Einheitliches Verwaltungshandeln absichern und den Umgang regeln
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hatte im März 2022 eine Wolfsverordnung für NRW vorgelegt. Künftig entscheidet ihr Haus über einen Abschuss. Neben Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen ist Nordrhein-Westfalen das vierte Bundesland mit einer derartigen Wolfsverordnung, die ein einheitliches Verwaltungshandeln sicherstellen und Entscheidungen der Naturschutzbehörden rechtlich absichern und unterstützen soll. Umweltschützer halten die Verordnung für wenig praktikabel. In der Grenzregion Niederrhein/Westfalen funktioniere die viel beschworene Koexistenz von Wolf und Mensch einfach nicht, sagte die Umweltministerin. In der Wolfsverordnung ist geregelt, welche Maßnahmen zur Wolfsabschreckung zulässig sind. Ein Überblick:
Verscheuchen: Wölfe, die sich Menschen, Weidetieren oder Gehegewild annähern oder sich in oder nahe bebauten Ortsteilen bewegen, dürfen verscheucht werden – etwa durch Lärm oder das Bewerfen mit Gegenständen.
Vergrämung: Die nächste Stufe, die Vergrämung, darf in erster Linie von geeigneten Personen, etwa von Jägern, vorgenommen werden. Vergrämung bedeutet etwa das Beschießen mit Gummigeschossen, das Abgeben von Warn- oder Schreckschüssen, die Verwendung künstlicher Lichtquellen oder Spiegel sowie akustischer, elektrischer oder elektronischer Geräte. Dem Wolf dürfen dabei keine schwereren Verletzungen zugefügt werden. Für eine Vergrämung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: So muss sich der erwachsene Wolf mehrfach einem Menschen, der sich weder in einem Fahrzeug noch auf einem Hochsitz aufhält, auf weniger als 30 Metern genähert haben. Gleiches gilt für von Menschen genutzte Gebäude. Das unerwünschte Verhalten des Wolfes muss durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz dokumentiert sein. Tierhalter dürfen ebenfalls selbst den Wolf zum Schutz ihrer Weidetiere vergrämen, wenn sich der Wolf nicht verscheuchen lässt.
Abschuss: Das Töten des Wolfes, die sogenannte Entnahme, wird erlaubt, wenn Dokumente des Landesumweltamtes (Lanuv) bestätigen, dass der Wolf einen Menschen verletzt, ihn „unprovoziert“ verfolgt oder sich ihm gegenüber in sonstiger Weise aggressiv gezeigt hat und sich nicht verscheuchen oder vergrämen lässt. Die Verordnung sieht zudem bei „ernsten wirtschaftlichen Schäden“ einen Abschuss vor. Künftig entscheidet nicht mehr der Landrat über eine Entnahme, sondern das Ministerium.
Peilsender: Vorgesehen ist in der Wolfsverordnung auch das Ausstatten einzelner Tiere oder auch des ganzen Wolfsrudels mit einem Sender.
Kritik der Umweltschützer: „Völlig unnötig, im Alltag kaum umsetzbar“
Kritik kam von Umweltschützern. „Diese Wolfsverordnung ist völlig unnötig. Unsere Bedenken sind größtenteils nicht aufgegriffen worden“, sagte Christian Chwallek, Vize-Landesvorsitzender des Nabu. „Im Alltag wird sie kaum umsetzbar sein. Ein Beispiel ist die Vergrämung der Wölfe. Sie müsste genau in dem Moment erfolgen, wenn der Wolf ein Weidetier reißen will, damit für ihn ein kausaler Zusammenhang hergestellt wird und ein Lerneffekt eintritt.“ Positiv bewertete er, dass die Ministerin künftig über die Entnahme entscheidet – und nicht länger die Landräte. „Das kann Druck vom Kessel nehmen, weil die Hauptverwaltungsbeamten in den Kreisen doch oft zu nah dran sind an den Interessensgruppen.“
2023: In NRW fordern Landwirtschaftsvertreter den Abschuss von Wölfen
Landwirte, Jäger, Nutztierhalter und Züchter forderten im Juli 2023 von der Bundespolitik einschneidende Verschärfungen in der Wolfspolitik Deutschlands. In einem scharf formulierten Schreiben an die Bundesumweltministerin (Grüne) verlangten die führenden Bundesverbände eine jährlich festzulegende „Entnahmequote“ für Wölfe, die auf die Bundesländer verteilt werden soll. Raubtiere sollen getötet werden, um den Bestand zu regulieren – auch unabhängig von auffälligen Problemtieren. In bestimmten Zonen sollten Wölfe geschützt werden, in anderen „mit den Einschränkungen der geltenden Jagdvorschriften bejagt werden“. Das Bundesnaturschutzgesetz solle entsprechend geändert werden. Auch und gerade in Nordrhein-Westfalen seien Abschussquoten nötig, heißt es beim hiesigen Rheinischen Landwirtschaftsverband.
Der Naturschutzbund (Nabu) NRW kritisierte die Regelung als nicht sinnvoll und wies darauf hin, dass aus anderen europäischen Ländern, wo Wölfe geschossen werden, es Probleme mit Rissen gebe. Beispielsweise in Frankreich, wo die Wolfspopulation inzwischen so dezimiert sei, dass der vom Gesetz verlangte „günstige Erhaltungszustand“ der Art schon nicht mehr gesichert sei. Die regierungstragenden Fraktionen von CDU und Grünen im NRW-Landtag lassen sich auf die Frage nach Abschuss-Quoten nicht ein. Sie arbeiten an einer rechtssicheren Lösung, um sogenannte Problemwölfe – Wölfe, die innerhalb von vier Wochen zweimal Weidetiere angegriffen haben oder anderweitig auffällig geworden sind – entnehmen (töten) zu können. Bereits bestehenden Regelungen müssten konsequent umgesetzt und die Weidetierhalter umfassend beim Herdenschutz unt0erstützt werden“, erklärten CDU und Grüne.
Unterdessen war die Zahl der bekannten Wolfsreviere in NRW weiter gestiegen. Seit diesem Sommer 2023 gilt auch im Märkischen Kreis im Sauerland eine Wölfin als fest ansässig. Die Fähe mit der Kennung GW2856f bewegt sich offenbar vorwiegend im Bereich des Ebbegebirges. Damit sind in NRW nun fünf dauerhaft besetzte Territorien registriert: bei Schermbeck, Haltern, dem Dämmerwald im Kreis Wesel, Leuscheid an der Grenze zu Rheinland-Pfalz und nun im Märkischen Kreis. Spezielle Regeln und Förderungen für Herdenschutzmaßnahmen gibt es in offiziell ausgewiesenen „Wolfsgebieten“ mitsamt Pufferzonen. Bereits seit einem Jahr prüft das Landesumweltministerium (Grüne), ob wegen des Reviers bei Haltern das benachbarte Wolfsgebiet Schermbeck erweitert werden oder ein neues ausgewiesen werden soll. Einen neuen Sachstand dazu gibt es bislang nicht (Quelle: Hagen Strauß / Sina Zehrfeld in DZ vom 2. Aug. 2023).
Siehe auch: Wolf erschossen
Siehe auch: Wölfin – Dorsten ihre Revier?
Siehe auch: Wolf 1826 erlegt
Siehe auch: Wölfe/Nachrichten
Siehe auch: Wolfsland Schermbeck / Kirchhellen
Siehe auch: Wolfsjagden im Vest (Essay)
Siehe auch: Wolfsberater