Kommunen überbrückten den Mangel an Münzen durch bedrucktes Papier
Notgeld ersetzte fehlende gesetzliche Zahlungsmittel und wurde vom Staat, von Gemeinden und privaten Unternehmen herausgegeben. Das Vertrauen in Notgeld war in Kriegs- und Krisenzeiten oftmals größer als in offizielle Zahlungsmittel. Es wurde meist in inländischer, ausländischer oder historischer Währung ausgegeben (Goldmark, US-Dollar), aber auch als Anspruch auf Waren wie Getreide, Zucker oder Holz. Neben den üblichen Geldformen Münze (runde Notmünze) und Geldschein kamen auch verschiedene Ersatzmaterialien wie Porzellan, Pappe, Leder, Presskohle, Seide oder Leinen zum Einsatz. Eine besonders große Menge von Notgeld wurde im Deutschen Reich in den Jahren während und nach dem Ersten Weltkrieg und während der Inflation 1923 ausgegeben. Das Horten von Silbermünzen (durch die Inflation war ihr Materialwert höher als der Nominalwert) und der Metallbedarf der Kriegsindustrie führten zu Kleingeldmangel. Städte, Gemeinden, Kreise und Privatfirmen sprangen in die Lücke und deckten den Bedarf mit eigenen Ausgaben von Notgeld.
Städte zeigte Motive ihrer Geschichte
Die große Anzahl von variantenreich gestalteten Geldscheinen mit viel Lokalkolorit erweckte bald auch das Interesse von Sammlern, was dazu führte, dass viele Notgeldscheine gar nicht mehr für den Umlauf, sondern eigens für die Sammler gedruckt und ausgegeben wurden. Solche Scheine nannte man „Serienscheine“. Städte bedruckten ihre bunten Notgeldscheine meist mit Darstellungen aus ihrer Ortsgeschichte – gruselige wie idyllische. Im Laufe der Inflation wurden diese bunten Scheine allerdings verboten, als die Inflations-Kassenscheine mit Billionenwerten in Umlauf kamen. Dorsten druckte anlässlich der 650-jährigen Wiederkehr der Stadterhebung 1921 vier bunte Notgeldscheine zu 50 Pfennigen, ein, zwei und drei Mark. Diese Kassenscheine zeigen die Stadt aus unterschiedlichen Perspektiven sowie Motive der Stadtgeschichte (siehe Foto oben).
Münzen für die Herrlichkeit Lembeck aus Eisen mit der Femeiche
Für die Herrlichkeit Lembeck prägte das Doppelamt Lembeck-Altschermbeck 1919 die ersten eigenen 5- und 10-Pfennig-Münzen aus Eisen. Auf der Vorderseite dieser beiden Münzen sind der jeweilige Wert, die Jahreszahl und der Umlauftext „Herrlichkeit Lembeck“ zu sehen, auf den Rückseiten ist die Erler Eiche abgebildet mit der Umschrift: „1000jährige Vehm-Eiche zu Erle“ [sic!]. Schon Ende des Jahres 1919 hatte die Zehn-Pfennig-Münze nur noch einen Wert von einem Pfennig. Daher kam 1920 ein 50-Pfennig-Stück in gleicher Gestaltung wie die kleineren Werte heraus. Ende 1920 hatte auch diese Münze nur noch einen Wert von drei Pfennigen.
Einseitig bedruckte Geldscheine in Milliardenhöhe ausgegeben
Das erste Papiergeld der Herrlichkeit wurde 1923 herausgegeben. Zuerst in der Reichsdruckerei hergestellt, wurde es dann wegen Überlastung in privaten Druckereien gefertigt. Die einseitig bedruckten Scheine hatten Werte von 500.000 Mark, dann von 1,5 und 20 Millionen Mark. Die beiden ersten Werte waren bis auf die Ziffern mit gleichem Text versehen: „Gutschein der Ämter Lembeck-Altschermbeck über 500.000 Mark (bzw. 1 Million). Gültig bis zum 15. September 1923. Einlösung erfolgt durch die Amtskasse. Wulfen, den 10. August 1923.“ Es folgten die Unterschriften von Amtmann Kuckelmann, des Amtsbeigeordneten Rößmann und die von Amtsrentmeister Schwingenheuer, der die Unterschriften beglaubigte. Die Scheine wurden in der Druckerei Fleissig in Coesfeld hergestellt. Der Nennwert der ausgegebenen Scheine betrug vermutlich zusammen etwa 4,5 bis 5 Milliarden Mark.
Schon eine Woche später wurde eine erneute Auflage mit jetzt drei Werten herausgegeben: 1 Million, 5 und 20 Millionen Mark. Der Text lautete nun „Notgeld der Herrlichkeit Lembeck. Die Auflage des 1 Millionen-Scheins betrug vermutlich 10.000 (= 10 Milliarden Mark), die anderen Scheine lagen wahrscheinlich unter 1.000 Stück. Die Inhaber dieser Scheine mussten sich beeilen, sie bei der Amtskasse gegen richtiges Geld einzulösen, denn der Wert dieser Scheine verfiel täglich. Hatte der erste 1-Millionen-Schein bei der Ausgabe noch einen Gegenwert von einer Goldmark, war er am Ende der Einlösefrist, nach rund drei Wochen, nur noch zehn Pfennige wert.
Quelle:
Michael Langenhorst „Notgeld in Lembeck“ in „Vestgeld, Zahlungsmittel im Vest und Kreis Recklinghausen“ (Ausstellungskatalog), hg. vom Arbeitskreis Archive und Museen im Kreis Recklinghausen und Bürgermeister der Stadt Gladbeck, 2009.