Schulwesen V

Druck der Eltern auf Lehrkräfte – Grundschullehrerin vor Gericht: Freispruch

„Schule und Elternhaus“ war, wie sich der Autor erinnern kann, eine zu seinen Volksschulzeiten vor fast 70 Jahren in Bayern eine Zeitschrift für Lehrer und Eltern. Vermutlich gibt es sie heute nicht mehr, aber das Thema Eltern und Schule gibt es immer noch und in den letzten zwanzig Jahren verstärkt, wenn es um Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Lehrkräften geht. Und diese nehmen von Seiten der Eltern bemerkbar zu, wie Lehrerkonferenzen immer wieder feststellen. Eine Lehrerin eines Dorstener Gymnasiums: „Der Druck der Eltern wird immer stärker und zwingt uns in die Knie!“ Etliche junge Männer und Frauen, die mit Freude und Berufung Lehrer oder Lehrerinnen geworden sind, müssen sich immer mehr gegen Eltern wehren, die dann oft scharfes Geschütz auffahren, wenn sie ihr Schulkind benachteiligt sehen. Wenn das Kind für das Gymnasium nicht tauglich eingestuft wird, dann gebärden sich die Eltern, als sei ihr Kind ein „von den Lehrern und der Versetzungsordnung verkanntes Genie“, wie ein pensionierter Lehrer sagte. Etliche Eltern meinen, ihr Kind müsse unbedingt auf das Gymnasium, weil es später einmal studieren soll. Wenn aber die Noten und die Auffassungsgabe des Kindes das gar nicht möglich machen, versuchen die Eltern es mit Druck von Anwälten, um die Noten ihres Kindes zu verbessern.
Auch Banalitäten sind häufig Gegenstand von Beschwerden. Dann geht es um die Sitzplatzordnung oder um halbe Punkte bei Benotungen, um neben ihrem Kind sitzende Schüler, die den Eltern nicht passen weil deren Eltern ihnen aus sozialen Gründen nicht passen. So geschehen an einer Dorstener Hauptschule. Eltern setzen oft Anwälte ein oder drohen mit ihnen, wenn ihnen die Noten ihrer Kinder nicht gefallen und eine bessere Note durchsetzen wollen, was nicht selten gelingt. Anwälte werden auch dann beauftragt, wenn Eltern glauben, ihre Kinder werden individuell nicht ausreichend gefördert oder ihre Kinder ungerechterweise nicht versetzt und so weiter.
Heute haben die Rechtsabteilungen der Landesschulverbände etwa zehnmal so viele Rechtsvertreter beschäftigt, darunter auch Volljuristen, als noch vor 20 Jahren, wo es in NRW-Landesverband  mit gesamt 80.000 Mitgliedern nur zwei Rechtsanwälte gegeben hatte, um Lehrkräfte juristisch zu schützen und zu vertreten. Die Zuname war wegen der ansteigenden Zahl der Elternbeschwerden, Strafanzeigen und Klagen gegen Lehrer notwendig. Doch auch da muss gesagt werden, sind die allermeisten Beziehungen zwischen Eltern und Lehrkräften ohne solche aggressiven Beschwerden und von gegenseitiger Wertschätzung getragen.

Lehrerin wegen „Auf den Kopf gehauen“ vor dem Strafrichter

Nicht gelöst werden konnte ein Fall an einer Dorstener Grundschule, wo Eltern behaupteten, die Lehrerin habe ihren Sohn gegen den Kopf geschlagen. Vorgespräche halfen nichts. Die Eltern stellten Strafanzeige, die Lehrerin wurde angeklagt. So kam es, dass sich Eltern, Schüler und Lehrerin im Januar 2020 vor dem Strafrichter wieder trafen, wie in der „Dorstener Zeitung“ nachzulesen war:

Es waren zwei äußerst unangenehme Termine für die Grundschullehrerin aus Dorsten. Denn die Pädagogin fand sich an zwei Verhandlungstagen im Dorstener Amtsgericht vor dem Strafrichter wieder. Sie war wegen Körperverletzung angeklagt – ein siebenjähriger Grundschüler hatte zu Hause erzählt, dass ihn die Lehrerin vor versammelter Klasse geschlagen hätte. Die Eltern hatten daraufhin Anzeige erstattet. Das Geschehen, das diese strafrechtlichen Kreise gezogen hat, soll sich am 5. Juli 2018 während des Unterrichts abgespielt haben. Die Angeklagte hatte an dem Tag vertretungsweise den Unterricht für die Klassenlehrerin übernommen. In der Unterrichtsstunde sollten sich die Kinder mit einer Gemeinschaftsaufgabe beschäftigen. Ein Schüler jedoch blätterte stattdessen in seinem Sammelheft mit Panini-Stickern. Die Pädagogin sagte aus, sie habe den Jungen lediglich in strengem Ton darauf hingewiesen, dass er das Heft zurück in seinen Tornister stecken solle. Der Junge indes behauptete, die Lehrerin habe ihm das Sammelheft gegen den Kopf geschlagen. Schulleiterin und Klassenlehrerin haben daraufhin Gespräche mit der ganzen Klasse geführt. Demnach „hat keiner einen Schlag gesehen“, erklärte die Klassenlehrerin vor Gericht. Und das vermeintliche Opfer? „Der Schüler wollte uns nicht zeigen, wo und wie er geschlagen wurde, sondern sagte nur, es habe nicht wehgetan.“ Mit der angeklagten Kollegin habe es jedenfalls in all den Jahren keinen solchen Vorfall gegeben. Einige Mitschüler des Jungen waren aber von der Staatsanwaltschaft als Belastungszeugen aufgeboten worden. Der Anwalt wies jedoch in seinem Schlussvortrag darauf hin, dass es hinsichtlich der Aussagen der Schüler bei der Polizei und vor Gericht „erhebliche Abweichungen“ gegeben habe. Auch die Staatsanwältin erklärte in ihrem Plädoyer, dass sich die Vorwürfe nach der gerichtlichen Anhörung von Mitschülern nicht bewahrheitet hätten. „Diese Zeugen haben höchst unterschiedliche Geschichten erzählt, die Aussagen der Angeklagten aber waren glaubhaft“, war die Vertreterin der Anklage schließlich von der Unschuld der Lehrerin überzeugt.
Und wie der Verteidiger und die Staatsanwältin äußerte auch der Richter am Schlusspunkt des Verfahrens die Vermutung, diese Mitschüler hätten vor ihrem Verhandlungstermin miteinander darüber gesprochen, was man vor Gericht erzählt. Und so fiel nach und nach die Anklage in sich zusammen. Am Ende: ein glatter Freispruch.

Siehe auch: Schulwesen
Siehe auch: Schulwesen I (Essay)
Siehe auch: Schulwesen II
Siehe auch: Schulwesen III
Siehe auch: Schulwesen IV


Quellen: Umfragen zum Thema Druck der Eltern auf Lehrer bei Lehrerinnen und Lehrern in weitesten Bekanntenkreis des Autors, also keine repräsentative Umfrage. Namen wurden aus Schutzgründen weggelassen. – Der Text über die Verhandlung ist der DZ vom 22. Jan. 2020 entnommen.

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