Zum „Curtis durstige“ gehörten Hufen und Hofesland
Als Oberhof verstand man im Mittelalter sowohl eine Ansiedlungen als auch im Gerichtswesen eine den Gerichten übergeordnete Belehrungsinstanz. Um 700 wurden die Chamaven von den Sachsen unterworfen und ihnen die besten Höfe weggenommen. Einer dieser Höfe war der Hof am Bergkamp im heutigen Dorsten. Nach der Unterwerfung der Sachsen durch Karl dem Großen entstand entlang am Hellweg, im Münsterland und insbesondere an der Ruhr und Lippe eine Vielzahl von Oberhöfen mit zahlreichen Unterhöfen. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um fränkische Militär- und Verpflegungsstützpunkte, die als Reichsdomänen von Karl dem Großen an christliche Franken übergeben wurden. Die Höfe wurden teils den Sachsen weggenommen, teils neu gegründet.
Ursprünglich Militärstützpunkt Karls des Großen gegen die Sachsen
Zu diesen Oberhöfen gehörte auch der Oberhof Dorsten (curtis durstine) mit Unterhöfen. Die Eigentümerin des Oberhofes Dorsten, die Adlige Emeza (auch Embza, Reginmoud genannt) schenkte den Oberhof dem Stift Xanten, das der Schutzherrschaft von Kleve unterstellt war. Somit gehörte der Oberhof Dorsten zum Hoheitsgebiet der Grafen von Kleve. Nach der Stadtwerdung 1251 bestand der Oberhof Dorsten als freies Eigentum des Stifts Xanten und daneben lag die Stadt Dorsten (siehe Reichshof Dorsten).
Der Oberhof lag an der alten Römerstraße, die von Xanten ausging und sich am nördlichen Ufer der Lippe hinzog. Es war einer der Reichshöfe, die der bereist erwähnte Karl der Große als Stützpunkte für seine Eroberungen an der Grenze des Sachsenlandes hatte errichten lassen. Aus ihm hat sich der Ort Dorsten entwickelt, wo das Stift schon 1170 auch ein Haus besaß und wo ihm 1292 der Pfarrer Macharius seinen Speicher (Spieker) schenkte, er auf einem ans Pfarrhaus anstoßenden Grundstück errichtet war. Am Ende des 13. Jahrhunderts gehörten zum Oberhof Dorsten im engeren Sinn sieben Hufen sowie das so genannte Hofesland und Zinsen von 48 Hausplätzen in der Stadt Dorsten. Als Hufen- bzw. Hofesland-Inhaber werden in einer Etat-Liste des Stifts im Stiftsarchiv Xanten folgende Namen genannt, die heute zum Teil fremd klingen mögen: Theoderichs de Vors, Joh. de Bricht, Aleidis von Buchorn, Joh. V. Bunascel, Gerh. v. Wulvelinctorp, die Herren von Loest, Ditr. uppen Dicke, Arnold v. Feldhausen, Henr. v. Herdinchusen, Berthold v. Northellen, Bernard v. Eclo, Con. v. Reet, Berthold v. Ulfcathin, Dietr. v. Burst, Henr. v. Pabeke und Goswin v. d. Weiden. Als Zubehör des Hofes werden zur selben Zeit insgesamt 253 Zinsgüter genannt. Davon lagen u. a. 75 in Kirchhellen samt Northellen, Feldhausen, Overhagen, Borkau und Hardinghausen, 34 in Gladbeck und Overbrabeck, 15 in Polsum, 38 in Buer, Resse und Scholven, 19 in Westerholt, 26 in Langenbochum, 36 in Recklinghausen, Börste und Speckhorn, 6 in Hamm, 10 in Flaesheim und 12 in Bossendorf.
Geld, Getreide, Schweine und Hammel an das Stift Xanten
An Geld kamen aus dem Oberhof Dorsten, aus dem dazugehörigen Unterhof Raesfeld und aus Gütern in der Herrlichkeit Lembeck um das Jahr 1300 jährlich 19 Mark ein, eine beachtliche Summe, gemessen an der damaligen Kaufkraft des Geldes, sowie 320 Malter Roggen und je 50 Malter Gerste und Hafer, dazu noch gewisse Quanten an Malzgetreide. Außerdem wurde noch eine größere Anzahl von Schweinen und Ferkeln sowie von Hammeln geliefert. Alle diese Höfe – später haben sich aus ihnen durch Rodung, Teilung von größeren Höfen usw. rund 370 gebildet – lagen an der Straße Dorsten-Kirchhellen und Dorsten-Buer im Westen, Dorsten-Haltern im Norden, Haltern-Recklinghausen im Osten und Recklinghausen-Buer-Kirchhellen im Süden. Alle in diesem Viereck gelegenen Höfe waren vom Stift Xanten abhängig.
Hofesland gehörte zum Oberhof Dorsten
Vom eigentlichen Oberhof Dorsten ist der größte Teil in der Stadt aufgegangen, der restliche Teil im 14. Jahrhundert unter der Bezeichnung Hofesland im Besitz von Dorstener Bürgern, die dafür jährlich, wie mehrmals dargestellt, eine Münze, die Müschelchen hieß, als Anerkennungszins an das Stift Xanten zahlen mussten. Dieser Anerkennungszins geriet im Laufe der Zeit in Vergessenheit (siehe Xantener Speicher). Dieses Hofesland lag westlich von Dorsten im Gahlener Bezirk. Von diesen Parzellen sind besonders zu nennen die Gemarkungen Hofeslöhken und Beckedale. Als Inhaber von Hofesland werden in den Archivunterlagen erwähnt die Familien Angenendt, Benen, Eggendorf, Kistemaker, Koch, Kremer, Rensing, Sehler, Schilling, Schoell, Orsoy und Glüns. Weiter gehörten zur Freiheit Dorsten folgende Güter: Haetfeld, später Benenhof, zeitweilig im Besitz des Vestischen Statthalters Rensing. – Florcken, 1685 auf dem Hülskamp, Inhaber: Berkendahl und Bley, von Backum und Lubben. – Hasselbeck(e), eingeteilt in kleine und Große Hasselbeck, die kleine Hasselbecke hieß auch Butshof; ihre Inhaber waren von Limborch, Dellekamp, ten Rae, Plankermann, Reckmann und Vissing, die Große Hasselbeck wurde später in die Stadt Dorsten einbezogen. – Bungarden vor dem Recklinghäuser Tor (Bungersgarten), Inhaber: Hildes Koelen und Rive. – Holtkamp, im 14. Jahrhundert Lamb. von Backum, um 1400 Scheper, 1595 Schoell. – Slomels, heute Schlimmes Feld, am Weg nach Feldhausen. – Averbeck, 1457 Tenhagen, im 17. Jahrhundert de Weldige-Kremer. – Die Hofesmühle, später nach dem Besitzer Koelen-Mühle genannt. – Fronenhufe, Inhaber: von Oidt, Schulte Eickel, Bierbaum, ab 1728 Dr. Rive.
Der Schultheiß bzw. Schulte verwaltete den Oberhof
Die örtliche Verwaltung des Oberhofs lag in den Händen eines von Stift Xanten bestellten „Villicus“, der später Schultheiß genannt wurde, weil er die Schuld, d. h. die Abgaben heischte (einforderte), und irgendwann später einfach nur Schulte hieß. Der Schulte war meist der Pächter des Hofes. Solche waren im 16. Jahrhundert meist Pfarrer aus den Pfarreien des Vestes und angesehen Bürger, später fast ausschließlich Xantener Stiftsherren, die zumeist irgendwelche Beziehungen zum Vest hatten. Der Schulte führte den Vorsitz im Hofesgericht, dessen Appellationsinstanz der Graf von Kleve in seiner Eigenschaft als Schirmvogt des Stiftes Xanten war. Beisitzer des Gerichtes waren sechs aus den Inhabern der bedeutendsten zugehörigen Höfe bestimmte Bauern. Ein Umstand oder Beirat wurde aus den Inhabern der anderen Guter des Oberhofes gebildet. Der Gerichtsfron hatte für die Ausführung der Gerichtsbeschlüsse zu sorgen. Viermal im Jahr, und zwar im Januar, März, Juni und September trat das Gericht in der Dorstener Pfarrkirche St. Agatha. zusammen.(siehe Xanten; siehe Emeza).
Quelle:
teilweise Wilhelm Volkert „Kleines Lexikon des Mittelalters“, München 1999.