Herwers, Bernardine

Die Wulfenerin kandidierte als erste Frau bei den Gemeinderatswahlen 1919

Von Marion Rible – 1865 Diestedde (heute Wadersloh) bis 1943 Münster; 1919 politische hervorgetretene und heimatverbundene Lehrerin. –  Sie gehörte zu den ersten Frauen, die sich nach Einführung des Frauenwahlrechts 1918 aufstellen ließ. Und zwar als Kandidatin des Zentrums für die Gemeinderatswahlen am 2. März 1919 in Wulfen. Auf der Liste an vierter Stelle hatte sie eine schlechte Ausgangsbasis. Daher bekam sie auch nicht genügend Stimmen, um in den Gemeinderat Einzug zu halten. Daraufhin hatte sie auch keine weiteren politischen Aktivitäten mehr unternommen.

Ausbildung zur Lehrerin in Münster und 1889 nach Wulfen

Aufruf an die Frauen 1919

Bernardine Herwers wuchs als drittes von fünf Kindern des Försters Max Herwers und seiner Ehefrau Elisabeth in Westfalen auf. Als junge Frau träumte sie von einer Ausbildung zur Lehrerin. Mit diesem Wunsch war ebenfalls die Entscheidung zu einem zölibatären Leben verbunden, da 1880 in Preußen das Beamtinnenzölibat eingeführt worden war. Zu ihrer Zeit war Bernardine Herwers Wunsch couragiert und oft unerfüllbar, denn er traf nur selten auf die Zustimmung des Vaters. Sie aber setzte sich durch. Sie absolvierte ihre Lehrerinnenausbildung in Münster, wo bereits 1832 das erste katholische Lehrerinnenseminar Preußens entstanden war. Nach dem Examen trat die 19-Jährige ihre erste Stelle in Hainhausen (heute Brakel) an. Nach Wulfen kam sie im Frühsommer 1889, gemeinsam mit ihrer jüngsten Schwester Maria, einer kränklichen jungen Frau, für die sie die folgenden 45 Jahre sorgen würde. Sie bezogen eine Wohnung in Wulfen, Dorf 66. Das war in der Dülmener Straße, gegenüber der heutigen Montessorischule. Es war eine moderne und ungewöhnliche Wohn- und Lebensform, dass ledige Frauen mit einer weiblichen Verwandten oder einer Freundin einen gemeinsamen Haushalt führten. Später nahmen die beiden noch Elisabeth und Eugenie Herwers auf, höchstwahrscheinlich ihre Nichten.

Wahlliste Gemeinderatswahl Wulfen 1919 (Ausriss)

Lehrerinnen: 30 Prozent weniger Gehalt und 10 Prozent mehr Steuern

Als sie 1889 ihre neue Stelle in der Wulfener Mädchenschule antrat, traf Bernardine Herwers auf 76 Schülerinnen in einer Klasse. Als weibliche Beamtin war sie finanziell benachteiligt. Sie verdiente rund 30 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, zahlte aber 10 Prozent mehr Steuern und erhielt keinen Ortszuschlag. Ihre Arbeit wurde geschätzt: „Vorzügliche Leistungen, musterhaftes Verhalten in und außer Dienst“ (Wulfener Gemeinderat 1914) und auch persönlich war die Lehrerin sehr beliebt: Ihr 40-jähriges Schuljubiläum im Juni 1929 wurde groß gefeiert.

Mitbegründerin des Heimatbundes und des Wulfener Heimatvereins

Plakat und Handzettel 1919

Wie es von Lehrerinnen erwartet wurde, engagierte Bernhardine Herwers sich gesellschaftlich. Nachdem Frauen in Deutschland 1918 erstmals das aktive und passive Wahlrecht zugestanden wurde, ist sie eine der ersten Frauen Deutschlands und die allererste Frau in Wulfen, die sich am 2. März 1919 zusammen mit 28 Männern zur Gemeinderatswahl stellte. Bernardine Herwers engagierte sich ebenfalls in der neuen Heimatbewegung. Sie war eine der 49 Honoratioren, die 1922 den Heimatbund der Herrlichkeit Lembeck gründeten. Von den 49 Personen waren über ein Drittel Frauen, alle Lehrerinnen in einer der Herrlichkeitsgemeinden. Sie gehörte als einzige Frau der fünfköpfigen Kommission des Heimatbundes an, deren Aufgabe es war, das neu geschaffene Konstrukt der Ortsgruppe Wulfen mit Leben zu erfüllen, sie ist also eine Gründungsmutter des Wulfener Heimatvereins. Sofort übernahm sie die Leitung der Arbeitsgruppe „Sagen, Lieder und Gebräuche“. Und sie war fleißig: In neun Jahren verfasste sie 17 Beiträge im Heimatkalender. 1931 wurde Bernardine Herwers pensioniert und musste auf Betreiben der Regierung ihre Wohnung aufgeben. Da sich in Wulfen keine andere Wohnung fand, zog sie nach Münster, wo sie sich wieder einer Frauenwohngemeinschaft anschloss: einer Wohn- oder Hausgemeinschaft mit drei pensionierten Lehrerinnen. Hier verliert sich 1936 ihre Spur. Bernhardine Herwers starb 1943 in der Münsteraner Kongregation der Clemensschwestern.

Zur Sache:
Sieben Frauen kandidierten bei den ersten Wahlen mit Frauenstimmrecht

Februar 1919

Insgesamt hatten sich bei der Magistratswahl in Dorsten sowie der Gemeindewahl in Hervest sieben Frauen zur Wahl gestellt, sechs davon für das Zentrum. Hervest wie auch Wulfen und andere Gemeinden waren 1919 noch selbstständige Gemeinde, die erst 1943 bzw. 1975 Dorsten eingemeindet wurden. Für Dorsten waren es die drei Ehefrauen Alwine Tenberg, Markt 8, Gertrud Blome, Sandstraße 5, Hedwig Geißler, Essener Straße 19 sowie das Fräulein Maria Siebel, Lippestraße 21. In Hervest ließen sich die Ehefrau Emilie du Moulin (SPD), Burgsdorffstraße 70, und Marta Herpers, Witwe, Bismarckstraße 55, aufstellen. In Lembeck, Altschermbeck, Erle, Rhade und Holsterhausen fanden sich offenbar keine Frauen. Nur in Wulfen eben Bernardine Herwers.


Anmerkung: Ein längerer Artikel von Marion Rible über Bernardine Herwers erscheint demnächst in einem Buch des Heimatvereins Wulfen.

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