig als Besatzer besser beschrieben. Die Querung der Lippe, anfangs als Furt, später mit einer Holzbrücke, war schlicht eine Art Gelddruckmaschine. Dorsten war in der langen Geschichte mehrfach auch Rückzugsort für Soldaten und Flüchtlinge. Die Stimmung der Bewohner schwankte zwischen Hilfsbereitschaft und kritischer Distanz. Eine interessante Parallele zur heutigen Lage. „Die Revolutionsjahre 1848/49“ lautet die Überschrift eines Kapitels, das die Verbindung zwischen der landesweiten politischen Lage und den Auswirkungen vor Ort einprägsam herstellt. Leider fehlt in dem umfangreichen Buch die Dorstener NS-Zeit. Der Hinweis im Vorwort, bewusst wegen der Veröffentlichungen der Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ und denen des Jüdischen Museums Westfalen darauf verzichtet zu haben, ist die einzige Schwäche des neuen Geschichtsbuchs für Dorsten. Das Buch ist u. a. in Dorstener Buchgeschäften zum Preis von 24 Euro zu erwerben.

900 alte Stadtansichten von Dorsten jetzt im Internet frei zugänglich

Eine historische Bildergalerie mit 900 Dorstener Stadtansichten hat der Verein für Orts- und Heimatkunde 2022 im Internet veröffentlich. Unzählige alte Bilder, Postkarten und Zeichnungen hat Heinz Kleine-Vossbeck zusammengetragen, einen Teil davon hat er vor ein paar Jahren in einer 250er-CD-Auflage in der Stadtinfo verkauft. Eine „Best of“-Ausgabe dieser höchst informativen Zusammenstellung ist nun öffentlich und gratis für interessierte Betrachter zu erleben. Auf der Vereins-Homepage (www.voh-dorsten.de) sind die spannenden alten Foto-Schätzchen unter dem Link „Historische Bildergalerie“ zu bewundern.

Ehrungen für Hans-Jochen Schräjahr und Heinz Kleine-Voßbeck

Zwei besondere Ehrungen prägten die erste Mitgliederversammlung des Vereins für Orts- und Heimatkunde (VOH) nach langer „Corona-Pause“ im April 2023: Heinz Kleine-Voßbeck, bekannt für seine fundierten Kenntnisse und Veröffentlichungen zur Dorstener Geschichte, wurde in der Versammlung im Alten Rathaus zum Ehrenmitglied des VOH ernannt. In Anwesenheit der Fraktionsvorsitzenden Bernd Schwane (CDU) und Friedhelm Fragemann (SPD) zeichnete die stellvertretende Bürgermeisterin Christel Briefs den 2. Vorsitzenden des Vereins, Hans-Jochen Schräjahr, „in Würdigung seines überragenden Engagements um die Aufarbeitung der Stadtgeschichte“ mit der goldenen Ehrennadel der Stadt Dorsten aus. Einstimmig wiedergewählt (bis zum Jahre 2027) wurden bei den Vorstandswahlen der 1. Vorsitzende Dr. Josef Ulfkotte und der Geschäftsführer Heinz-Dieter Steven. In ihren Ämtern bestätigt wurden ohne Gegenstimme der 2. Vorsitzende Hans-Jochen Schräjahr und Schatzmeister Heinz Winter (bis 2025). Als Beisitzer wurden bis 2027 ohne Gegenstimme gewählt: Petra Eißing, René Franken, Johannes Götte, Dr. Guido Heinzmann und Claudia Jägering.

Tisa Schulenburg-Abend im Alten Rathaus

Tisa von der Schulenburg (Schwester Paula) steht im Mittelpunkt des nächsten offenen Gesprächsabends des Vereins für Orts- und Heimatkunde Dorsten, der am Montag (30. September) um 19 Uhr im Alten Rathaus stattfindet. Erika Reichert, die viele Jahre die Antoniusschule in Klein-Reken geleitet hatte, erlebte Tisa ab 1951 als Kunstlehrerin am Gymnasium St. Ursula und war bis zu Tisas Tod im Jahre 2001 freundschaftlich mit ihr verbunden. Sie wird an diesem Abend von ihren Begegnungen mit Tisa erzählen, die Edelgard Moers verschriftlicht hat. Der Ruhrgebietsbarde Rainer Migenda wird den Abend musikalisch umrahmen und u.a. Tisas Lieblingslied „Ich glaube“ singen. Eintritt ist frei.

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