Steuerhinterziehung

Dorstener Millionenerbe steckte juristisch den Kopf in den Sand

Ein seltsamer Vorgang spielte sich 2011/12 vor dem Bochumer Schöffengericht ab. Ein 44-jähriger Dorstener, der von seinem Vater ein Millionen-Erbe erhalten hatte, hinterzog 167.000 Euro Erbschaftssteuer und musste sich deshalb vor Gericht verantworten. Dreimal war ein Verhandlungstermin angesetzt und dreimal war der Angeklagte nicht erschienen. Dennoch wurde er jedes Mal verurteilt. Die kuriose Justizgeschichte begann im August 2008. Damals hatte der Dorstener als gesetzlicher Erbe von seinem verwitweten Vater Bargeld und Immobilien im Gesamtwert von rund 1,1 Millionen Euro geerbt. Über die Banken des Vaters erfuhr das für Dorsten zuständige Bochumer Finanzamt von dem Vermögen. Der Dorstener verhielt sich nach dem Tod des Vaters aber sonderbar passiv. Er beantragte zum Beispiel keinen Erbschein, schlug das Erbe aber auch nicht aus. Damit war er automatisch erbschaftssteuerpflichtig. Weil er die Abgaben aber nicht zahlte, wurde er wegen Steuerhinterziehung angeklagt.

Einspruch wegen Nichterscheinens vor Gericht abgewiesen

Der angesetzten Verhandlung blieb der Dorstener, der damals noch in Düsseldorf wohnte, ohne Entschuldigung fern. In Abwesenheit verteilte ihn das Gericht zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung. Dagegen legte sein Pflichtverteidiger Einspruch ein. Zur Verhandlung erschien der Angeklagte aber wieder nicht, so dass das Urteil in seiner Abwesenheit bestätigt wurde. Damit war der Fall noch nicht erledigt. Denn der Anwalt des Angeklagten bezweifelte die ordnungsgemäße Ladung zum Gerichtstermin, weil sein Mandant mittlerweile von Düsseldorf wieder nach Dorsten verzogen war. Das Gericht setzte einen neuen Verhandlungstermin an, bei dem das Gericht, der Staatsanwalt und Verteidiger wiederum vergebens auf den angeklagten Millionenerben warteten. Das Gericht verwarf daher in Abwesenheit des Dorsteners den Einspruch zu seinen Lasten. Bernd Kiesewetter schrieb in der WAZ:

„Der Mann scheint juristisch den Kopf in den Sand zu stecken. Der Grund dafür ist den Juristen ein Rätsel. Auf Anschreiben seines Anwalts reagiert er nicht. […] Der Anwalt und das Gericht wissen nicht einmal, ob er das Erbe überhaupt entgegengenommen hat, was er beruflich macht und wovon er lebt. Allerdings: Das Finanzamt ist dabei, zu vollstrecken. Einzelheiten wurden vor Gericht nicht erörtert. Und außerhalb des Saales gilt das Bank- und Steuergeheimnis.“


Quelle:
Nach Bernd Kiesewetter „Millionenerbe hält die Strafjustiz in Bochum auf Trab“ in WAZ vom 19. Juni 2012.

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