1922 als Staatsbehörde gegründet – seit 1975 für den Kreis zuständig
In der noch jungen Weimarer Republik wurde 1922 die Polizei und deren Macht- und Zuständigkeitsverhältnisse neu organisiert. Die Landräte und die lokalen Polizeibehörden mussten Aufgaben abtreten. Die Polizei wurde verstaatlicht und ihr Aufgabenkreis vermehrt. Im Oktober 1922 wurden eine Sicherheitspolizei gebildet. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte haben sich die geografischen Zuständigkeiten der Polizei und die Uniformen der Polizisten mehrmals geändert wie auch die Anforderungen, Herausforderungen und Erwartungshaltungen.
Im Oktober 2022 wurde das Polizeipräsidium Recklinghausen, zu dem auch die Polizeihauptwache Dorsten gehört, 100 Jahre alt. Sein Sitz, das mächtige Gebäude am Westerholter Weg in Recklinghausen, ist ähnlich alt: 94 Jahre. Das eigentliche Präsidiumsgebäude, das heute unter Denkmalschutz steht, wurde zwischen 1926 und 1928 mit 400 Büros, einer Wohnung für den Präsidenten und einem Gefängnis gebaut. Der Komplex war so groß, dass Kritiker fehlende Wegweiser, Aufzüge und Rohrpostanlage bemängelten. Als Vorplatz wünschten sie sich eine „schmucke Grünanlage“. Das Polizeipräsidium Recklinghausen ist heute mit seinen rund 1600 Mitarbeitern für die Sicherheit von etwa 730.000 Menschen in den zehn kreisangehörigen Städten und der Stadt Bottrop verantwortlich. An der Spitze der Behörde steht seit 2012 die Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen mit ihren Direktionen Gefahrenabwehr/Einsatz, Kriminalität, Verkehr und Zentrale Aufgaben sowie dem Leitungsstab. Im rückwärtigen Bereich des Polizeigeländes wurde im Jahr 2021 ein Anbau fertiggestellt, der unter anderem die neue Leitstelle, eine der modernsten in NRW, und das Gewahrsam beherbergt.
Im Keller des Polizeipräsidiums wurde misshandelt und gefoltert
Das Programm 100 Jahre Polizeipräsidium Recklinghausen gab einen Einblick in die facettenreiche Polizeiarbeit -auch in das Unrecht der nationalsozialistischen Jahre, in denen die Polizei das Unrecht und den Verstoß gegen die Menschenrechte aktiv förderte. Vor dem Recklinghäuser Polizeipräsidium am Westerholter Weg sind zwei Stolpersteine in den Boden eingelassen. Sie erinnern an Albert Funk und Heinrich Vörding. Sie starben 1933 nach Stürzen aus dem dritten Stock des Gebäudes – nachdem sie zuvor gefoltert worden waren. Politisch Verfolgte wie Funk und Vörding hätten das Polizeipräsidium damals wegen der brutalen Verhörmethoden der Gestapo „die Hölle von Recklinghausen“ genannt. Die Polizeipräsidentin erinnerte 2022 in ihrer Ansprache auch an die Gräueltaten des in Recklinghausen gebildeten Polizeibataillons 316, das im zweiten Weltkrieg bei Massenerschießungen Tausende Juden ermordet hatte. Und sie erzählt, wie wichtig bei der Auseinandersetzung mit diesem Teil der Geschichte der hiesigen Polizei die regelmäßigen Besuche des inzwischen verstorbenen Holocaust-Überlebenden Rolf Abrahamsohn im Präsidium waren.
Schon nach wenigen Jahren prägte sich durch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ein neues, gefürchtetes Bild auch von der Recklinghäuser Polizei. Unter Hans Vogel, SA-Brigadeführer, wurde die „Schutzhaft“ ausgeweitet, das Polizeipräsidium wurde zur Zentrale der Verfolgung der jüdischen Bewohner und Nazigegner, gegen die mit äußerster Brutalität vorgegangen wurde. Dorsten gehörte zur Gestapo-Dienststelle Recklinghausen, die zugleich Stapo-Leitstelle für den Regierungsbezirk Münster war und die 1934/35 von dem späteren Bürgermeister von Bottrop und Regierungspräsidenten von Münster und Minden, Dr. jur. Graf von Stosch, geleitet wurde. Die Verhörmethoden im Recklinghäuser Gestapo-Gefängnis waren gefürchtet, was auch etliche Dorstener erfahren konnten: Prügel, Folter, Terror, Totschlag. In einem Prozess 1947 wurden die Verantwortliche Stosch und Tenholt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aussageerpressung mittels Folter und Misshandlungen in 237 Fällen, darunter zwei Selbstmorde und zwei Vernehmungen mit Todesfolge, angeklagt. Der Leiter der Gestapo-Dienststelle im Polizeipräsidium Graf Stosch wurde freigesprochen, Kriminalrat Tenholt zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Bürgernahe Polizei und zuverlässiger Garant für die Sicherheit der Bürger
1945 mussten die Strukturen im demokratischen Sinne neu aufgebaut und der Zuständigkeitsbereich geändert werden. Die britischen Militärbehörden bildeten den Polizeiabschnitt C, die „Regierungspolizei Münster“, zu der neben den Städten Recklinghausen, Gladbeck, Bottrop auch der ehemalige Präsidialbezirk Herten, Waltrop, Datteln, Marl und Westerholt sowie die früheren Gendarmeriebezirke des RP Münster, darunter Dorsten, gehörten. 1953 bekam die Polizei in Recklinghausen einen Polizeipräsidenten an die Spitze der Kreispolizeibehörde. Die kommunale Neuordnung führte dann über die Gebietsreform 1975/1976 zu der heutigen Situation mit elf Städten (Kreis Recklinghausen und Bottrop). Unverändert geblieben ist der Auftrag als bürgernahe Polizei ein zuverlässiger Garant für die Sicherheit der Bürger zu sein.
Festlichkeiten und Informationen zum 100-jährigen Bestehen
Nachdenkliche Worte, Live-Musik und Grußbotschaften von Promis gab es beim Festakt 2022 „100 Jahre Polizeipräsidium Recklinghausen“. Eine neue Dauerausstellung beleuchtete gerade auch die NS-Zeit. Gefeiert wurde am Samstag aber nicht nur „100 Jahre Polizeipräsidium Recklinghausen“, sondern auch das zehnjährige Dienstjubiläum von Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen (Foto unten). Der leitende Regierungsdirektor Norbert Ackermann lobte ihren unermüdlichen Einsatz für die Belegschaft – und dass sie hart kämpfe um Technik, Personal und Gebäude. Tatsächlich konnte Zurhausen beim Festakt verkünden, dass die Polizeibehörde eine neue Großliegenschaft erhalten wird. Ein privater Investor werde den Neubau im Kreis errichten, so der Plan, und ihn dann an die Polizei vermieten. Untergebracht werden sollen dort laut Polizeipräsidentin Zurhausen etwa die Hundertschaft oder die Diensthundestaffel, die derzeit noch ihren Sitz am Beisinger Weg in Recklinghausen haben. Aber auch die Kriminalprävention plane man ein. „Außerdem soll es dort ein neues, regionales und damit überbehördliches Trainingszentrum geben.
Auf „historischem Pfad“ durch das Polizeipräsidium
Das Jubiläumsprogramm begann um 10 Uhr und klang gegen 18 Uhr aus. Auf dem Westerholter Weg, der während der Veranstaltung zwischen Herzogswall und Von-Bruchhausen-Straße für Fahrzeuge gesperrt war, wurde auf dem Parkplatz Am Steintor sowie auf dem Präsidiumsgelände viel geboten wie Live-Musik von der Band „Timeless Rock Music“ sowie vom Landespolizeiorchester. Vor dem Präsidium waren Vorführungen der Landesreiterstaffel und der Tanzformation „Police Revolution“ zu sehen, einer Gruppe tanzbegeisterter Polizistinnen und Polizisten aus ganz NRW. Die Landesturnriege der Polizei zeigte ihr Können, ebenso ein Höheninterventionsteam. Am Steintor gingen Taucher in einem großen Wassertank zu Demonstrationszwecken ans Werk. Nebenan stand ein Wasserwerfer, der bei drei Vorführungen in Aktion zu erleben war. Die Recklinghäuser Bereitschaftspolizeihundertschaft gab Einblicke in ihre Arbeit, ebenso die Diensthundeführerstaffel. Expertinnen und Experten für Verkehrsunfallprävention sowie Kriminalprävention informierten über Fragen der Verkehrssicherheit, zum Einbruchschutz und weiteren Aspekten rund ums Thema Sicherheit. Die Einstellungsberatung der Recklinghäuser Polizei war mit einem Infostand dabei, ebenso Teams der Direktion Verkehr, die über Sinn und Zweck von Kontrollen sowie über ihre Arbeit nach schweren Verkehrsunfällen aufklärte. Ausgestellt waren historische sowie moderne Polizeifahrzeuge, Uniformen, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände. In Kleingruppen konnten Teile des Polizeipräsidiums besichtigt werden. Auf den Rundgängen konnte das Polizeigewahrsam im 2021 eröffneten Neubau besichtigt werden. Außerdem gab es Einblicke in die Spurensicherung an Tatorten sowie die erkennungsdienstliche Behandlung von Tatverdächtigen. Zu sehen war auch eine neue Ausstellung über die 100-jährige Geschichte und die Entwicklung der Recklinghäuser Polizei. Die Ausstellung begann in Räumen im Erdgeschoss und setzt sich als „historischer Pfad“ auf Fluren im denkmalgeschützten Altbau fort. Für die kleinen Gäste gab es neben dem Programm für alle eine Hüpfburg, das Spielmobil und Kinderschminken. Außerdem konnten sie sich einen Kinderdienstausweis drucken – und mit nach Hause nehmen. Für Verpflegung war an zahlreichen Ständen gesorgt.
2023 begrüßte die Polizeipräsidentin F. Zurhausen 109 Neuzugänge
Im September 2023 hatte das Polizeipräsidium Recklinghausen 109 neue Polizisten und Polizistinnen eingestellt. Die meisten „Neuen“ haben gerade ihr Duales Studium beendet und kamen direkt von der Fachhochschule in die Behörde. Einige Neuzugänge wechseln aber auch aus persönlichen oder dienstlichen Gründen den Dienstort – und hatten sich das Polizeipräsidium Recklinghausen als neue berufliche Heimat gewünscht. Der Großteil der Neuzugänge wird Dienst auf den Einsatzwachen im Kreis Recklinghausen und in Bottrop versehen, doch auch die Direktion Kriminalität bekommt neue Kräfte.
Die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger hob die Polizei-Präsidentin Friederike Zurhausen (Foto) auf der Begrüßungsfeier in der Hertener Friedenskirche als eines der zentralen Behördenziele hervor: „Sie haben es in der Hand, den Bürgerinnen und Bürgern zu zeigen, dass sie sich auf uns verlassen können“, so die Polizeipräsidentin. „Egal, auf wen Sie im Einsatz treffen, den meisten Respekt verdienen Sie sich durch professionelles und rechtsstaatliches Handeln und durch empathisches Auftreten. Der Diensteid auf das Grundgesetz ist Ihr Rüstzeug für das ganze Berufsleben – und zugleich die Verpflichtung, sich für die Menschen einzusetzen, unabhängig von Religion, Hautfarbe oder Herkunft.“ Und auch wenn sich Polizisten im Dienst immer wieder Respektlosigkeiten, Anfeindungen und auch Angriffen erwehren müssten, habe die Polizei nach wie vor breiten Rückhalt in der Gesellschaft, so Zurhausen.
Derweil wirbt die Polizei NRW mit der Kampagne „Genau mein Fall!“ weiter um Nachwuchs. Neben Abiturienten sind die Pforten zum Einstellungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen auch für Berufswechsler offen. Außerdem gibt es seit dem Jahr 2022 einen neuen Weg zur Polizei NRW: Interessierte mit mittlerem Bildungsabschluss oder der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe können das „Fachabitur Polizei“ an ausgewählten Berufskollegs in NRW anstreben – darunter das Kuniberg-Berufskolleg Recklinghausen. Nach zwei Jahren Schule mit polizeispezifischen Inhalten und bestandenem „Fachabitur Polizei“ sowie weiterhin erfüllten beamtenrechtlichen Voraussetzungen steht der Weg frei zum Dualen Studium an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung.
Siehe auch: Polizei (Artikelübersicht)
Siehe auch: Polizeiaktion “Gegenwind”
Siehe auch: Polizeiwesen I (Essay)
Siehe auch: Polizeiwesen II (Essay)
Siehe auch: Polizeiwesen III (Essay)
Siehe auch: Polizei / Bürgerbeschwerden 2016
Siehe auch: Polizeiarbeit vor 200 Jahren
Siehe auch: Wasserschutzpolizei
Siehe auch: Polizei-Sondereinsatzkommando