Der Dorstener „Reichsbürger“ sieht in der Bundesrepublik nur eine GmbH
W. St. – Geboren 1965 in Dortmund; wohnhaft in Dorsten, verheiratet, sechs Kinder, tätig im Garten- Landschaftsbau. – Von Ferme sind eine abgeschlossene Ausbildung als Straßenbauer und eine Zertifizierung im Qualitätsmanagement bekannt. Darüber hinaus ist er zum Betriebswirt gemäß HWK ausgebildet, absolvierte die Akademie des Handwerks am Schloss Raesfeld und eine Ausbildung zur Arbeitssicherheit an Baustellen am HBZ in Münster. Aktuell gibt Ferme eine Beschäftigung als Bauleiter im Straßen-Tief- und Kanalbau bzw. Garten- und Landschaftsbau an. Er ist ein Vertreter von Reichbürgerthesen und verbreitet rechtspopulistisches Gedankengut. Darüber hinaus vertritt Franz-Josef Ferme eine ganze Reihe von Verschwörungstheorien. Er trat 2013 für die AFD als Direktkandidat im Wahlkreis 125 (Dorsten, Gladbeck und Bottrop) an und erreichte dort 3,8 Prozent der Erststimmen. Eigenen Angaben zufolge hat Ferme die AfD mittlerweile verlassen. Auf seinem Facebook-Account präsentiert Ferme allerdings immer noch Fotos zur AfD und ihren Parolen aus den Jahren 2013/14 und dokumentiert die offensichtlich immer noch vorhandene ideologische Nähe zu rechtspopulistischen Themen. Dies wird durch diverse Kommentare dokumentiert, in denn er z. B. von einem Asyl-Tsunami spricht. Nach seiner Kandidatur als Direktkandidat in Bottrop bei der Bundestagswahl 2013 kandidierte Ferme 2014 auf dem Bundesparteitag in Erfurt für das Amt des stellvertretenden AfD-Sprechers der Bundespartei, wurde aber nicht berücksichtigt. Nachdem Ferme aufgrund bizarrer und wirrer Beiträge auf AfD-Portalen gesperrt wurde, trat er 2016 aus der AfD aus. Im Internet bat Ferme um Spenden für seine Aufklärungsarbeit und den Kampf gegen die angeblich „korrupte BRD“.
Der Prozess vor dem Dorsten Amtsgericht geriet zum absurden Theater
Franz-Josef Ferme äußerte bei vielen Gelegenheiten seine Ansichten zum Status der Bundesrepublik Deutschland und den Legitimationen von Institutionen und Personen die in ihrem Auftrag handeln, sowie der Gültigkeit von Gesetzen und Verordnungen. Er schrieb: „Nachdem ich das verlogene ,Spiel’ durchschaut hatte, habe ich mich am 18. 08. 2015 ,rechtlich gesehen’ als Mensch zu erkennen gegeben und mich als lebendig erklärt. Ich habe den Handelsgerichten (Ja, es gibt in diesem Land keine Staatsgerichte) zu erkennen gegeben, dass ich niemals eine Person (Fiktion, tote Sache) sein kann.“ So ist Ferme, ganz im Stile von Reichsbürgern, gegen Rundfunkgebühren und deren Beitreibung vorgegangen. Im Verlauf dieser Vorgänge hat er an Bedienstete der Justiz Rechnungen verschickt, Schadensersatzforderungen gestellt und angedroht, diese Forderungen an entsprechende Inkassobüros zu verkaufen. Dies führte zu einem Strafbefehl der – von ihm so bezeichneten – „Firma Staatsanwaltschaft Essen“ und zu einer Gerichtsverhandlung vor dem Dorstener Amtsgericht am 19. April 2016 sowie einer Verurteilung wegen Nötigung in zwei Fällen. Michael Klein berichtete darüber am 20. April 2016 in der „Dorstener Zeitung“ unter dem Titel „Reichsbürger sorgten für starke Polizeipräsenz – Prozess gerät zum absurden Theater“.
Der Angeklagte Ferme hatte im Vorfeld über das Internet Gleichgesinnte als „Prozessbeobachter“ zur Teilnahme an seinem Prozess aufgerufen. Daher fand der Prozess unter starker Polizeipräsenz statt. Dem Angeklagten wurde versuchte Erpressung vorgeworfen. Er hatte sich hartnäckig geweigert, Rundfunkgebühren zu bezahlen, da sie seiner Meinung nach „illegal“ seien. Daher stellte er wegen des Schriftverkehrs, den er auch mit dem Amtsgericht führen musste, eben diesem Amtsgericht eine Rechnung in Höhe von mehr als 60.000 Euro, welche die Behörde natürlich nicht bezahlte, worauf Franz-Josef Ferme androhte, seine Forderungen an Inkassofirmen zu verkaufen. Dafür kassierte er einen Strafbefehl wegen versuchter Erpressung, gegen den er Einspruch einlegte. Es kam zur Strafanzeige und zum Prozess. Der Angeklagte stellte zu Beginn der Verhandlung in Abrede, selbst die betreffende Person des Angeklagten zu sein: „Die ist nur eine juristische Fiktion, ich bin ausweislich der Knabe Franz-Josef“, erklärte er. Ferme forderte dann seinerseits den Richter auf, sich ihm gegenüber auszuweisen. Als der Richter sich natürlich weigerte, entrüsteten sich lautstark die 20 bestellten „Prozessbeobachter“. Auch der Angeklagte schrie seine Forderungen heraus, so dass die Anklageverlesung des Staatsanwalts im Tumult unterging.
Mit den Worten „Als Souverän erkläre ich diese Verhandlung für gescheitert“ verließ Ferme den Gerichtssaal und kehrte trotz Aufforderung des Richters nicht zurück. In seiner Abwesenheit erging das Gefängnis-Urteil. Die Gerichtskosten in Höhe von 2855 Euro nahm Ferme zum Anlass, um Spenden zu bitten, ein im Reichsbürgermilieu oft zu beobachtender Vorgang. Als Anreiz stellte er Spendern ab 20 Euro eine namentlich Erwähnung in seinem geplanten Buch in Aussicht.
Facebook anonym: „Das war heute ein Affentanz im Amtsgericht Dorsten!“
Nach Veröffentlichung eines online-Artikels über die Dorstener Gerichtsverhandlung, geschrieben für das Reichsbürgermilieu aus der Sicht Franz-Josef Fermes, kamen mehr als 50 Kommentare, ebenso alle aus „reichsbürgerlicher Sicht“. Hier eine Auswahl:
Malu Reis: Von einem „Amtsgericht“ kann ich erwarten, dort Juristen vorzufinden, die den Sinn eines Schreibens verstehen und wissen, was AGBs sind und sich nicht nachher mit Fracksausen versuchen, aus der Affäre zu ziehen.
Jutta: „Die Forderung darf verkauft/verschenkt werden? Im Ausland wird sich durchsetzungsfreudiges Klientel finden lassen! Tu es! Stiel dem „Dorstener Gericht einen rein!“ Freude! Das System der Täuschung zerbröselt, endlich!“
Anonym: Das war ja heute ein Affentanz im Amtsgericht Dorsten. 2 fette Sicherheitsschleusen… und 14 Polizisten sowie 4 Justizbeschäftigte. Wovor haben die Angst? Vorm Volk? Traurigerweise ist es ja noch viel schlimmer … sind wir illegale Außerirdische? Die Polizisten hätten m. E. die Pflicht gehabt, den Richter sofort einzuknasten… Er hat sich nicht ausgewiesen, keinen Namen oder sonst was genannt sondern wie ein Roboter einfach versucht loszulegen. Die Verhandlung ist übrigens nicht eröffnet worden.
BB: Hat der „Richter“ hingeschmissen und wie wurde die geplatzte Eröffnung gegenüber dem „Rundfunkbeitragsverbrecher“ Franz-Josef begründet? Wäre gut, wenn etwas mehr berichtet würde, ein Mitschnitt mit einer Spycam wäre sehr hilfreich und auch gutes Schulungsmaterial.
Bazi: Das System sitzt stärker als jemals zuvor im Sattel und legt künftig erst noch richtig los – leider. Es geht leider kaum noch mit Gewalt, da die „Waffen“ ungleich verteilt sind. „Böller“ gegen MP´s! Aber war der Franz nicht mit „gelben Schein“ und „Staatsbürgerschaft vor 1914“ ausgestattet? Hat er sich im Gericht vielleicht „hingesetzt“?
Anonym: Franz hat keinen Staatsangehörigkeitsausweis und er hat sich nicht auf die Anklagebank gesetzt. Und er wird sich das fragliche Buch auch nicht leisten können und wollen…
Sandra68: Unglaublich … Man bekommt langsam Sorge hier im Ländle…Ernsthafte Sorgen. Das zeigt aber, dass das System am Abnibbeln ist.
Fermes Verschwörungstheorien – auch Valium im Trinkwasser
Im Oktober 2016 äußerte sich Ferme auf einem Blog zur AfD und unterstellte ihr dort eine Nähe zu den Freimaurern. Ferme vertritt er bis heute eine Reihe weiterer Verschwörungstheorien wie z. B. Zwangsimpfungen, Kontrolle der Geburten durch Genmanipulationen, Valium im Trinkwasser u. v. a. m. Er befasste sich auch mit der Freimaurerei und stellte deren Logo mit de, der AfD gleich und verband es mit dem sogenannten Saturnalienkult. Dazu sieht er eine Verbindung zwischen dem Gründer des Lions Club, welcher Freimaurer war, und dem Schöpfer des AFD-Logos, der wiederum Mitglied im Lions Club ist/war. Ferme ließ erkennen, dass er wegen einer Anzahl wirrer und irrationaler Beiträge mit verschwörerischem Hintergrund sogar auf diversen AfD-Seiten und -Portalen gesperrt worden war In der Folge wurde Franz-Josef Ferme mehrfach aus weiteren laufenden Diskussionen ausgeschlossen. Mit seinen Grundideen macht Franz-Josef Ferme weiter: „Staaten sind Organisationen zur gemeinschaftlichen Plünderung anderer Länder und deren Einwohner. Es sind Instrumente zur Versklavung und Unterwerfung ganzer Stämme. Staaten sind Instrumente des Krieges.“
Vortragsredner im „Bürger Stammtisch Dorsten“ im Café De Luxe
Als sich im Hervester Café De Luxe am Hellweg 94 der sogenannte „Bürger Stammtisch Dorsten“ etablierte, hielt Franz-Josef Ferme den Eröffnungsvortrag zum Thema „Betrug am Deutschen Volk“. Weitere Vorträge folgten sonntags einmal im Monat zu den Themen: „BRD GmbH (Deutschland eine Firma). „Staatsangehörigkeit“ (Deutsch 3. Reich), „Personalausweis“ (legal versklavt), „Hierarchie der Juristik“ (Mensch oder Person), „Strukturen des Rechtswesen“, zum Geldwesen und andere. In einem von „Reichsbürger“-Rhetorik geprägten Beitrag aus dem Mai 2018, welcher sich überwiegend aus Zitaten und Bildern bekannter Autoren zusammensetzt, beklagt Ferme die prekäre Gesamtsituation und die Umstände in denen er existieren muss. Auch thematisiert er seinen gescheiterten Versuch in der AfD Fuß zu fassen und kritisiert deren, offensichtlich von ihm als zu gering empfundene Unterstützung bei seinen „Reichsbürger“-Aktivitäten.
Zur Sache:
Reichsbürger nicht nur Sammelbecken von harmlosen Spinnern
Der Begriff „Reichsbürger“ soll insbesondere eine sprachliche Abgrenzung zu „Bundesbürgern“ darstellen, da sich die Anhänger dieser Ideologie selbst nicht als Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, sondern des Deutschen Reichs, teilweise auch als staatenlos, begreifen. Jedoch hat der Begriff auch weitere (historische) Hintergründe: Insbesondere referiert er auf das nationalsozialistische Reichsbürgergesetz von 1935, welches den Begriff „Reichsbürger“ als neue Kategorie von deutschen Staatsbürgern einführte, die im Gegensatz zu bloßen „Reichsangehörigen“ volle Bürgerrechte besaßen. Damit sollten „Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes“ von „Angehörige[n] rassefremden Volkstums“, insbesondere Juden, abgegrenzt werden. Bis dahin waren alle Bürger des Deutschen Reichs schlichtweg als „Staatsangehörige“ bezeichnet worden.
„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sind kein neues Phänomen, sondern in ständig neuen Ausprägungen schon seit Jahrzehnten aktiv. „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ lassen sich dabei kaum unterscheiden. Sie alle bedienen sich meist nahezu identischer Argumentationsmuster: Während „Reichsbürger“ sich dabei auf die Fortexistenz eines wie auch immer gearteten „Deutschen Reiches“ fokussieren und deswegen die Bundesrepublik Deutschland ablehnen, verstehen sich „Selbstverwalter“ hingegen dem Staat als nicht zugehörig und erklären sich mitunter für unabhängig oder ausdrücklich ihren „Austritt“ aus der Bundesrepublik Deutschland. Oftmals berufen sie sich auf eine UN-Resolution, die es angeblich ermöglichen soll, sich zum „Selbstverwalter“ zu erklären. Gelegentlich markieren sie ihr Wohnanwesen durch „Grenzziehungen“, „Schilder“, „Wappen“ oder andere Kennzeichen, aus denen die „Selbstverwaltung“ hervorgehen soll. Mitunter wird der eigens erschaffene „Verwaltungsraum“ auch gewalttätig verteidigt
In den 1980er-Jahren als „Kommissarische Reichsregierung“ entstanden
Als Ursprung der Bewegung wird häufig Wolfgang Ebel gesehen, ein Fahrdienstleiter der Berliner S-Bahn, der dort 1985 die Kommissarische Reichsregierung (KRR) gründete. Ebel schuf die erste Organisation der Szene. Die Ideen aber sind älter und nicht von ihm. Sie stammen von Rechtsradikalen. Menschen wie der Rechtsterrorist Manfred Roeder und der Holocaustleugner und Volksverhetzer Horst Mahler haben sich die meisten der Theorien und Versatzstücke ausgedacht, mit denen Reichsbürger bis heute hantieren. Seit den 1980er-Jahren existieren diverse Gruppen, die Verschwörungstheorien anhängen und davon ausgehen, dass das Deutsche Reich fortbesteht und die Bundesrepublik Deutschland rechtlich gesehen nicht existiert. Etliche Akteure sind in der rechtsextremen Szene aktiv. Diese Menschen erkennen auch Gerichte oder die Polizei oft nicht an. Gleichzeitig stehen einige von ihnen aber als Beamte sogar in Lohn und Brot beim Staat. So sind im Bundesland Bayern vier Polizisten bei den Reichsbürgern aktiv. Einer wurde deshalb bereits vom Dienst suspendiert. (APA, 24. 10. 2016)
Vom Verfassungsschutz beobachtet – Rund 19.000 Personen zugerechnet
Die Reichsbürger – ein Sammelbecken harmloser Spinner? Verfassungsschützer fürchten terroristische Einzeltäter aus der von Verschwörungstheorien geprägten Szene. Die deutsche Reichsbürgerbewegung wird seit November 2016 bundesweit vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Als erstes Bundesland hatte zuvor schon Sachsen-Anhalt eine landesweite Beobachtung durch seinen Verfassungsschutz eingeleitet. 2020 beobachten sämtliche Landesämter die „Reichsbürger und Selbstverwalter“ in ihren Zuständigkeitsbereichen. Das Phänomen wird teilweise unter dem Rechtsextremismus subsumiert. Mit Stand zum 31. Dezember 2019 werden dem Bundesbeobachtungsobjekt ‚Reichsbürger und Selbstverwalter‘ weiterhin 19.000 Personen zugerechnet, darunter mit Stichtag 31 Dezember 2019 gab es rund 530 ‚Reichsbürger und Selbstverwalter‘ als Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse.
Immer wieder gefährliche Angriffe auf Polizisten und Behördenvertreter
Wirklich beunruhigend ist den Behörden zufolge vor allem die Tatsache, dass es in jüngerer Zeit immer wieder zu gefährlichen Angriffen auf Polizisten, Gerichtsvollzieher, Postboten oder Behördenvertreter kommt, wenn diese versuchen, geltendes Recht oder Verordnungen durchzusetzen. In vielen Bundesländern wurde bereits geschossen und in Bayern ein Polizist getötet. Ebenso durchforstete der Verfassungsschutz schon etliche Polizeibehörden und fand auch immer wieder Polizisten, die einer Reichsbürger-Gruppe angehörten. Da viele Reichsbürger gleichzeitig geradezu verliebt in Ordnung, Hierarchien und Titel sind, drucken sie sich eigene Ausweise und eigene Nummernschilder, sie gründen ständig neue Regierungen, Staaten, Königreiche, nennen sich Reichsverweser, König, Kaiser. Allein mehr als 30 Reichskanzler gibt es derzeit unter ihnen und etwa 20 Gruppierungen. Reichsbürger: Ein Volk, viele Reiche, noch mehr Führer.
Quellen: Sonnenstaatland (Aufruf 2020) – RN Dortmund vom 25. Jan. 2017.– Süddeutsche Zeitung vom 24. Jan. 2017. – Ruhr-Nachrichten Selm vom 18. Jan. 2017. – Halterner Zeitung vom 26. Dez. 2016. – dpa-Meldung vom 14. Dez. 2016. – ZEIT AUDIO vom 28. Nov. 2016. – DZ vom 20. Apr. 2016. – Facebook-Navigation vom 19. Apr. 2016 „41 Gedanken zu Update; Prozessbeobachter in Dorsten am 19. 04. 2016 gesucht“. – Halterner Zeitung vom 23. Sept. 2016.