Pfarrernotstand

Ratlosigkeit – Der katholischen Kirche fehlt es im Bistum an Personal

Der katholischen Kirche im Bistum Münster, zu dem Dorsten gehört, fehlt es schon seit langem an Personal und Nachwuchs. Daher werden auch immer mehr Pfarrgemeinden zu „Seelsorgeeinheiten“ zusammengefasst, weil sie keinen Pfarrer mehr haben. Eine Folge ist die Überlastung des Pfarrers, der jetzt vielleicht drei früher selbstständige Gemeinden zu leiten hat. Das führt dann auch noch zum Weggang des Pfarrers in eine kleinere und ruhigere Pfarrei irgendwo in der Diözese.
Drei aktuelle Beispiele aus 2019 mögen dies belegen: Pfarrer Norbert Mertens sein Dechanten-Amt für das Kreisdekanat Recklinghausen abgegeben. Der Grund ist die personelle Situation in seiner Großgemeinde St. Antonius: Dort ist Mertens nach einem Pfarrer-Weggang ab sofort der einzige hauptamtliche Priester. In Dorsten wechselte Pfarrer Ulrich Franke aus seiner Großgemeinde St. Agatha nach St. Vitus in Olfen. Der 61-Jährige berichtet von der kräftezehrenden Arbeit in seiner fusionierten Großpfarrei, verbunden mit dem Wunsch, eine kleinere Gemeinde zu leiten. In Datteln war Pfarrer Hans Overkämping eigentlich längst im Ruhestand. Doch der emeritierte 78-Jährige übernahm regelmäßig Gottesdienste und Predigten, er leitete Taufen und Hochzeiten. Allein 63 Beerdigungen hat er in den ersten acht Monaten des Jahres 2019 durchgeführt.

Zusammengelegte Kirchengemeinden heißen jetzt „Seelsorgeeinheiten“

Diese drei Beispiele zeigen, dass die katholischen Pfarrer im Kreis Recklinghausen belastet bisweilen überlastet sind, weil der Priestermangel so groß ist – und das trotz rigoroser Gemeinde-Zusammenlegungen. Wie in vielen anderen Berufsbereichen werden daher Geistliche aus anderen Ländern angeworben, wie beispielsweise aus Indien. In der Seelsorgeeinheit Dorsten-Lembeck ist seit Oktober 2019 der aus Indien stammende Thomas Kaleeckal George Pastor mit dem Titel Pfarrer in der Seelsorgeeinheit Dorsten-Lembeck und Dorsten-Wulfen, Kirchengemeinde St. Matthäus. Der Geistliche ist damit Nachfolger von Pater Benny Augustin, der in seine Heimat Indien zurückgekehrte. Weiterhin wird Pfarrer Emenogu Uzoma Chukwudi zur Vertretung in der Pfarrei St. Matthäus, die für die katholischen Gläubigen in Alt-Wulfen, Deuten und Barkenberg zuständig ist, tätig sein. Schon vor etlichen Jahren war in einer Dorstener Gemeinde ein Priester aus dem Balkan Pfarrer, der anfangs den Gemeindefrauen nicht die Hand gegeben hatte, was natürlich zu Beschwerden führte.

Statistik: 4,5 Priesterweihen pro Jahr im Bistum Münster

„Wir haben zu wenig Personal. Die Situation ist problematisch“, bestätigt Jürgen Quante. Kreisdechant und Propst von St. Peter in Recklinghausen sieht keine Besserung, im Gegenteil. Die „Dorstener Zeitung“ (DZ) zitiert ihn: „Es gibt nur wenige Priesterweihen und sehr viele ältere Pfarrer. Die Alterspyramide bei uns ist ganz furchtbar.“ Ein Blick auf die Statistik bestätigt die zum Teil dramatische Entwicklung: Die Zahl von Bistumspriestern, die in der Pfarrseelsorge tätig sind, war vor 15 Jahren noch fast doppelt so hoch wie 2019. In den sechziger Jahren lag die Zahl der jährlichen Priesterweihen im Bistum Münster meist zwischen 25 und 50, der Durchschnittswert der letzten zehn Jahr beträgt nur noch 4,5 Weihen pro Jahr. Einzig die Zahl der emeritierten Priester ist in den letzten 15 Jahren gestiegen. Jürgen Quante fordert in der DZ klare Konsequenzen aus der verfahrenen personellen Situation: „Wenn weiter am Priesteramt und den priesterlichen Diensten wie den Sakramenten und der Gemeindeleitung festgehalten wird, ist unser Personal auf keinen Fall ausreichend. Dann brauchen wir einen anderen Zugang zum geweihten Amt.“ Der 71-Jährige betont: „Vor allem müssen Frauen und Viri probati („Bewährte Männer“) zum Priesteramt zugelassen werden. Und dann geht es auch um die Aufhebung des Pflicht-Zölibats. Die Forderungen der Initiative Maria 2.0 sind völlig berechtigt.“

Kreisdechant: „Wir warten seit 50 Jahren auf Reformen“

Mit Viri probati sind „Bewährte Männer“ gemeint. Sie sind kirchenaffin, in der Gemeinde akzeptiert, haben einen anderen Beruf und Familie. Nach einer entsprechenden Ausbildung erhalten sie die Priesterweihe, leiten eine Gemeinde – inklusive Eucharistiefeier. Der Kreisdechant wartet bereits seit 50 Jahren auf Reformen. Doch die Hoffnung will er nicht aufgeben. Denn es ist schon einiges in Bewegung geraten, äußerte er sich gegenüber er Zeitung: So hat zum Beispiel die Katholische Frauengemeinschaft Deutschland die Zulassung von Frauen zu allen Ämtern gefordert. Wir haben uns in der Pastoralkonferenz mit großer Mehrheit dafür entschieden, als Antrag in den synodalen Prozess Ergebnisse unseres Recklinghäuser Stadtkonzils einzubringen – nämlich die Zulassung von Frauen und Viri probati zum Priesteramt.“ Und zur Situation rund um den Priestermangel sagt er weiter: Es werde unendlich viel geredet und es herrsche große Ratlosigkeit. Es fehle bislang an Entscheidungen. „Und die brauchen wir jetzt, wie die für das Frauenpriestertum.“

Starker Rückgang bei aktiven Priestern und Weihen in der Diözese

Bistumspriester in der Pfarrseelsorge gab es im Jahr 2018 noch 320. Im Jahr 2003 waren es 590. Das bedeutet innerhalb von 15 Jahren einen Rückgang von 46 Prozent. Die Priesterweihen sind stark zurückgegangen: In den Jahren 2017 bis 2019 wurden in Münster insgesamt neun Männer zu Priestern geweiht. 15 Jahre vorher (2002 bis 2004) waren es insgesamt 34. In diesem Vergleichszeitraum beträgt der Rückgang also 74 Prozent. Der Nachwuchs fehlt zunehmend, die Zahl der älteren Priester hingegen ist gestiegen. Emeritierte Priester gab es im vergangenen Jahr 382, im Jahr 2003 waren es nur 281. Das entspricht einem Plus von 36 Prozent. Die Priester im Ruhestand, die oft in den Gemeinden mithelfen, sind in der Regel mindestens 75 Jahre alt.


Quellen: Nach Thomas Schönert in  DZ vom 17. Sept. 2019. – „Kirche und Leben“ Münster.

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