Über 500 Schützen und das ganze Dorf feierten 2011 das 150-Jährige
Es gibt Hinweise, dass der Schützenverein Dorf Hervest als Bruderschaft wesentlich älter ist als der älteste Nachweis von 1861. An der Königskette des Vereins befindet sich eine Plakette mit der entsprechenden Gravur mit der Jahreszahl. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts pflegte man in Hervest-Dorf traditionell nach Pfingsten eine Kirmes in den festlich geschmückten Gastwirtschaften Einhaus und Grütering zu feiern und gut belegte Schinkenbrote zu essen. 1905 beriefen die „Pohlbörger“, darunter die Herren Schulte Tenderich, Feller, Börger und Funke eine Versammlung ein, um im nächsten Jahr wieder ein Schützenfest zu feiern. Man nahm Verbindung zu dem noch lebenden ersten Königspaar Franz Lieshaus und Anna Teigeler auf, das offenbar noch lebende aus dem Jahr 1861. Eine Sammlung erbrachte 40 Mark für das Schützengfest, damals eine große Summe. Zum Vorsitzenden wurde Reinhard Schulte Tenderich und zum Oberst Hermann Möllmann gewählt. Es gab zwei Kompanien mit 102 und 124 Schützen und es wurde beim Juwelier Kohle in Dorsten eine Königskette gekauft und bei Nolde eine Königinnenschärpe. Fortan feierte der Schützenverein Dorf Hervest nach den Möglichkeiten der Umstände alle zwei Jahre ein Schützenfest. 1935 wurde mit Josef Klein erstmals ein Junggeselle König, der sich Elisabeth Rohlof zur Königin nahm. Im Juni 1938 gründete die Hervester mit 22 Freiwilligen eine eigene Schießgruppe und beim Schützenfest 1939 wirkte zum ersten Mal eine Militärkapelle mit. Es war die des 39. Infanterie-Regiments aus Mühlheim an der Ruhr. Die Königswürde errang bei diesem Fest Heinrich Lensing, der sich Maria Westrich zur Königin wählte.
1949 Mit Gewehrattrappen durch Hervest-Dorf paradiert
Während des Zweiten Weltkriegs waren Schützenfeste verboten, doch der Verein verlegte sich nun verstärkt auf die Tätigkeiten der Schießgruppe, was weiterhin erlaubt war. Generalversammlungen fanden noch in den Jahren 1940, 1941 und 1942 statt. Dann musste aufgrund des Krieges die Vereinsarbeit vollkommen eingestellt werden. Nach jahrelanger Unterbrechung durch den Krieg wurde 1949 der Verein zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte wieder belebt. Eine große Anzahl der alten Schützen und der inzwischen herangewachsenen Generation folgten dem Aufruf zur Versammlung. Der Saal bei Grütering konnte die Teilnehmer kaum fassen. Als dann Heinrich Lensing, die noch amtierende Majestät aus dem Jahr 1939 die Versammlung fragte, ob der Verein seine Arbeit wieder aufnehmen solle, stimmten alle zu. Zum Vorsitzenden wurde Johannes Nover gewählt. Als Gewehre wurden 40 Holzattrappen angefertigt, was von den Engländern 1949 wieder erlaubt war.
Beim ersten Schützenfest nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1949 lebten Ordnung, Einigkeit und Frohsinn der Schützen wieder auf. Schützenkönig wurde Reinhard Schulte Tenderich, der sich Antonia Hütter zur Königin nahm. In der Generalversammlung im Jahr 1950 beschloss man einstimmig, von der Feier eines Schützenfestes Abstand zu nehmen und dafür die 800-Jahr-Feier des Dorfes Hervest mit aller Kraft zu unterstützen. Statt des Schützenfestes wurde zu diesem Anlass erstmals ein Kinderschützenfest veranstaltet. Die nächste Generalversammlung im Jahr 1951 befasste sich lediglich mit Vereinsangelegenheiten und der Teilnahme an der 700-Jahr-Feier der Stadt Dorsten. Nach 23 Jahren wurde 1996 wieder einmal ein Kinderschützenfest ins Leben gerufen und seither zwischen den Schützenfesten gefeiert. 2011 konnte die über 500 Mitglieder des Allgemeine Bürgerschützenvereins Dorf Hervest mit der Bevölkerung und vielen Gästen das 150-jährige Jubiläum feiern.
Vier Schützenbrüder retteten das Schützenfest 2023
Haarscharf ist der Schützenverein Dorf Hervest im Juni 2023 an einer Epoche ohne Schützenkönig vorbeigeschlittert. Vier Schützen haben das Fest schließlich „gerettet“. Den Biervogel wollten noch ganz viele Schützen abschießen, als es aber um die „echte“ Königswürde ging, geriet das Schützenfest in Dorf Hervest am 11. Juni schwer ins Stocken. Der Vorstand des Allgemeinen Schützenvereins Dorf Hervest war sichtlich angespannt, als sich in einer überlangen Schießpause unter den 420 Mitgliedern keine Königs-Kandidaten meldeten. Sollte der Schützenverein tatsächlich erstmals ohne König bleiben und einen sogenannten „Vorstandsthron“ bekommen? Nach langen Verhandlungen – auch mit den Ehefrauen, die anderslautende Absprachen reklamierten – traten schließlich Alex Baldow, Christian Bartels, Michael Bellina und Kay Fölling als Throngemeinschaft an. Zuvor hatten Alex Baldow den linken Flügel, Michael Supe den rechten Flügel, Thomas Kuhlmann die Krone und André Papenfuß Zepter und Reichsapfel heruntergeschossen. Nachdem Alex Baldow mit dem 176. Schuss den Vogelrest von der Stange holte, machte er Antje Bartels zu seiner Königin. Seine Frau Martha und Christian Bartels fungieren als Prinzgemahle, ihr Reichskanzler ist Hendrik Hütter, Minister sind Kay und Sabine Fölling sowie Silke und Michael Bellina (Quelle: DZ vom 12. Juni 2023).
Siehe auch: Schützenwesen (Essay)
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