Gillich, Victor

Der „Russlanddeutsche“ kam mit seiner Familie 1995 nach Wulfen-Barkenberg

Geboren 1941 im südlichen Kasachstan. – So genannter Deutschrusse, Deutschlehrer in Russland, verzog 1995 nach Deutschland resp. Wulfen-Barkenberg. Hier kümmerte er sich aufopferungsvoll und ehrenamtlich um die Probleme von Flüchtlingsfamilien. Victor Gillich arbeitete sofort bei der Caritas. Aufgrund seiner guten Sprachkenntnisse konnte er den anderen Russlanddeutschen in Wulfen helfen und so für einen guten Start in der neuen Heimat sorgen. Er gab Sprachkurse für Aussiedler aus Russland. Er gab Kindern Nachhilfe in der Gesamtschule, in der Matthäusschule und in der Blauen Schule. Seit einigen Jahren ist Victor Gillich im Dorstener Integrationsforum tätig. Für seine soziale Tätigkeit erhielt Victor Gillich 2014 den Ehrenpreis der Stadt Dorsten mit Urkunde und Ehrennadel. Vor fast 700 beeindruckenden Zuschauern in der voll besetzten Aula der St. Ursula-Realschule am Nonnenkamp sagte er: „Wenn die Existenz und die Seele zerstört sind und der Kopf durcheinander ist, dann helfe ich.“

„Irgendwann kommt ihr vielleicht wieder nach Deutschland“

Victor Gillich wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Dschambul (heute Taras) und ging dort zu Schule, in der Kasachisch gesprochen wurde, in seiner Familie allerdings Deutsch. Als er 13 Jahre alt war, verzog seine Familie vom südlichen Kasachstan in ein großes russisches Dorf. Victor lernte Russisch und blieb bis zum 17. Lebensjahr auf der Schule und begann dann eine Lehre als Zimmermann. Nach seiner Militärzeit arbeitete er in seinem Dorf als Bau-Zimmermann. Parallel dazu besuchte er die Abendschule und holte sein Abitur nach. Schon damals hegte er den Wunsch, die deutsche Sprache richtig zu erlernen. Denn zuhause sprach man einen deutschen Dialekt, der sich vom Hochdeutschen deutlich unterschied. Sein Großvater sagte immer: „Vergiss nicht das Deutsche! Irgendwann kommt ihr vielleicht wieder nach Deutschland.“ Das Studium dauerte fünf Jahre. Den Abschluss schaffte er mit Auszeichnung. Gillich arbeitete als Deutschlehrer an einer Grund- und Abendschule. Es war gerade angeordnet worden, dass an jeder Grundschule, an der mehr als zehn deutschstämmige Kinder waren, zweimal in der Woche „muttersprachlicher Unterricht“ stattzufinden hatte. Im April 1973 ging Victor als Deutsch- und Klassenlehrer an eine große „Zentralschule“. Hier lernte er seine Frau Nadeshda kennen, die dort ebenfalls unterrichtete. 1977 stand der nächste Stellenwechsel an. Er hatte die Möglichkeit, an ein „Berufskombinat“ zu gehen. Diese Schulform besuchten Jugendliche in der Sowjetunion nach der mittleren Reife, um sich beruflich zu orientieren. Hier wurde Victor Gillich stellvertretender Schulleiter. Sein Vorgesetzter war auch deutschstämmig. Diese doppelte Präsenz von Deutschen war der Schulaufsicht ein Dorn im Auge. Deshalb arbeitete er von 1983 bis 1988 als Schulleiter an einer anderen Schule in Dschambul. An der Schule lernte er die deutschrussische Lehrerin Nadesha Bratzel kennen, eine Wolgadeutsche, deren Familie aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet vertrieben worden war. Die beiden heirateten und bekamen 1983 eine Tochter.

Die Spannung zwischen Russen und Kasachen stieg

Mit dem Beginn der Ära Gorbatschow kam es seit 1986 in Folge der Politik von „Perestroika“ und „Glasnost“ zu Unruhen und ersten Aufständen in Kasachstan. Die Kasachen forderten größere Autonomie. Die Spannungen zwischen Russen und Kasachen wuchsen. Die Sowjetunion stand schon kurz vor ihrem Zusammenbruch. Victor Gillich wollte weg aus dieser Unruheregion. Man bot ihm an, in Nojabrsk, im hohen Norden Sibiriens, Schulleiter zu werden. So zog er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter nach Nojabrsk. Anfang der 1990er-Jahre nahm er an drei Kongressen der Russlanddeutschen in Moskau teil, die das Ziel verfolgten, eine autonome Wolgarepublik für die Deutschen in Russland zu gründen. Als dieses Projekt am Widerstand des Präsidenten Jelzin und der russischen Wolgabevölkerung scheiterte, stellte er einen Antrag auf Ausreise nach Deutschland. Im September 1995 durften Victor Gillich mit Familie nach Deutschland ausreisen. Nach einem zweimonatigen Aufenthalt im Aufnahmelager Peitz gelang es ihnen, eine Wohnung in Wulfen-Barkenberg zu bekommen.

Siehe auch:


Quellen: DZ vom 15. Dez. 2014. – „Neue Heimat in Wulfen-Barkenberg“ Info-Blatt des Heimatvereins  

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