Im Revier ist Essen eine Hochburg, gefolgt von der Kreisstadt Recklinghausen
Im Kampf gegen kriminelle Clans hat die Polizei in NRW 2020 etwas mehr Tatverdächtige ermittelt als im Jahr davor; die Zahl stieg auf 3826 Personen (plus 1,2 Prozent). Gleichzeitig ging die Zahl der festgestellten Straftaten um 5,3 Prozent auf 5778 zurück. Das geht aus dem neuen Lagebild zur Clankriminalität in NRW hervor, einer 44-seitigen Analyse des Landeskriminalamtes (LKA). Demnach begehen Clans weiterhin die meisten Straftaten in den Großstädten des Ruhrgebiets – und das mit Abstand. Essen bleibt die Hochburg dieses Milieus; 699 Clan-Delikte verzeichnete die Kreispolizeibehörde Essen in ihrem Einzugsgebiet. Es folgen Recklinghausen (487), Gelsenkirchen (469), Bochum (365), Dortmund (357), Duisburg (343), Köln (270) und Düsseldorf (210).
Straftaten und Täter: Mehr als 70 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen haben nur eine einzige Straftat begangen; bei knapp fünf Prozent wurden fünf oder mehr Straftaten dokumentiert. Demnach begingen 4,5 Prozent der Tatverdächtigen rund 23 Prozent der Straftaten. Fast 30 Prozent der Straftaten (1630 Fälle) machen Gewalttaten aus – dazu zählt auch Freiheitsentzug. Häufig werden von Clan-Angehörigen auch Vermögens- und Fälschungsdelikte, Diebstähle und Straftaten im Straßenverkehr begangen. Die meisten Tatverdächtigen sind zwischen 26 und 30 Jahren alt, 82 Prozent sind männlich. Der Großteil (1979 Personen) von ihnen besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit; es folgen Libanesen (651), Syrer (535), Türken (414). Bei den übrigen ist die Staatszugehörigkeit ungeklärt, oder sie werden als staatenlos geführt.
Finanzermittlungen: Sie wohnen zum Teil in Villen und fahren teure Autos: Angehörige krimineller Clans protzen häufig mit Reichtum, der mutmaßlich zu großen Teilen aus kriminellen Geschäften stammt. Die Behörden versuchen, die zum Teil schwer durchschaubaren Finanzströme offenzulegen und auszutrocknen. 2020 haben die Sicherheitsbehörden durch sogenannte vermögensabschöpfende Maßnahmen in 48 Verfahren knapp vier Millionen Euro von Clan-Angehörigen und Mittätern eingezogen. 2019 waren es rund zwei Millionen Euro.
Organisierte Kriminalität: Clankriminalität spielt in dem Bereich eine größer werdende Rolle. Von den 80 im Jahr 2020 erfassten Ermittlungsverfahren der Organisierten Kriminalität (OK) waren 16 von türkisch-arabischstämmigen Clan-Familien dominiert. Dabei geht es vor allem um Rauschgift und Geldwäsche. In zwölf der 16 Verfahren betrug die Höhe der durch die kriminellen Aktivitäten erzielten wirtschaftlichen Vorteile rund 9,5 Millionen Euro. In diesen 16 Verfahren sind 518 Verdächtige mit 31 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten – neben Tatverdächtigen mit ungeklärter oder ohne Staatsangehörigkeit – erfasst worden. Knapp ein Drittel von ihnen besitzt eine libanesische Staatsangehörigkeit.
Drogen: Kriminelle Clans bauen mit ihren familiären Strukturen nationale und internationale Netzwerke für den Drogenschmuggel- und Handel auf. Laut Lagebild sind sie beteiligt an ausländischen Drogenproduktionsstätten und deren Finanzierung. Zudem kümmern sie sich um den Transport nach NRW und den Handel dort. Dabei kommt es immer wieder zu gewalttätigen Konflikten: Im Juni 2020 eskalierte eine Auseinandersetzung im Drogenmilieu zwischen einem Afghanen und einem Libanesen in einem Tötungsdelikt. Auslöser war ein Streit darüber, wer in einem bestimmten Gebiet berechtigt sei zu dealen. Der Täter stach das Mitglied einer großen Clanfamilie mit einem Messer nieder; das Clanmitglied starb.
„Siko Ruhr“ macht weiter – Projekt wird fünf Jahre verlängert
Eine nach Angaben des NRW-Innenministeriums bundesweit einzigartige Dienststelle zur Bekämpfung der Clankriminalität wird um fünf Jahre verlängert. Die „Sicherheitskonferenz (Siko) Ruhr“ soll nun bis mindestens 2030 laufen. In dem Team arbeiten Vertreter von Landespolizei, Ruhrgebietskommunen, Zollbehörde und Bundespolizei zusammen. „Die Siko Ruhr ist ein Meilenstein beim Kampf gegen Clankriminalität. Und weil der Kampf noch nicht beendet ist, machen wir auch mit der Siko Ruhr weiter“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). „Ich bin froh, dass wir das erfolgreiche Projekt verlängern und so den Clankriminellen weiter das Wasser abgraben“, so der Minister. – Die „Sicherheitskonferenz Ruhr“ war 2020 im Rahmen der Ruhr-Konferenz an den Start gegangen (dpa).
Großkontrollen im Kreis Recklinghausen, Bottrop und Berlin
Im Ruhrgebiet und in Berlin hat es am 26. Januar 2024 Razzien im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Clankriminalität gegeben. Bei Großkontrollen im Ruhrgebiet sind unter anderem scharfe Munition und Spielautomaten sichergestellt worden. Durchsucht wurden Shisha-Bars, Cafés und Spielhallen. Insgesamt habe es sich den Angaben zufolge um zehn Objekte in Herten, Bottrop und Gladbeck gehandelt. Beteiligt an den Großkontrollen waren neben der Polizei auch Zoll, Steuerfahndung, Ordnungsämter und das Ausländeramt. „Wir wollen das Sicherheitsgefühl der Menschen verbessern – und dazu gehört auch, dass wir regelmäßig gegen mögliche Aufenthalts- und Rückzugsorte von kriminellen Gruppen vorgehen. Die Bedeutung wurde jetzt auch nochmal durch die Verlängerung der SiKo Ruhr bestätigt“, sagte Recklinghausens Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen.
Die Sicherheitskooperation zur Bekämpfung der Clankriminalität (SiKo), eine nach Angaben des NRW-Innenministeriums bundesweit einzigartige Dienststelle, wurde vor wenigen Tagen bis mindestens 2030 verlängert. Die SiKo Ruhr war 2020 im Rahmen der sogenannten Ruhr-Konferenz an den Start gegangen. Bei den Durchsuchungen in NRW wurden mehrere Strafanzeigen gestellt wegen des Verdachts des illegalen Glücksspiels, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, des Verdachtes des illegalen Aufenthaltes und Verkehrsvergehen. Auch wurden mehrere Kilo unversteuerten Tabaks und unversteuerte Zigarettenstangen sichergestellt. Festnahmen gab es nicht (dpa).
Teilweise entnommen: Christian Schwerdtfeger „So kriminell sind Clans in NRW“ in DZ vom 31. August 2021